Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Erstes Vierteljahr.Wozu brauchen wir die deutschen Volksräte? zu erwarten haben, die aus dem Westen kommen und nichts zu essen Damit komme ich zum Schluß, zu den eigentlichen Orgcunsationsvor- ^ Wozu brauchen wir die deutschen Volksräte? zu erwarten haben, die aus dem Westen kommen und nichts zu essen Damit komme ich zum Schluß, zu den eigentlichen Orgcunsationsvor- ^ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0203" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/335385"/> <fw type="header" place="top"> Wozu brauchen wir die deutschen Volksräte?</fw><lb/> <p xml:id="ID_905" prev="#ID_904"> zu erwarten haben, die aus dem Westen kommen und nichts zu essen<lb/> haben. Auch dagegen müssen wir gesichert sein. Wir müssen sie beschäftigen<lb/> können und sie zur Arbeit zwingen. Wer nicht arbeiten will, bekommt<lb/> auch nichts zu essen. Um sie zur Arbeit zu zwingen, müssen sie auch die<lb/> Gelegenheit haben und die Gelegenheit können jene nur geben, wenn sie einig<lb/> sind unter einander. Unterschätzen Sie diese Frage nicht, sondern überlegen Sie<lb/> sich, was das bedeutet, wenn hier auf einmal die Stadt von 2—300 oder gar<lb/> 1000 hungernden Arbeitern überschwemmt ist. Dagegen können Sie sich nur<lb/> schützen, wenn Sie sich vereinigen, wenn Sie einander Hilfe leisten. Aber mit<lb/> der Abwehr zugleich sorgen Sie für Arbeitsgelegenheit, sei es Wegebau oder<lb/> andere Arbeiten, die zu verrichten sind. Aber ziehen Sie sich hier kein Bettel-<lb/> Proletariat heran. Wenn der Arbeiter ebenso denkt wie der große Unternehmer,<lb/> wo sie alle einig sind, daß das demsche Volk erst einmal gesund gemacht<lb/> werden muß, dann brauchen wir auch keine Bange für unsere Zukunft zu haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_906"> Damit komme ich zum Schluß, zu den eigentlichen Orgcunsationsvor-<lb/> schlügen. Die Deutsche Vereinigung ist kein Verein im Sinne des Gesetzes, es<lb/> soll auch kein Stammtischklub werden. Meine Damen und Herren! Ich möchte<lb/> nicht, daß das Ergebnis meiner Rede das Aufblühen von zwanzig Stammtischen<lb/> in Ratel wäre, dann wäre ich furchtbar hereingefallen! Nein, ich möchte sagen,<lb/> daß die zwanzig in Ratel etwa vorhandenen Stammtische sich vereinigen mögen und<lb/> aufgehen in dem einen großen Becken eben d>r Deutschen Vereinigung. Jeder<lb/> Deutsche über 18 Jahre gehört dazu und fühle sich berufen mitzuarbeiten. Die<lb/> Arbeit soll derart erfolgen, daß Sie hier aus Ihrer Mitte heute für Ratel. nur<lb/> für Ratel, nicht für die Nachbarorte, einen Volksrat wählen. Es ist bereits<lb/> ein Arbeitsausschuß vorhanden, der die Vorbereitungen für den Volksrat und<lb/> für diese Versammlung getroffen hat. Dieser Voiksrat muß sich zusammen¬<lb/> setzen aus allen Teilen der Bevölkerung: da muß der Mühlenbesitzer sein, da<lb/> muß der Bankier sein, da muß der Arbeiter von der Eisenbahn sein, da muß<lb/> der Beamte von der Post sein, der Lehrer, da müssen die Frauen und die<lb/> Mädchen vertreten sein. Ich glaube nach der Entwicklung von Ratel, die ja<lb/> ziemlich lebhaft gewesen ist, werden Sie hier etwa 15—20 Personen brauchen,<lb/> die den Volksrat Ratel bilden. Dieser Volksrat Ratel wird sich einen Obmann<lb/> wählen utid dieser Obmann wird sich einen Arbeitsausschuß nehmen, der die<lb/> laufenden Geschäfte erledigt. Neben Ratel bitte ich die Herrn vom Lande,<lb/> daß in allen Ortschaften, wo rein bäuerlicher Besitz ist, solche Volksräte ge¬<lb/> bildet werden aus 3—5 Personen und meine Damen und Herren, wie ich<lb/> schon das letzte Mal sagte, nehmen Sie nicht nur die alten bewährten Herren<lb/> dort hinein und lassen Sie von denen die Geschäfte wieder führen, sondern<lb/> nehmen Sie neben einem erfahrenen Politiker und Führer auch junges Volk<lb/> hinein, unsere jungen Leute, damit sich die Jugend daran gewöhnt, eine feste<lb/> politische Arbeit für die Allgemeinheit zu treiben. Lernen Sie in dieser<lb/> Beziehung von der deutschen Arbeiterschaft, von den Gewerkschaften mit<lb/> ihrem Vertrauensmännersystem. Nehmen Sie die Frauen herein. Stellen<lb/> Sie sich nicht auf den Standpunkt, daß die Frauen doch nichts ver¬<lb/> stehen. Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß. viele sehr große<lb/> Politiker nur durch ihre Frauen so große Politiker geworden sind. Also nutzen<lb/> Sie den gesunden Sinn der Frau aus und nehmen sie auch die Tochter<lb/> hinzu. Das junge Mädchen über 18 Jahre braucht ja gerade nicht gleich<lb/> Obmann' zu werden. Sie soll mitarbeiten, den ganzen Betrieb der Politik<lb/> kennen zu lernen. Nehmen Sie schließlich neben dem Bauern auch den<lb/> Landarbeiter hinein, auch die Arbeiterin, die landwirtschaftlichen Beamten.</p><lb/> <p xml:id="ID_907" next="#ID_908"> ^</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0203]
Wozu brauchen wir die deutschen Volksräte?
zu erwarten haben, die aus dem Westen kommen und nichts zu essen
haben. Auch dagegen müssen wir gesichert sein. Wir müssen sie beschäftigen
können und sie zur Arbeit zwingen. Wer nicht arbeiten will, bekommt
auch nichts zu essen. Um sie zur Arbeit zu zwingen, müssen sie auch die
Gelegenheit haben und die Gelegenheit können jene nur geben, wenn sie einig
sind unter einander. Unterschätzen Sie diese Frage nicht, sondern überlegen Sie
sich, was das bedeutet, wenn hier auf einmal die Stadt von 2—300 oder gar
1000 hungernden Arbeitern überschwemmt ist. Dagegen können Sie sich nur
schützen, wenn Sie sich vereinigen, wenn Sie einander Hilfe leisten. Aber mit
der Abwehr zugleich sorgen Sie für Arbeitsgelegenheit, sei es Wegebau oder
andere Arbeiten, die zu verrichten sind. Aber ziehen Sie sich hier kein Bettel-
Proletariat heran. Wenn der Arbeiter ebenso denkt wie der große Unternehmer,
wo sie alle einig sind, daß das demsche Volk erst einmal gesund gemacht
werden muß, dann brauchen wir auch keine Bange für unsere Zukunft zu haben.
Damit komme ich zum Schluß, zu den eigentlichen Orgcunsationsvor-
schlügen. Die Deutsche Vereinigung ist kein Verein im Sinne des Gesetzes, es
soll auch kein Stammtischklub werden. Meine Damen und Herren! Ich möchte
nicht, daß das Ergebnis meiner Rede das Aufblühen von zwanzig Stammtischen
in Ratel wäre, dann wäre ich furchtbar hereingefallen! Nein, ich möchte sagen,
daß die zwanzig in Ratel etwa vorhandenen Stammtische sich vereinigen mögen und
aufgehen in dem einen großen Becken eben d>r Deutschen Vereinigung. Jeder
Deutsche über 18 Jahre gehört dazu und fühle sich berufen mitzuarbeiten. Die
Arbeit soll derart erfolgen, daß Sie hier aus Ihrer Mitte heute für Ratel. nur
für Ratel, nicht für die Nachbarorte, einen Volksrat wählen. Es ist bereits
ein Arbeitsausschuß vorhanden, der die Vorbereitungen für den Volksrat und
für diese Versammlung getroffen hat. Dieser Voiksrat muß sich zusammen¬
setzen aus allen Teilen der Bevölkerung: da muß der Mühlenbesitzer sein, da
muß der Bankier sein, da muß der Arbeiter von der Eisenbahn sein, da muß
der Beamte von der Post sein, der Lehrer, da müssen die Frauen und die
Mädchen vertreten sein. Ich glaube nach der Entwicklung von Ratel, die ja
ziemlich lebhaft gewesen ist, werden Sie hier etwa 15—20 Personen brauchen,
die den Volksrat Ratel bilden. Dieser Volksrat Ratel wird sich einen Obmann
wählen utid dieser Obmann wird sich einen Arbeitsausschuß nehmen, der die
laufenden Geschäfte erledigt. Neben Ratel bitte ich die Herrn vom Lande,
daß in allen Ortschaften, wo rein bäuerlicher Besitz ist, solche Volksräte ge¬
bildet werden aus 3—5 Personen und meine Damen und Herren, wie ich
schon das letzte Mal sagte, nehmen Sie nicht nur die alten bewährten Herren
dort hinein und lassen Sie von denen die Geschäfte wieder führen, sondern
nehmen Sie neben einem erfahrenen Politiker und Führer auch junges Volk
hinein, unsere jungen Leute, damit sich die Jugend daran gewöhnt, eine feste
politische Arbeit für die Allgemeinheit zu treiben. Lernen Sie in dieser
Beziehung von der deutschen Arbeiterschaft, von den Gewerkschaften mit
ihrem Vertrauensmännersystem. Nehmen Sie die Frauen herein. Stellen
Sie sich nicht auf den Standpunkt, daß die Frauen doch nichts ver¬
stehen. Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß. viele sehr große
Politiker nur durch ihre Frauen so große Politiker geworden sind. Also nutzen
Sie den gesunden Sinn der Frau aus und nehmen sie auch die Tochter
hinzu. Das junge Mädchen über 18 Jahre braucht ja gerade nicht gleich
Obmann' zu werden. Sie soll mitarbeiten, den ganzen Betrieb der Politik
kennen zu lernen. Nehmen Sie schließlich neben dem Bauern auch den
Landarbeiter hinein, auch die Arbeiterin, die landwirtschaftlichen Beamten.
^
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |