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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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reichern wollen .... Unter den Kohlen¬
arbeitern in Südwales sind besondere Unter¬
richtskurse zur Verbreitung der Marx'schen
Lehren und des Bolschewismus eingerichtet.
In dem monatlich erscheinenden Organ der
Partei "The Revolution" sind zur Belehi ung
von jungen Sozialisten die zehn Gebote der
Partei veröffentlicht. Das zweite Gedvi mutet:
"Du sollst kein Patriot sein, denn ein Patriot
ist ein internationaler Schurke" .... Das
vierte Gebot: "Du sollst an keinem Krieg
des Bürgertums teilnehmen, denn alle
modernen Kriege sind nur das Ergebnis von
Wettbewerb auf wirtschaftlichem Gebiet" . . .
In der Oktobernummer dieses Organs heißt
es: "Wir bereiten den Weg zu einer briti¬
schen Revolution, unser Programm ist ein
Vierstundenarbeitstag (I), gleiches Recht und
gleicher Lohn für alle Arbeiter . . . Unsere
Bolschewisten sind ebenso skrupellos wie. ihre
russischen Kameraden .... Sie verfolge"
mit Aufmerksamkeit die Maßnahmen der
Regierung für den Wiederaufbau und --
warten auf den. richtigen Augenblick, um
Unheil zu stiften. Schon sind deutliche An¬
zeichen hierfür erkennbar."

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"Viele rote Fahnen werden von der
Galerie geschwenkt (!). Über der Redner¬
tribüne befand sich ein Plakat mit den
Worten: "Setzt die Gefangenen freit' . . .
W. N. Ewes brachte eine Entschließung
ein, in der er den Völkerbund auf der
Grundlage der Abrüstung, Abschaffung des
Militärzwanges und Selbstbestiinmungs-
recbtes der Völker (einschließlich Irlands
und anderer Völker des britischen Reiches!!)
verlangte . . . P. Snowden erklärte, die
englischen Arbeiter hätten keinen Streit
rin dem deutschen Volke. Man solle die
Aushebung der Blockade gegen Deutschland
verlangen, die nur ein Akt der Grausam¬
keit sei. Nach der Versammlung marschierte
eine Anzahl von Mitgliedern der Ver¬
sammlung durch den Londoner Westen,
wobei sie eine rote Fahne (Is vor sich her¬
trugen art revolutionäre Lieder sangen.
In Piccadilly.wurden sie von einigen Offi¬
zieren und Soldaten angehalten, die ihnen
nach einem Handgemenge die' rote Fahne
entrissen."

Gewiß sind dies alles örtliche Vorgänge
ohne größere Bedeutung, aber sie sind sym¬
bolisch. Genau ebenso fing in Berlin die
Umwälzung im April 1917 und Januar 1918
auch an. Nach den Pulsader vorn 31. Ja¬
nuar 1918 jubelten die russischen Bolschewiki,
weil sie glaubten, die Revolution sei nun
auch auf Deutschland übergesprungen, und
der Gewaltfrieden werde ihrem Lande erspart
bleiben. Sie irrten sich, hatten sich aber nur
um 9 Monate verrechnet. Genau ebenso
irren diejenigen, die heute in Deutschland
glauben, die roleFlamme des Umsturzes werde
schnell auf die Verbandsländer übergreifen.
Diese befinden sich heute ungefähr auf dem
Stande, den Deutschland am 31. Januar
einnahm, z. T. schon einige Monate weiter.
Ein 9. November wird auch ihnen auf die
Dauer nicht erspart bleiben, und das Jahr
1919 bringt für Europa vielleicht den großen
Wendepunkt, in dem sich "die Proletarier
aller Länder vereinigen" und genieinsam dem
Kapitalismus alter Form den Krieg erklären,
in dem die sozialen Klassenkämpfe im Leben
der Völker wichtiger werden als die nationalen
Streitigkeiten--.

[Ende Spaltensatz]

Am 23. November fand im Hippodrome
Woolwich in London eine große Arbeiter¬
versammlung statt, in der laut Bericht der
"Times" vom 25. November ein Redner u.
a. die Versammlung aufforderte, "das System
zu zerschmettern, nach dem die Arbeiter nur
ein Zahnrad in den Maschinen der Industrie
seien, das man herausnehmen könne, wenn
man seiner nicht mehr bedürfe". Die Ver¬
sammlung trennte sich "unter Absingung der
.Roten Flagge'", nachdem sie ohne Wider¬
spruch (I) eine Resolution angenommen hatte,
wonach "nationale Arbeiterausschüsse zu be¬
gründen seien, die eine Kontrolle der In¬
dustrie durch die Arbeiter selbst bezwecken"
sollte, d. h. also -- Arbeiterräte, damit
"die kapitalistische Produktionsweise ab¬
geschafft und eine industrielle Republik er¬
richtet" werde. Noch deutlicher wurde man
am 30. November auf einer anderen Arbeiter¬
versammlung in der Londoner Albert Hall,
die erst verboten war und dann unier unge¬
heurem Zulauf doch stattfand. Der Bericht
der "Times" vom 2. Dezember über diese
Veranstaltung besagt u. a.:


Dr. Richard Hennig




Allen Manuskripten ist Porto hinzuzufügen, da andernfalls bei Ablehnung eine Rücksendung
nicht verbürgt werden kann.




Nachdruck sämtlicher Rufs""- nur mit ausdrücklicher Erlaubnis des Verlags acftattet.
Verantwortlich: der Herausgeber Georg Cleinow in Berlin-Lichterselde West. -- Manuttriptjendungen "ut
Bricke werden erbeten u"ter der Adresse-
An die "chriftlcitnnc, der Grenzboten in varii" SW 11, Tempelhofer Ufer 35 s.
Fernsprecher des Herausgeber": Am, Ltchtersetde 4!>S, des Verlags und der SqriMeitung: Amt Lützow S51N.
Verlag: Verlag der Krenzboten G. in. b. H. in Berlin SW II, Tempelhofer User W s,
Druck .Der R-ichsbote" G. in. S. H. in Berlin SW 11, D-ffauer Etrajz- W/L7
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„Du sollst kein Patriot sein, denn ein Patriot
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vierte Gebot: „Du sollst an keinem Krieg
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modernen Kriege sind nur das Ergebnis von
Wettbewerb auf wirtschaftlichem Gebiet" . . .
In der Oktobernummer dieses Organs heißt
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schen Revolution, unser Programm ist ein
Vierstundenarbeitstag (I), gleiches Recht und
gleicher Lohn für alle Arbeiter . . . Unsere
Bolschewisten sind ebenso skrupellos wie. ihre
russischen Kameraden .... Sie verfolge»
mit Aufmerksamkeit die Maßnahmen der
Regierung für den Wiederaufbau und —
warten auf den. richtigen Augenblick, um
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zeichen hierfür erkennbar."

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tribüne befand sich ein Plakat mit den
Worten: „Setzt die Gefangenen freit' . . .
W. N. Ewes brachte eine Entschließung
ein, in der er den Völkerbund auf der
Grundlage der Abrüstung, Abschaffung des
Militärzwanges und Selbstbestiinmungs-
recbtes der Völker (einschließlich Irlands
und anderer Völker des britischen Reiches!!)
verlangte . . . P. Snowden erklärte, die
englischen Arbeiter hätten keinen Streit
rin dem deutschen Volke. Man solle die
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verlangen, die nur ein Akt der Grausam¬
keit sei. Nach der Versammlung marschierte
eine Anzahl von Mitgliedern der Ver¬
sammlung durch den Londoner Westen,
wobei sie eine rote Fahne (Is vor sich her¬
trugen art revolutionäre Lieder sangen.
In Piccadilly.wurden sie von einigen Offi¬
zieren und Soldaten angehalten, die ihnen
nach einem Handgemenge die' rote Fahne
entrissen."

Gewiß sind dies alles örtliche Vorgänge
ohne größere Bedeutung, aber sie sind sym¬
bolisch. Genau ebenso fing in Berlin die
Umwälzung im April 1917 und Januar 1918
auch an. Nach den Pulsader vorn 31. Ja¬
nuar 1918 jubelten die russischen Bolschewiki,
weil sie glaubten, die Revolution sei nun
auch auf Deutschland übergesprungen, und
der Gewaltfrieden werde ihrem Lande erspart
bleiben. Sie irrten sich, hatten sich aber nur
um 9 Monate verrechnet. Genau ebenso
irren diejenigen, die heute in Deutschland
glauben, die roleFlamme des Umsturzes werde
schnell auf die Verbandsländer übergreifen.
Diese befinden sich heute ungefähr auf dem
Stande, den Deutschland am 31. Januar
einnahm, z. T. schon einige Monate weiter.
Ein 9. November wird auch ihnen auf die
Dauer nicht erspart bleiben, und das Jahr
1919 bringt für Europa vielleicht den großen
Wendepunkt, in dem sich „die Proletarier
aller Länder vereinigen" und genieinsam dem
Kapitalismus alter Form den Krieg erklären,
in dem die sozialen Klassenkämpfe im Leben
der Völker wichtiger werden als die nationalen
Streitigkeiten--.

[Ende Spaltensatz]

Am 23. November fand im Hippodrome
Woolwich in London eine große Arbeiter¬
versammlung statt, in der laut Bericht der
„Times" vom 25. November ein Redner u.
a. die Versammlung aufforderte, „das System
zu zerschmettern, nach dem die Arbeiter nur
ein Zahnrad in den Maschinen der Industrie
seien, das man herausnehmen könne, wenn
man seiner nicht mehr bedürfe". Die Ver¬
sammlung trennte sich „unter Absingung der
.Roten Flagge'", nachdem sie ohne Wider¬
spruch (I) eine Resolution angenommen hatte,
wonach „nationale Arbeiterausschüsse zu be¬
gründen seien, die eine Kontrolle der In¬
dustrie durch die Arbeiter selbst bezwecken"
sollte, d. h. also — Arbeiterräte, damit
„die kapitalistische Produktionsweise ab¬
geschafft und eine industrielle Republik er¬
richtet" werde. Noch deutlicher wurde man
am 30. November auf einer anderen Arbeiter¬
versammlung in der Londoner Albert Hall,
die erst verboten war und dann unier unge¬
heurem Zulauf doch stattfand. Der Bericht
der „Times" vom 2. Dezember über diese
Veranstaltung besagt u. a.:


Dr. Richard Hennig




Allen Manuskripten ist Porto hinzuzufügen, da andernfalls bei Ablehnung eine Rücksendung
nicht verbürgt werden kann.




Nachdruck sämtlicher Rufs»«- nur mit ausdrücklicher Erlaubnis des Verlags acftattet.
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[0328] Maßgebliches und Unmaßgebliches reichern wollen .... Unter den Kohlen¬ arbeitern in Südwales sind besondere Unter¬ richtskurse zur Verbreitung der Marx'schen Lehren und des Bolschewismus eingerichtet. In dem monatlich erscheinenden Organ der Partei „The Revolution" sind zur Belehi ung von jungen Sozialisten die zehn Gebote der Partei veröffentlicht. Das zweite Gedvi mutet: „Du sollst kein Patriot sein, denn ein Patriot ist ein internationaler Schurke" .... Das vierte Gebot: „Du sollst an keinem Krieg des Bürgertums teilnehmen, denn alle modernen Kriege sind nur das Ergebnis von Wettbewerb auf wirtschaftlichem Gebiet" . . . In der Oktobernummer dieses Organs heißt es: „Wir bereiten den Weg zu einer briti¬ schen Revolution, unser Programm ist ein Vierstundenarbeitstag (I), gleiches Recht und gleicher Lohn für alle Arbeiter . . . Unsere Bolschewisten sind ebenso skrupellos wie. ihre russischen Kameraden .... Sie verfolge» mit Aufmerksamkeit die Maßnahmen der Regierung für den Wiederaufbau und — warten auf den. richtigen Augenblick, um Unheil zu stiften. Schon sind deutliche An¬ zeichen hierfür erkennbar." „Viele rote Fahnen werden von der Galerie geschwenkt (!). Über der Redner¬ tribüne befand sich ein Plakat mit den Worten: „Setzt die Gefangenen freit' . . . W. N. Ewes brachte eine Entschließung ein, in der er den Völkerbund auf der Grundlage der Abrüstung, Abschaffung des Militärzwanges und Selbstbestiinmungs- recbtes der Völker (einschließlich Irlands und anderer Völker des britischen Reiches!!) verlangte . . . P. Snowden erklärte, die englischen Arbeiter hätten keinen Streit rin dem deutschen Volke. Man solle die Aushebung der Blockade gegen Deutschland verlangen, die nur ein Akt der Grausam¬ keit sei. Nach der Versammlung marschierte eine Anzahl von Mitgliedern der Ver¬ sammlung durch den Londoner Westen, wobei sie eine rote Fahne (Is vor sich her¬ trugen art revolutionäre Lieder sangen. In Piccadilly.wurden sie von einigen Offi¬ zieren und Soldaten angehalten, die ihnen nach einem Handgemenge die' rote Fahne entrissen." Gewiß sind dies alles örtliche Vorgänge ohne größere Bedeutung, aber sie sind sym¬ bolisch. Genau ebenso fing in Berlin die Umwälzung im April 1917 und Januar 1918 auch an. Nach den Pulsader vorn 31. Ja¬ nuar 1918 jubelten die russischen Bolschewiki, weil sie glaubten, die Revolution sei nun auch auf Deutschland übergesprungen, und der Gewaltfrieden werde ihrem Lande erspart bleiben. Sie irrten sich, hatten sich aber nur um 9 Monate verrechnet. Genau ebenso irren diejenigen, die heute in Deutschland glauben, die roleFlamme des Umsturzes werde schnell auf die Verbandsländer übergreifen. Diese befinden sich heute ungefähr auf dem Stande, den Deutschland am 31. Januar einnahm, z. T. schon einige Monate weiter. Ein 9. November wird auch ihnen auf die Dauer nicht erspart bleiben, und das Jahr 1919 bringt für Europa vielleicht den großen Wendepunkt, in dem sich „die Proletarier aller Länder vereinigen" und genieinsam dem Kapitalismus alter Form den Krieg erklären, in dem die sozialen Klassenkämpfe im Leben der Völker wichtiger werden als die nationalen Streitigkeiten--. Am 23. November fand im Hippodrome Woolwich in London eine große Arbeiter¬ versammlung statt, in der laut Bericht der „Times" vom 25. November ein Redner u. a. die Versammlung aufforderte, „das System zu zerschmettern, nach dem die Arbeiter nur ein Zahnrad in den Maschinen der Industrie seien, das man herausnehmen könne, wenn man seiner nicht mehr bedürfe". Die Ver¬ sammlung trennte sich „unter Absingung der .Roten Flagge'", nachdem sie ohne Wider¬ spruch (I) eine Resolution angenommen hatte, wonach „nationale Arbeiterausschüsse zu be¬ gründen seien, die eine Kontrolle der In¬ dustrie durch die Arbeiter selbst bezwecken" sollte, d. h. also — Arbeiterräte, damit „die kapitalistische Produktionsweise ab¬ geschafft und eine industrielle Republik er¬ richtet" werde. Noch deutlicher wurde man am 30. November auf einer anderen Arbeiter¬ versammlung in der Londoner Albert Hall, die erst verboten war und dann unier unge¬ heurem Zulauf doch stattfand. Der Bericht der „Times" vom 2. Dezember über diese Veranstaltung besagt u. a.: Dr. Richard Hennig Allen Manuskripten ist Porto hinzuzufügen, da andernfalls bei Ablehnung eine Rücksendung nicht verbürgt werden kann. Nachdruck sämtlicher Rufs»«- nur mit ausdrücklicher Erlaubnis des Verlags acftattet. Verantwortlich: der Herausgeber Georg Cleinow in Berlin-Lichterselde West. — Manuttriptjendungen »ut Bricke werden erbeten u»ter der Adresse- An die «chriftlcitnnc, der Grenzboten in varii» SW 11, Tempelhofer Ufer 35 s. Fernsprecher des Herausgeber«: Am, Ltchtersetde 4!>S, des Verlags und der SqriMeitung: Amt Lützow S51N. Verlag: Verlag der Krenzboten G. in. b. H. in Berlin SW II, Tempelhofer User W s, Druck .Der R-ichsbote" G. in. S. H. in Berlin SW 11, D-ffauer Etrajz- W/L7

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_88238/328>, abgerufen am 24.11.2024.