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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Erstes Vierteljahr.

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Kaiser zum Kriege aufrief, folgten auch die Republikaner. So hat jetzt die Kirche
Anspruch auf den kirchlichen Patriotismus auch der religiösen Individualisten,
der Dogmenfeinde und Gleichgültigen, sofern sie nur überhaupt noch Christen
sein wollen.

Wir müssen uns noch einmal mit der Lehre beschäftigen, daß in der Kultur¬
menschheit keine andre kollektive Organisation sich im Range neben den Staat
stellen dürfe. Denn es gilt einzusehen, daß diese Lehre weder der Geschichte noch
den Tatsachen der Gegenwart gerecht wird. Im Mittelalter war die kirchliche
Bindung vielmehr stärker als die staatliche. Am tiefsten im Bewußtsein der
Zeitgenossen saß der Gegensatz: hie Christentum, hie Islam! Der Unterschied
zwischen deutsch und französisch, italienisch und spanisch trat gegenüber dem
katholischen Zusammengehörigkeits-gefühl zurück. Erst seit dem vierzehnten Jahr¬
hundert nahm das nationalstaatliche Beivußtsein zu. Die allgemeine Kirche
zeigte eine wachsende Neigung, sich national zu spalten, gallikanisch in Frankreich,
anglikanisch in England zu werden. Die englische Hoch-Kirche versteht man viel
besser, wenn man sie, statt für einen Zweig des Protestantismus, für einen
nationalisierten Ast der katholischen Kirche ansieht. Der Protestantismus war
ursprünglich gemeint als eine Reform- oder Revolutionsbewegung der Gesamt-
kirche, endete aber, wenigstens soweit der europäische Kontinent in Frage kommt,
fast überall im Laudeskirchentum. Eine Zeitlang blieb auch in ihm das kirchliche
Bewußtsein noch stärker als das territoriale oder nationale. Bis zum Dreißig¬
jährigen Kriege ist das protestantische Zchamnrengehörigkeitsgefilhl einerseits, das
katholische anderseits oft kräftiger als das Nationalgefühl der europäischen Völker.
Dann verschmilzt die protestantische Landeskirche immer mehr mit ihrem staat¬
lichen Territorium zu einer auch imveren Einheit, und auch unter den Katholiken
bringt der Josefinismus staatskirchliche Tendenzen ans Ruder.

Im neunzehnten Jahrhundert wurde der Nationalstaat erst recht die
beherrschende Organisation der europäischen Gesellschaft. Bei uns -in Deutsch¬
land wurde das neue Reich gegründet. Dennoch erstarkte in derselben Zeit auch
wieder das kirchliche Bewußtsein, besonders das katholische. Der deutsche Staat
versuchte es im Kulturkampf vergebens niederzuringen. Seit dessen Abschluß ist
der deutsche Staatsbürger katholischen Glaubens anerkanntermaßen in zwei
Organisationen der Gesellschaft eingeordnet: in das Deutsche Reich, dessen Ober¬
haupt bis 1918 der Kaiser oder der Bundesrat war, und in die katholische Kirche,
deren Oberhaupt der Papst ist. Wir Protestanten haben diese doppelte Bindung
früher nicht gelten lassen wollen. Wir haben die Ultramontanen schlechte
Deutsche gescholten. Aber wir sind nicht durchgerungen, die Ultramontanen
haben im Krie^ wir müssen die Tatsache
anerkennen, daß die Kirche ein Kreis ist, der den Kreis des Staates schneidet und
sich nicht von ihm einschließen läßt.

Es wäre aber sehr kurzsichtig, die katholische K-lrche für die einzige
Organisation anzusehen, die es heutzutage unternimmt, den Machtkreis des
Staates zu schneiden, und ihr womöglich deshalb eine unerhörte Anmaßung
anzudichten. Die internationale sozial-demokratische Arbeiterbewegung versucht
genau das Gleiche. Die Sozialdemokratie war von Anfang an keineswegs bloß
eine wirtschaftlich-soziale Massenbewegung oder politische Parteibildung inner¬
halb des Staates, sondern auch ein Versuch, große Gruppen der europäischen
Menschheit außerhalb oder gar gegen die Nationalstaaten nach eignen Prinzipien
zu organisieren, ganz wie die katholische Kirche. Deren Festigkeit hat diese
Organisation noch nicht erreicht. Die Sozialdeniokratie vermaß sich früher, dre
Klassensolidarität der Arbeiter werde den Nationalismus der europäischen Völker
zersetzen. Die Radikalen vom Spartakusbund sind heute noch dieses Glaubens.
Warten wir's ab! Es ist auch möglich, daß die internationale Solidarität des
Sozialismus wieder zerfällt, gerade dann um so mehr, wenn er in den
europäischen Nationalstaaten zum Siege gelangt und für deren nationale
Interessen verantwortlich -wird. Bei uns in Deutschland hat einst Bismarck, wie
gegen die katholische Kirche, so auch gegen die Sozial-demokratie den vergeblichen


Kaiser zum Kriege aufrief, folgten auch die Republikaner. So hat jetzt die Kirche
Anspruch auf den kirchlichen Patriotismus auch der religiösen Individualisten,
der Dogmenfeinde und Gleichgültigen, sofern sie nur überhaupt noch Christen
sein wollen.

Wir müssen uns noch einmal mit der Lehre beschäftigen, daß in der Kultur¬
menschheit keine andre kollektive Organisation sich im Range neben den Staat
stellen dürfe. Denn es gilt einzusehen, daß diese Lehre weder der Geschichte noch
den Tatsachen der Gegenwart gerecht wird. Im Mittelalter war die kirchliche
Bindung vielmehr stärker als die staatliche. Am tiefsten im Bewußtsein der
Zeitgenossen saß der Gegensatz: hie Christentum, hie Islam! Der Unterschied
zwischen deutsch und französisch, italienisch und spanisch trat gegenüber dem
katholischen Zusammengehörigkeits-gefühl zurück. Erst seit dem vierzehnten Jahr¬
hundert nahm das nationalstaatliche Beivußtsein zu. Die allgemeine Kirche
zeigte eine wachsende Neigung, sich national zu spalten, gallikanisch in Frankreich,
anglikanisch in England zu werden. Die englische Hoch-Kirche versteht man viel
besser, wenn man sie, statt für einen Zweig des Protestantismus, für einen
nationalisierten Ast der katholischen Kirche ansieht. Der Protestantismus war
ursprünglich gemeint als eine Reform- oder Revolutionsbewegung der Gesamt-
kirche, endete aber, wenigstens soweit der europäische Kontinent in Frage kommt,
fast überall im Laudeskirchentum. Eine Zeitlang blieb auch in ihm das kirchliche
Bewußtsein noch stärker als das territoriale oder nationale. Bis zum Dreißig¬
jährigen Kriege ist das protestantische Zchamnrengehörigkeitsgefilhl einerseits, das
katholische anderseits oft kräftiger als das Nationalgefühl der europäischen Völker.
Dann verschmilzt die protestantische Landeskirche immer mehr mit ihrem staat¬
lichen Territorium zu einer auch imveren Einheit, und auch unter den Katholiken
bringt der Josefinismus staatskirchliche Tendenzen ans Ruder.

Im neunzehnten Jahrhundert wurde der Nationalstaat erst recht die
beherrschende Organisation der europäischen Gesellschaft. Bei uns -in Deutsch¬
land wurde das neue Reich gegründet. Dennoch erstarkte in derselben Zeit auch
wieder das kirchliche Bewußtsein, besonders das katholische. Der deutsche Staat
versuchte es im Kulturkampf vergebens niederzuringen. Seit dessen Abschluß ist
der deutsche Staatsbürger katholischen Glaubens anerkanntermaßen in zwei
Organisationen der Gesellschaft eingeordnet: in das Deutsche Reich, dessen Ober¬
haupt bis 1918 der Kaiser oder der Bundesrat war, und in die katholische Kirche,
deren Oberhaupt der Papst ist. Wir Protestanten haben diese doppelte Bindung
früher nicht gelten lassen wollen. Wir haben die Ultramontanen schlechte
Deutsche gescholten. Aber wir sind nicht durchgerungen, die Ultramontanen
haben im Krie^ wir müssen die Tatsache
anerkennen, daß die Kirche ein Kreis ist, der den Kreis des Staates schneidet und
sich nicht von ihm einschließen läßt.

Es wäre aber sehr kurzsichtig, die katholische K-lrche für die einzige
Organisation anzusehen, die es heutzutage unternimmt, den Machtkreis des
Staates zu schneiden, und ihr womöglich deshalb eine unerhörte Anmaßung
anzudichten. Die internationale sozial-demokratische Arbeiterbewegung versucht
genau das Gleiche. Die Sozialdemokratie war von Anfang an keineswegs bloß
eine wirtschaftlich-soziale Massenbewegung oder politische Parteibildung inner¬
halb des Staates, sondern auch ein Versuch, große Gruppen der europäischen
Menschheit außerhalb oder gar gegen die Nationalstaaten nach eignen Prinzipien
zu organisieren, ganz wie die katholische Kirche. Deren Festigkeit hat diese
Organisation noch nicht erreicht. Die Sozialdeniokratie vermaß sich früher, dre
Klassensolidarität der Arbeiter werde den Nationalismus der europäischen Völker
zersetzen. Die Radikalen vom Spartakusbund sind heute noch dieses Glaubens.
Warten wir's ab! Es ist auch möglich, daß die internationale Solidarität des
Sozialismus wieder zerfällt, gerade dann um so mehr, wenn er in den
europäischen Nationalstaaten zum Siege gelangt und für deren nationale
Interessen verantwortlich -wird. Bei uns in Deutschland hat einst Bismarck, wie
gegen die katholische Kirche, so auch gegen die Sozial-demokratie den vergeblichen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335181/87>, abgerufen am 05.02.2025.