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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr.

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Zur Jahrhundertfeier der Mniginhofer Handschrift

Dem Geschlecht von 1917, das die Hundertjahrfeier der "Auffindung"
jener seltsamen Produkte zu begehen hatte, sind sie nicht mehr in erster Reihe
romantische Fälschungen, deren Platz nicht im dreizehnten, sondern im zweiten
Fahrzehnt des neunzehnten Jahrhunderts ist. Heute umgibt die Königinhoser
wie die Grünberger Handschrist und die ganz ansehnliche Reihe weiterer Fäl¬
schungen Hankas wieder der Glanz nationaler Zimelien -- und dies nicht nur
bei den breiten Massen, die in der Suggestion vom souveränen tschechischen
Staat und im radikalsten Nationalismus befangen sind, sondern auch bei einem
großen Teil der kritisch Einsichtsvollen der Nation. Diesen sind die Falsa zwar
ein Betrug, doch ein frommer, in die Welt gesetzt durch Mittel, "über deren Zu-
lässigkeit man zwar streiten kann", ober "im Dienste eines Zieles, das das edelste
ist". Was 1886 und -später Philologie, Geschichte, Soziologie, Paläographie,
Ästhetik, Chemie, Mikroskopie und Deutung der Schriftzüge") mit schier mathe¬
matischer Exaktheit als Fälschungen eines national überhitzten und maßlos eitlen
dunklen Ehrenmannes erwiesen haben, gilt heute auch kritischen Fachleuten als
ein seines Zweckes wegen zu entschuldigender Betrug eines Mannes, dem um seiner
völkischen Gesinnung willen Verzeihung werden muß, da er "dem Volke in den
Zeiten seiner Erniedrigung und der Schwäche einen Heldentypus vor Augen
führte und dies in einer dichterischen Weise tat, die bis heute überzeugt." Ge¬
fühlsmäßige Wertung ist an Stelle der verstandesmäßigen getreten.

Was Wunder, daß heute noch, wo es gar nichts mehr für die Echtheit zu
beweisen gibt, von Gläubigen Preise für den Nachweis der Echtheit ausgesetzt
werden, oder daß, wie vor kurzem durch einen Mäzen in Ludweis, Fmds für
solchen Zweck gegründet und Sammlungen in der Öffentlichkeit mit Erfolg ein¬
geleitet werden.

Ein Wer Rückschlag in den Rowanisnms vor 1886 also opfert der
mächtigen nationalistischen Woge, die das Volk in den letzten beiden Jahren er¬
griffen hat, alle Bedenken darüber, daß seine Wiedergeburt mir Fälschung und
Betrug verbuchst gewesen sei -- auch bei solchen Kundigen, die vor kurzem noch
diese Denkmäler als unkritische Produkte eines phantastischen Enthusiasmus mit
dem strengen Maßstab 'wissenschaftlicher und historischer Wahrheit und die Ent¬
wicklung des Volkes mit hohen ethischen Prinzipien gemessen haben. Wieder
wirkt jener verhängnisvolle Dualismus des "Zwischenvolkes", der die tschechische
Entwicklung nicht ihre konsequente Linie finden läßt und der auch den energischen
Organisator des Kampfes von 1886, den austroslawischen Realpolitiker, den kon¬
sequenten Gegner des Panslawismus und des historischen Staatsrechtes, Masaryk,
am Ausgang seines Lebens die Leitsterne seines Lebenswerkes eben im Dienste
eines lebenslang bekämpften extremen Nationalismus verneinen läßt.....

Vom Gesichtspunkt dieses Gegensatzes aus analysiert zur Jahrhundertfeier
die Schrift von Paul Kisch den Kampf um die Handschriften. (Dr. Paul Kisch,
Der Kampf um die Kömginhofer Handschrift. Sammlung gemeinnütziger Vor¬
träge des Deutschen Vereins zur Verbrettung gemeinnütziger Kenntnisse in Prag.
Ur. 472/74. IN 8.) Wie prägt sich eine uns fremde Geistigkett, eine uns fremde
Auffassung von Recht und Unrecht in der neuen Erhebung dieser Falsa durch die
gegenwärtige Generation aus, die dadurch ihre wissenschaftliche Einsicht nationa¬
listischen Gefühlsmomenten unterordnet? Das Ethos des Falles ist die Haupt¬
frage, auf die Kisch, der aus seiner Achtung vor dem tschechischen Volke und dessen
kulturellen Leistungen, vor allem der Dichter, kein Hehl macht, antwortet. Ge¬
sättigt von gründlicher Kenntnis des vielverzweigten Gegenstandes, aber formell
unbeschwert durch das wissenschaftliche Rüstzeug geht die Schrift des geschulten
Philologen den seltsamen Windungen des Streites um echt oder unecht in klaren
Zusammenfassungen und mit stellenweise drastischen Argumenten aä llourwem



*) Neulich wurde in der tschechischen "Histor. Zeitschr." der Nachweis erbracht,
daß der Schriftduktns der gefälschten Handschriften, identisch ist mit dem der' Schrift
HcmkciS.
Zur Jahrhundertfeier der Mniginhofer Handschrift

Dem Geschlecht von 1917, das die Hundertjahrfeier der „Auffindung"
jener seltsamen Produkte zu begehen hatte, sind sie nicht mehr in erster Reihe
romantische Fälschungen, deren Platz nicht im dreizehnten, sondern im zweiten
Fahrzehnt des neunzehnten Jahrhunderts ist. Heute umgibt die Königinhoser
wie die Grünberger Handschrist und die ganz ansehnliche Reihe weiterer Fäl¬
schungen Hankas wieder der Glanz nationaler Zimelien — und dies nicht nur
bei den breiten Massen, die in der Suggestion vom souveränen tschechischen
Staat und im radikalsten Nationalismus befangen sind, sondern auch bei einem
großen Teil der kritisch Einsichtsvollen der Nation. Diesen sind die Falsa zwar
ein Betrug, doch ein frommer, in die Welt gesetzt durch Mittel, „über deren Zu-
lässigkeit man zwar streiten kann", ober „im Dienste eines Zieles, das das edelste
ist". Was 1886 und -später Philologie, Geschichte, Soziologie, Paläographie,
Ästhetik, Chemie, Mikroskopie und Deutung der Schriftzüge") mit schier mathe¬
matischer Exaktheit als Fälschungen eines national überhitzten und maßlos eitlen
dunklen Ehrenmannes erwiesen haben, gilt heute auch kritischen Fachleuten als
ein seines Zweckes wegen zu entschuldigender Betrug eines Mannes, dem um seiner
völkischen Gesinnung willen Verzeihung werden muß, da er „dem Volke in den
Zeiten seiner Erniedrigung und der Schwäche einen Heldentypus vor Augen
führte und dies in einer dichterischen Weise tat, die bis heute überzeugt." Ge¬
fühlsmäßige Wertung ist an Stelle der verstandesmäßigen getreten.

Was Wunder, daß heute noch, wo es gar nichts mehr für die Echtheit zu
beweisen gibt, von Gläubigen Preise für den Nachweis der Echtheit ausgesetzt
werden, oder daß, wie vor kurzem durch einen Mäzen in Ludweis, Fmds für
solchen Zweck gegründet und Sammlungen in der Öffentlichkeit mit Erfolg ein¬
geleitet werden.

Ein Wer Rückschlag in den Rowanisnms vor 1886 also opfert der
mächtigen nationalistischen Woge, die das Volk in den letzten beiden Jahren er¬
griffen hat, alle Bedenken darüber, daß seine Wiedergeburt mir Fälschung und
Betrug verbuchst gewesen sei — auch bei solchen Kundigen, die vor kurzem noch
diese Denkmäler als unkritische Produkte eines phantastischen Enthusiasmus mit
dem strengen Maßstab 'wissenschaftlicher und historischer Wahrheit und die Ent¬
wicklung des Volkes mit hohen ethischen Prinzipien gemessen haben. Wieder
wirkt jener verhängnisvolle Dualismus des „Zwischenvolkes", der die tschechische
Entwicklung nicht ihre konsequente Linie finden läßt und der auch den energischen
Organisator des Kampfes von 1886, den austroslawischen Realpolitiker, den kon¬
sequenten Gegner des Panslawismus und des historischen Staatsrechtes, Masaryk,
am Ausgang seines Lebens die Leitsterne seines Lebenswerkes eben im Dienste
eines lebenslang bekämpften extremen Nationalismus verneinen läßt.....

Vom Gesichtspunkt dieses Gegensatzes aus analysiert zur Jahrhundertfeier
die Schrift von Paul Kisch den Kampf um die Handschriften. (Dr. Paul Kisch,
Der Kampf um die Kömginhofer Handschrift. Sammlung gemeinnütziger Vor¬
träge des Deutschen Vereins zur Verbrettung gemeinnütziger Kenntnisse in Prag.
Ur. 472/74. IN 8.) Wie prägt sich eine uns fremde Geistigkett, eine uns fremde
Auffassung von Recht und Unrecht in der neuen Erhebung dieser Falsa durch die
gegenwärtige Generation aus, die dadurch ihre wissenschaftliche Einsicht nationa¬
listischen Gefühlsmomenten unterordnet? Das Ethos des Falles ist die Haupt¬
frage, auf die Kisch, der aus seiner Achtung vor dem tschechischen Volke und dessen
kulturellen Leistungen, vor allem der Dichter, kein Hehl macht, antwortet. Ge¬
sättigt von gründlicher Kenntnis des vielverzweigten Gegenstandes, aber formell
unbeschwert durch das wissenschaftliche Rüstzeug geht die Schrift des geschulten
Philologen den seltsamen Windungen des Streites um echt oder unecht in klaren
Zusammenfassungen und mit stellenweise drastischen Argumenten aä llourwem



*) Neulich wurde in der tschechischen „Histor. Zeitschr." der Nachweis erbracht,
daß der Schriftduktns der gefälschten Handschriften, identisch ist mit dem der' Schrift
HcmkciS.
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[0062] Zur Jahrhundertfeier der Mniginhofer Handschrift Dem Geschlecht von 1917, das die Hundertjahrfeier der „Auffindung" jener seltsamen Produkte zu begehen hatte, sind sie nicht mehr in erster Reihe romantische Fälschungen, deren Platz nicht im dreizehnten, sondern im zweiten Fahrzehnt des neunzehnten Jahrhunderts ist. Heute umgibt die Königinhoser wie die Grünberger Handschrist und die ganz ansehnliche Reihe weiterer Fäl¬ schungen Hankas wieder der Glanz nationaler Zimelien — und dies nicht nur bei den breiten Massen, die in der Suggestion vom souveränen tschechischen Staat und im radikalsten Nationalismus befangen sind, sondern auch bei einem großen Teil der kritisch Einsichtsvollen der Nation. Diesen sind die Falsa zwar ein Betrug, doch ein frommer, in die Welt gesetzt durch Mittel, „über deren Zu- lässigkeit man zwar streiten kann", ober „im Dienste eines Zieles, das das edelste ist". Was 1886 und -später Philologie, Geschichte, Soziologie, Paläographie, Ästhetik, Chemie, Mikroskopie und Deutung der Schriftzüge") mit schier mathe¬ matischer Exaktheit als Fälschungen eines national überhitzten und maßlos eitlen dunklen Ehrenmannes erwiesen haben, gilt heute auch kritischen Fachleuten als ein seines Zweckes wegen zu entschuldigender Betrug eines Mannes, dem um seiner völkischen Gesinnung willen Verzeihung werden muß, da er „dem Volke in den Zeiten seiner Erniedrigung und der Schwäche einen Heldentypus vor Augen führte und dies in einer dichterischen Weise tat, die bis heute überzeugt." Ge¬ fühlsmäßige Wertung ist an Stelle der verstandesmäßigen getreten. Was Wunder, daß heute noch, wo es gar nichts mehr für die Echtheit zu beweisen gibt, von Gläubigen Preise für den Nachweis der Echtheit ausgesetzt werden, oder daß, wie vor kurzem durch einen Mäzen in Ludweis, Fmds für solchen Zweck gegründet und Sammlungen in der Öffentlichkeit mit Erfolg ein¬ geleitet werden. Ein Wer Rückschlag in den Rowanisnms vor 1886 also opfert der mächtigen nationalistischen Woge, die das Volk in den letzten beiden Jahren er¬ griffen hat, alle Bedenken darüber, daß seine Wiedergeburt mir Fälschung und Betrug verbuchst gewesen sei — auch bei solchen Kundigen, die vor kurzem noch diese Denkmäler als unkritische Produkte eines phantastischen Enthusiasmus mit dem strengen Maßstab 'wissenschaftlicher und historischer Wahrheit und die Ent¬ wicklung des Volkes mit hohen ethischen Prinzipien gemessen haben. Wieder wirkt jener verhängnisvolle Dualismus des „Zwischenvolkes", der die tschechische Entwicklung nicht ihre konsequente Linie finden läßt und der auch den energischen Organisator des Kampfes von 1886, den austroslawischen Realpolitiker, den kon¬ sequenten Gegner des Panslawismus und des historischen Staatsrechtes, Masaryk, am Ausgang seines Lebens die Leitsterne seines Lebenswerkes eben im Dienste eines lebenslang bekämpften extremen Nationalismus verneinen läßt..... Vom Gesichtspunkt dieses Gegensatzes aus analysiert zur Jahrhundertfeier die Schrift von Paul Kisch den Kampf um die Handschriften. (Dr. Paul Kisch, Der Kampf um die Kömginhofer Handschrift. Sammlung gemeinnütziger Vor¬ träge des Deutschen Vereins zur Verbrettung gemeinnütziger Kenntnisse in Prag. Ur. 472/74. IN 8.) Wie prägt sich eine uns fremde Geistigkett, eine uns fremde Auffassung von Recht und Unrecht in der neuen Erhebung dieser Falsa durch die gegenwärtige Generation aus, die dadurch ihre wissenschaftliche Einsicht nationa¬ listischen Gefühlsmomenten unterordnet? Das Ethos des Falles ist die Haupt¬ frage, auf die Kisch, der aus seiner Achtung vor dem tschechischen Volke und dessen kulturellen Leistungen, vor allem der Dichter, kein Hehl macht, antwortet. Ge¬ sättigt von gründlicher Kenntnis des vielverzweigten Gegenstandes, aber formell unbeschwert durch das wissenschaftliche Rüstzeug geht die Schrift des geschulten Philologen den seltsamen Windungen des Streites um echt oder unecht in klaren Zusammenfassungen und mit stellenweise drastischen Argumenten aä llourwem *) Neulich wurde in der tschechischen „Histor. Zeitschr." der Nachweis erbracht, daß der Schriftduktns der gefälschten Handschriften, identisch ist mit dem der' Schrift HcmkciS.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_88238/62>, abgerufen am 24.11.2024.