Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Erstes Vierteljahr.Wozu brauchen wir die deutschen Volksräte? sitteten Jugend. Meine Damen und HerrenI Schütteln Sie nicht den Kopf, Die zweite Aufgabe ist mehr wirtschaftlicher, sozialer Natur. Das ist die Wozu brauchen wir die deutschen Volksräte? sitteten Jugend. Meine Damen und HerrenI Schütteln Sie nicht den Kopf, Die zweite Aufgabe ist mehr wirtschaftlicher, sozialer Natur. Das ist die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0201" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/335383"/> <fw type="header" place="top"> Wozu brauchen wir die deutschen Volksräte?</fw><lb/> <p xml:id="ID_901" prev="#ID_900"> sitteten Jugend. Meine Damen und HerrenI Schütteln Sie nicht den Kopf,<lb/> erinnern Sie sich der Väter und Mütter, die ihre Söhne mit sechszehneinhalb<lb/> oder siebzehn Jahren vor fünf Jahren haben in den Krieg ziehen lassen.' Es ist<lb/> dies ein Alter, wo man sonst den jungen Mann in eine sehr sorgfältig ausgesuchte<lb/> Lehre schickt, in einen besonderen Verirauenskrels, weil es die Zeit der Charakter¬<lb/> bildung ist. Diese Zeit ist maßgebend für die ganze Entwicklung des Menschen,<lb/> für das ganze Leben. Jeder Vater und jede Mutter werden mir dies bestäiigen.<lb/> Und, meine Damen und Herren, der Krieg ist kein guter Jugenderzicher, er<lb/> ist ein Zerstörer, ein Erpresser und Vernichter an aller Menscblichkeir. Er demo<<lb/> ralisiert nicht nur die Jugend, sondern auch die Alten. Wenn heute unsere<lb/> Armee nichts ist, in«d wenn die jungen Leute, die heute den Soldatelirock<lb/> tragen, zum großen Teil kein Pflichtbewußtsein haben und nicht wissen, was sie<lb/> dem Vaterlande und ihrer engsten Hnwat schulden, so ist daran die Demorali¬<lb/> sierung schuld, die der Krieg gebracht hat. Wenn wir ein gesundes Vater¬<lb/> land hoben wollen, so grhört dazu, daß sich die Väter und Mütter zusammen¬<lb/> setzen in einen Kreis und ohne Rücksicht auf ihre Parteizugehörigkeit besprechen,<lb/> was mache ich mit meinem Jungen? Wie kann ich dem Jungen helfen? lind<lb/> es gibt Mittel, der Jugend zu helfen. Wir haben den Ausbau der Schulen,<lb/> wir haben die Elternräle bei den Schulen, wo die Magister zu Rate gezogen<lb/> werden können. Wir haben die Arbeit überhaupt in der. Provinz, in lokalen<lb/> Verhältnissen und wir haben auch das gute Beispiel untereinander. Das kann<lb/> Ihnen keine Parteiorganisation bringen, kein noch so fein arbeitender bureau-<lb/> ttaiischer Apparat, keine noch so fein ausgebildete Technik, — das können nur<lb/> Sie selbst, jeder einzelne für sich und alle zusammen an einem Ordi Das ist<lb/> eine Aufgabe, die Sie im Rahmen der deutschen Vereinigung zu leisten haben<lb/> und die Sie mit Hilfe der Vocksräte erfüllen können.</p><lb/> <p xml:id="ID_902" next="#ID_903"> Die zweite Aufgabe ist mehr wirtschaftlicher, sozialer Natur. Das ist die<lb/> Frage der Landversorgung uns?rer Leute, die besonders jetzt nach dem wirt¬<lb/> schaftlichen Zusammenbruch brotlos umherirren werden und keine Beschäftigung<lb/> finden. Wir müssen verhindern, daß Hunderttausende von Männern den Wander¬<lb/> stab ergreifen und nach Amerika und Sibirien auswandern, um dort als Kultur -<lb/> dünger für fremde Nationen zu dienen, die unsere Kinder alsdann wieder überfallen,<lb/> wenn sie sich wie wir hoffen, von den Nöten derJetztzeit erst eben erholt haben werden.<lb/> Schon jetzt werben die Japaner für großes Geld unter den Marineoffizieren und<lb/> Mannschaften an, und versuchen Menschen hinüber nach Japan zu reiten, um sich<lb/> dort eine Marine nach deutschem Muster zu schaffen, wie wir sie vor dem<lb/> Kriege hatten. Das sind Gefahren, die uns drohen, und die kann keine Re¬<lb/> gierung und kein Parteiregiment heben, sondern nur das Volk in seiner Gesamt¬<lb/> heit. Die innere Kolonisation, die Beschränkung des Großgrundbesitzes auf ein<lb/> Maß, wie es volkswirtschaftlich notwendig ist, das ist eine der brennendsten<lb/> Aufgaben, die jetzt zu erfüllen ist. Nun wird von Fanatikern gepredigt, daß<lb/> es von Ostpreußen bis nach Oberschlesien kein Gut über tausend Morgen<lb/> geben dürfe. Es gibt Gegenden, wo ein Gut unter tausend Morgen über¬<lb/> haupt nicht ertragsfähig ist, das weiß jeder Landwirt! Es gibt Produkiions-<lb/> gebiete für Getreide, Kartoffeln, Rüben, wo wir beim Grundbesitz von fünf¬<lb/> tausend Morgen unbedingt festhalten müssen, wenn unsere Volksgenossen in der<lb/> Industrie und im Handel nicht verhungern sollen. Denn die Bauernwirtschaft,<lb/> mag sie noch so Gutes leisten, kann uns nicht die Menge des Getreides produ¬<lb/> zieren, die das deutsche Volk braucht. Wenn Sie an die Verkleinerung der<lb/> Güter Herangehen, dürfen Sie nicht ausgehen von dem Gesichtspunkte, hier ist<lb/> ein Gut von zehntausend Morgen, das schlagen wir kaput, eben weil es so</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0201]
Wozu brauchen wir die deutschen Volksräte?
sitteten Jugend. Meine Damen und HerrenI Schütteln Sie nicht den Kopf,
erinnern Sie sich der Väter und Mütter, die ihre Söhne mit sechszehneinhalb
oder siebzehn Jahren vor fünf Jahren haben in den Krieg ziehen lassen.' Es ist
dies ein Alter, wo man sonst den jungen Mann in eine sehr sorgfältig ausgesuchte
Lehre schickt, in einen besonderen Verirauenskrels, weil es die Zeit der Charakter¬
bildung ist. Diese Zeit ist maßgebend für die ganze Entwicklung des Menschen,
für das ganze Leben. Jeder Vater und jede Mutter werden mir dies bestäiigen.
Und, meine Damen und Herren, der Krieg ist kein guter Jugenderzicher, er
ist ein Zerstörer, ein Erpresser und Vernichter an aller Menscblichkeir. Er demo<
ralisiert nicht nur die Jugend, sondern auch die Alten. Wenn heute unsere
Armee nichts ist, in«d wenn die jungen Leute, die heute den Soldatelirock
tragen, zum großen Teil kein Pflichtbewußtsein haben und nicht wissen, was sie
dem Vaterlande und ihrer engsten Hnwat schulden, so ist daran die Demorali¬
sierung schuld, die der Krieg gebracht hat. Wenn wir ein gesundes Vater¬
land hoben wollen, so grhört dazu, daß sich die Väter und Mütter zusammen¬
setzen in einen Kreis und ohne Rücksicht auf ihre Parteizugehörigkeit besprechen,
was mache ich mit meinem Jungen? Wie kann ich dem Jungen helfen? lind
es gibt Mittel, der Jugend zu helfen. Wir haben den Ausbau der Schulen,
wir haben die Elternräle bei den Schulen, wo die Magister zu Rate gezogen
werden können. Wir haben die Arbeit überhaupt in der. Provinz, in lokalen
Verhältnissen und wir haben auch das gute Beispiel untereinander. Das kann
Ihnen keine Parteiorganisation bringen, kein noch so fein arbeitender bureau-
ttaiischer Apparat, keine noch so fein ausgebildete Technik, — das können nur
Sie selbst, jeder einzelne für sich und alle zusammen an einem Ordi Das ist
eine Aufgabe, die Sie im Rahmen der deutschen Vereinigung zu leisten haben
und die Sie mit Hilfe der Vocksräte erfüllen können.
Die zweite Aufgabe ist mehr wirtschaftlicher, sozialer Natur. Das ist die
Frage der Landversorgung uns?rer Leute, die besonders jetzt nach dem wirt¬
schaftlichen Zusammenbruch brotlos umherirren werden und keine Beschäftigung
finden. Wir müssen verhindern, daß Hunderttausende von Männern den Wander¬
stab ergreifen und nach Amerika und Sibirien auswandern, um dort als Kultur -
dünger für fremde Nationen zu dienen, die unsere Kinder alsdann wieder überfallen,
wenn sie sich wie wir hoffen, von den Nöten derJetztzeit erst eben erholt haben werden.
Schon jetzt werben die Japaner für großes Geld unter den Marineoffizieren und
Mannschaften an, und versuchen Menschen hinüber nach Japan zu reiten, um sich
dort eine Marine nach deutschem Muster zu schaffen, wie wir sie vor dem
Kriege hatten. Das sind Gefahren, die uns drohen, und die kann keine Re¬
gierung und kein Parteiregiment heben, sondern nur das Volk in seiner Gesamt¬
heit. Die innere Kolonisation, die Beschränkung des Großgrundbesitzes auf ein
Maß, wie es volkswirtschaftlich notwendig ist, das ist eine der brennendsten
Aufgaben, die jetzt zu erfüllen ist. Nun wird von Fanatikern gepredigt, daß
es von Ostpreußen bis nach Oberschlesien kein Gut über tausend Morgen
geben dürfe. Es gibt Gegenden, wo ein Gut unter tausend Morgen über¬
haupt nicht ertragsfähig ist, das weiß jeder Landwirt! Es gibt Produkiions-
gebiete für Getreide, Kartoffeln, Rüben, wo wir beim Grundbesitz von fünf¬
tausend Morgen unbedingt festhalten müssen, wenn unsere Volksgenossen in der
Industrie und im Handel nicht verhungern sollen. Denn die Bauernwirtschaft,
mag sie noch so Gutes leisten, kann uns nicht die Menge des Getreides produ¬
zieren, die das deutsche Volk braucht. Wenn Sie an die Verkleinerung der
Güter Herangehen, dürfen Sie nicht ausgehen von dem Gesichtspunkte, hier ist
ein Gut von zehntausend Morgen, das schlagen wir kaput, eben weil es so
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