Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Erstes Vierteljahr.Preußen -- ein gcograpliischcr Begriff? Begriff noch in Form einer innerlichen Überzeugung der Staatsbürger von der Man kann über die Antwort im Zweifel sein. Beunruhigenden Alarm "Es ist möglich, ja notwendig, daß Preußen, dem heute durch die Um¬ Die derzeitige preußische Regierung verwahrt sich allerdings in ziemlich Aber unabhängig von offiziellen Dekreten bahnen sich Überzeugungen und ") Vgl. die Beschlüsse der beiden Kölner ZentrumsversiammKingen vom 4. 12., die darauf Bezugnehmende Erklärung der preußischen Regierung vom ZI. l2. und die Vorgänge in Oberschlesien. " ) Bekanntmachung vom U>. Dezember.
Preußen — ein gcograpliischcr Begriff? Begriff noch in Form einer innerlichen Überzeugung der Staatsbürger von der Man kann über die Antwort im Zweifel sein. Beunruhigenden Alarm „Es ist möglich, ja notwendig, daß Preußen, dem heute durch die Um¬ Die derzeitige preußische Regierung verwahrt sich allerdings in ziemlich Aber unabhängig von offiziellen Dekreten bahnen sich Überzeugungen und ") Vgl. die Beschlüsse der beiden Kölner ZentrumsversiammKingen vom 4. 12., die darauf Bezugnehmende Erklärung der preußischen Regierung vom ZI. l2. und die Vorgänge in Oberschlesien. " ) Bekanntmachung vom U>. Dezember.
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0014" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/335196"/> <fw type="header" place="top"> Preußen — ein gcograpliischcr Begriff?</fw><lb/> <p xml:id="ID_23" prev="#ID_22"> Begriff noch in Form einer innerlichen Überzeugung der Staatsbürger von der<lb/> Notwendigkeit seines Inhalts?</p><lb/> <p xml:id="ID_24"> Man kann über die Antwort im Zweifel sein. Beunruhigenden Alarm<lb/> »achrichten aus dem Westen wird, soweit es sich um industrielle Kreise handelt,<lb/> der Boden entzogen durch jene Düsseldorfer Erklärung, die energisch in Abrede<lb/> stellt, jemals den Gedanken einer rheinisch-westfälischen Sonderrepublik erwogen<lb/> zu haben. Doch ist damit die Gefahr des klerikalistischen Partikularismus hier und<lb/> anderen Orts— die Quittung auf Herrn Hoffmanns Kulturkampf und die<lb/> Berliner Wirtschaft überhaupt — nicht gebannt. ' Und wenn vollends jene oben<lb/> erwähnte Überzeugung bei typischen Vertretern des Prenßentums ins Wanken<lb/> geraten ist oder gar schon der gegenteiligen Meinung Platz gemacht hat, so ist das<lb/> ein Symptom, wie es deutlicher und beunruhigender gar nicht gedacht werden<lb/> kann.</p><lb/> <p xml:id="ID_25"> „Es ist möglich, ja notwendig, daß Preußen, dem heute durch die Um¬<lb/> wälzung die Daseinsberechtigung als besonderes Staatswesen genommen ist, in<lb/> seine Teile zerlegt werden muß." So schreibt Professor Hoetzsch in der „Neuen<lb/> Preußischen Zeitung", die das schwarz-weiße Kreuz im Bilde führt. Und ahn--<lb/> lich leugnet der Oberpräsident von Batocki-Königsberg (in der „Deutschen All ¬<lb/> gemeinen Zeitung") die Daseinsberechtigung des preußischen Staates, nachdem<lb/> die Hoheuzollernhervschaft zusannnengebrocheu sei und „seine ruhmvolle Ge¬<lb/> schichte — das andere Einheitsmoment — inNiederlage undSchmach geendet" habe.<lb/> Preußen als geschlossener Teilstaat des Deutschen Reiches — so führt er aus —<lb/> müsse fortfallen, die Bestrebungen, Rheinland zu einem selbständigen, mit<lb/> Bayern, Baden usw. gleichberechtigten Gliede des Deutschen Reiches zu machen,<lb/> seien sachlich voll berechtigt und würden bei den anderen selbständigen preußi¬<lb/> schen Kultur- und Wirtschaftsgebieten zweifellos Nachahmung finden. Je nach<lb/> der Größe der übrigen zukünftigen deutschen Bundesstaaten — Batocki erwähnt<lb/> den projektierten Zusammenschluß Württembergs, Badens und Hessens — würde<lb/> der bisherige Hegemoniestaat bloß in drei bis vier oder in noch zahlreichere Ge¬<lb/> bilde zu zerschlagen sein, um das erwünschte „Gleichgewicht" nnter den deutschen<lb/> Mächten herzustellen.</p><lb/> <p xml:id="ID_26"> Die derzeitige preußische Regierung verwahrt sich allerdings in ziemlich<lb/> energischem Tone gegen die „in verschiedenen Gegenden des preußischen Staates<lb/> gemachten Versuche, Teile von Preußen loszulösen oder in Preußen eigenmächtig<lb/> obrigkeitliche Befugnisse auszuüben",') und man sollte bei derzentralistisch-unitari-<lb/> schen Neigung des Sozialismus annehmen, daß von dieser Seite etwaige Par-<lb/> zeUierungsbestrebungen wenig Gegenliebe finden werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_27" next="#ID_28"> Aber unabhängig von offiziellen Dekreten bahnen sich Überzeugungen und<lb/> Stimmungen ihren Weg, und bei einer spruchreifen Frage, wie sie nun einmal<lb/> Preußens weiteres staatliches Schicksal darstellt, gilt es beizeiten und sorgfältig<lb/> das Für und Wider abzuwägen. Für Herrn v. BatocVi ist Preußen in erster Linie<lb/> das Werk seiner Fürsten, und mit dem Sturze ihrer Macht fällt die haltende<lb/> Klammer fort, können die „lediglich durch die Hohenzollernherrschaft, aber nicht<lb/> durch die Natur der Dinge zum einheitlichen preußischen Staat zusammen¬<lb/> geschweißten deutschen Gaue" das Recht „selbständigen staatlichen Lebens" für<lb/> sich an Anspruch nehmen. Auch ihm wird der Abschied von dem starken, einheit¬<lb/> lich regierten Preußen der Vergangenheit schwer, aber er sieht nur die Alter¬<lb/> native: Wiederherstellung des Königtums — die er für unmöglich hält — oder<lb/> den „klaren Entschluß, ganze Arbeit zu machen und den Gauen des seiner staat¬<lb/> lichen Macht beraubten alten Preußens die Selbständigkeit der übrigen Glieder<lb/> des Reiches zu verschaffen". Gibt es wirklich nur diese enge Wahl? Um «us</p><lb/> <note xml:id="FID_4" place="foot"> ") Vgl. die Beschlüsse der beiden Kölner ZentrumsversiammKingen vom 4. 12.,<lb/> die darauf Bezugnehmende Erklärung der preußischen Regierung vom ZI. l2. und die<lb/> Vorgänge in Oberschlesien.<lb/> "</note><lb/> <note xml:id="FID_5" place="foot"> ) Bekanntmachung vom U>. Dezember.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0014]
Preußen — ein gcograpliischcr Begriff?
Begriff noch in Form einer innerlichen Überzeugung der Staatsbürger von der
Notwendigkeit seines Inhalts?
Man kann über die Antwort im Zweifel sein. Beunruhigenden Alarm
»achrichten aus dem Westen wird, soweit es sich um industrielle Kreise handelt,
der Boden entzogen durch jene Düsseldorfer Erklärung, die energisch in Abrede
stellt, jemals den Gedanken einer rheinisch-westfälischen Sonderrepublik erwogen
zu haben. Doch ist damit die Gefahr des klerikalistischen Partikularismus hier und
anderen Orts— die Quittung auf Herrn Hoffmanns Kulturkampf und die
Berliner Wirtschaft überhaupt — nicht gebannt. ' Und wenn vollends jene oben
erwähnte Überzeugung bei typischen Vertretern des Prenßentums ins Wanken
geraten ist oder gar schon der gegenteiligen Meinung Platz gemacht hat, so ist das
ein Symptom, wie es deutlicher und beunruhigender gar nicht gedacht werden
kann.
„Es ist möglich, ja notwendig, daß Preußen, dem heute durch die Um¬
wälzung die Daseinsberechtigung als besonderes Staatswesen genommen ist, in
seine Teile zerlegt werden muß." So schreibt Professor Hoetzsch in der „Neuen
Preußischen Zeitung", die das schwarz-weiße Kreuz im Bilde führt. Und ahn--
lich leugnet der Oberpräsident von Batocki-Königsberg (in der „Deutschen All ¬
gemeinen Zeitung") die Daseinsberechtigung des preußischen Staates, nachdem
die Hoheuzollernhervschaft zusannnengebrocheu sei und „seine ruhmvolle Ge¬
schichte — das andere Einheitsmoment — inNiederlage undSchmach geendet" habe.
Preußen als geschlossener Teilstaat des Deutschen Reiches — so führt er aus —
müsse fortfallen, die Bestrebungen, Rheinland zu einem selbständigen, mit
Bayern, Baden usw. gleichberechtigten Gliede des Deutschen Reiches zu machen,
seien sachlich voll berechtigt und würden bei den anderen selbständigen preußi¬
schen Kultur- und Wirtschaftsgebieten zweifellos Nachahmung finden. Je nach
der Größe der übrigen zukünftigen deutschen Bundesstaaten — Batocki erwähnt
den projektierten Zusammenschluß Württembergs, Badens und Hessens — würde
der bisherige Hegemoniestaat bloß in drei bis vier oder in noch zahlreichere Ge¬
bilde zu zerschlagen sein, um das erwünschte „Gleichgewicht" nnter den deutschen
Mächten herzustellen.
Die derzeitige preußische Regierung verwahrt sich allerdings in ziemlich
energischem Tone gegen die „in verschiedenen Gegenden des preußischen Staates
gemachten Versuche, Teile von Preußen loszulösen oder in Preußen eigenmächtig
obrigkeitliche Befugnisse auszuüben",') und man sollte bei derzentralistisch-unitari-
schen Neigung des Sozialismus annehmen, daß von dieser Seite etwaige Par-
zeUierungsbestrebungen wenig Gegenliebe finden werden.
Aber unabhängig von offiziellen Dekreten bahnen sich Überzeugungen und
Stimmungen ihren Weg, und bei einer spruchreifen Frage, wie sie nun einmal
Preußens weiteres staatliches Schicksal darstellt, gilt es beizeiten und sorgfältig
das Für und Wider abzuwägen. Für Herrn v. BatocVi ist Preußen in erster Linie
das Werk seiner Fürsten, und mit dem Sturze ihrer Macht fällt die haltende
Klammer fort, können die „lediglich durch die Hohenzollernherrschaft, aber nicht
durch die Natur der Dinge zum einheitlichen preußischen Staat zusammen¬
geschweißten deutschen Gaue" das Recht „selbständigen staatlichen Lebens" für
sich an Anspruch nehmen. Auch ihm wird der Abschied von dem starken, einheit¬
lich regierten Preußen der Vergangenheit schwer, aber er sieht nur die Alter¬
native: Wiederherstellung des Königtums — die er für unmöglich hält — oder
den „klaren Entschluß, ganze Arbeit zu machen und den Gauen des seiner staat¬
lichen Macht beraubten alten Preußens die Selbständigkeit der übrigen Glieder
des Reiches zu verschaffen". Gibt es wirklich nur diese enge Wahl? Um «us
") Vgl. die Beschlüsse der beiden Kölner ZentrumsversiammKingen vom 4. 12.,
die darauf Bezugnehmende Erklärung der preußischen Regierung vom ZI. l2. und die
Vorgänge in Oberschlesien.
"
) Bekanntmachung vom U>. Dezember.
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