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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr.

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Katholizismus und völkeivcrsöhnuna

Wie Wundt hat ja den Philosophien der europäischen Kulturvölker ihre nationale
Bedingtheit nachgewiesen.

Die Versöhnung zwischen Deutschland und England speziell hat neben der
modernen Wissenschaft immer der Protestantismus sich als Ziel gesetzt. Aber
auch er ist damit gescheitert. Das protestantische Bistum Jerusalem, das einst
Friedrich Wilhelm der Vierte in Gemeinschaft mit der anglikanischen Hochkirche
gründete, hat keinen Bestand gehabt. Das Ideal einer protestantischen Weltkirche'
ist seiner Verwirklichung nicht näher gekommen. "Harnacks weit vorausschauen¬
des hochsinniges Streben, die eherne Notwendigkeit des heraufziehenden Krieges
durch Betonung der geistig-religiösen Gemeinschaft zwischen Deutschland und
England zu bannen, wird stets ein Denkmal deutscher Friedensliebe bleiben.
Aber sein Ideal der geistigen Kulwrgemeinschaft zwischen Deutschland und Eng-
laud-Amerika als der Lenkerin der Weltgeschichte, liegt in Millionen Scherben
zerbrochen" (Kiefl S. 419). Die Kulturgüter, die hüben und drüben die beiden
Völker einigen sollten, stiften vielmehr Wettbewerb und entzweien sie. Im enge"
ren religiösen Sinne aber ist, wie Kiefl mit Recht betont, das deutsche Luthertum
doch grundsätzlich sehr verschieden vom englischen Protestantismus. Am schroff-
sten ist der innere Gegensatz zu den großen angelsächsischen Freikirchen, besonders
den überseeischen Gewächsen unter ihnen. Dieser angelsächsische Calvinismus ist
die religiöse Seite des Kapitalismus (vgl. die Forschungen von Max Weber und
Ernst Troeltsch), der dein Geiste des Lutherrums nicht minder fremd ist als den:
des Katholizismus. Das Luthertum verdankt der in England entstandenen Auf¬
klärung, die das englische Christentum selbst nicht zersetzen konnte, nur allerhand
auslösende Tendenzen. Die englische Hochkirche aber ihrerseits hat die Versuche
einer Union mit den: deutschen Protestantismus damit beantwortet, daß sie die
ihr eigentümlichen ri Walistischen und katholisievenden Elemente verstärkte und
von jeder Gemeinschaft mit anderen Protestanten weiter abrückte als je zu¬
vor.") Angesichts dieser Tatsache geht Kiefl so weit, daß er statt des Protestantis¬
mus für die Zukunft weit eher dem Katholizismus die Fähigkeit zuschreibt, der
Versöhnung zwischen dem deutschen und dem englischen Volk zu dienen. Er be¬
ruft sich darauf, daß im englischen Protestantismus der positive Christenglaube
weit weniger erschüttert ist als im evangelischen Teile des deutschen Volkes, und
er rechnet damit, daß der kapitalistische Geist, der heute in der angelsächsischen
Welt den Calvinismus als adäquate Religionsform begünstigt, doch einmal vom
Throne gestürzt werden müsse. Dann werde/ wenn nur der Christenglaube in
den angelsächsischen Völkern erhalten-bleibe, die Tradition des vorkapitalistifchen
katholischen England wieder zum Leben erwachen. Kiefl wird sich wohl selbst
bewußt sein, daß, wenn die Dinge so liegen, für die Gegenwart vom Katholizis¬
mus kaum stärkere verbindende Klammern zwischen uns und den Angelsachsen
zu -erwarten sind, als sie der Protestantismus schmieden konnte. Solange der
angelsächsische Kapitalismus seine Triumphe feiert, hat diese Rasse wenig Sinn
für europäische Solidarität. Aber auch wir deutschen Protestanten werden gern
mit Kiefl gläubig auf den Tag hoffen, da dieser Götze in den Staub sinkt. Wir
hoben unsern Militarismus ertragen, weil wir glaubten, er trüge dazu bei. Da¬
mit sind wir gescheitert. Viele werden sich jetzt mit dem Sozialismus abfinden,
weil sie hoffen, daß aus ihm vielleicht der Rächer erstehen könnte, der uns von
dem Joch, das uns jetzt der -englische Kapitalismus auferlegt, wieder befreit.

Den Sozialismus erwähnt Kiefl nicht unter den Mächten, die für Völker¬
versöhnung zu wirken versucht haben. Er hätte zu der Zeit, wo er seine Abhand¬
lung schrieb, auch nur sagen können, daß der Sozialismus dieses Ziel ebensowenig
erreicht hat wie die anderen geistigen Mächte. Auch die internationale Arbeiter¬
bewegung hat den Krieg nicht verhindern können, auch sie hat nationalistische
Einflüsse erfahren, auch ihr Versuch, -auf einer internationalen Konferenz in
Stockholm einen Verständigungsfrieden vorzubereiten, ist mißglückt. Aber in¬
zwischen hat der Sozialismus, mehr wie jede andere Richtung, wieder neue Zu-



->) Vgl. Guthke, Wird England katholisch werden? GrenA, 1917 Ur. 13.
Katholizismus und völkeivcrsöhnuna

Wie Wundt hat ja den Philosophien der europäischen Kulturvölker ihre nationale
Bedingtheit nachgewiesen.

Die Versöhnung zwischen Deutschland und England speziell hat neben der
modernen Wissenschaft immer der Protestantismus sich als Ziel gesetzt. Aber
auch er ist damit gescheitert. Das protestantische Bistum Jerusalem, das einst
Friedrich Wilhelm der Vierte in Gemeinschaft mit der anglikanischen Hochkirche
gründete, hat keinen Bestand gehabt. Das Ideal einer protestantischen Weltkirche'
ist seiner Verwirklichung nicht näher gekommen. „Harnacks weit vorausschauen¬
des hochsinniges Streben, die eherne Notwendigkeit des heraufziehenden Krieges
durch Betonung der geistig-religiösen Gemeinschaft zwischen Deutschland und
England zu bannen, wird stets ein Denkmal deutscher Friedensliebe bleiben.
Aber sein Ideal der geistigen Kulwrgemeinschaft zwischen Deutschland und Eng-
laud-Amerika als der Lenkerin der Weltgeschichte, liegt in Millionen Scherben
zerbrochen" (Kiefl S. 419). Die Kulturgüter, die hüben und drüben die beiden
Völker einigen sollten, stiften vielmehr Wettbewerb und entzweien sie. Im enge»
ren religiösen Sinne aber ist, wie Kiefl mit Recht betont, das deutsche Luthertum
doch grundsätzlich sehr verschieden vom englischen Protestantismus. Am schroff-
sten ist der innere Gegensatz zu den großen angelsächsischen Freikirchen, besonders
den überseeischen Gewächsen unter ihnen. Dieser angelsächsische Calvinismus ist
die religiöse Seite des Kapitalismus (vgl. die Forschungen von Max Weber und
Ernst Troeltsch), der dein Geiste des Lutherrums nicht minder fremd ist als den:
des Katholizismus. Das Luthertum verdankt der in England entstandenen Auf¬
klärung, die das englische Christentum selbst nicht zersetzen konnte, nur allerhand
auslösende Tendenzen. Die englische Hochkirche aber ihrerseits hat die Versuche
einer Union mit den: deutschen Protestantismus damit beantwortet, daß sie die
ihr eigentümlichen ri Walistischen und katholisievenden Elemente verstärkte und
von jeder Gemeinschaft mit anderen Protestanten weiter abrückte als je zu¬
vor.") Angesichts dieser Tatsache geht Kiefl so weit, daß er statt des Protestantis¬
mus für die Zukunft weit eher dem Katholizismus die Fähigkeit zuschreibt, der
Versöhnung zwischen dem deutschen und dem englischen Volk zu dienen. Er be¬
ruft sich darauf, daß im englischen Protestantismus der positive Christenglaube
weit weniger erschüttert ist als im evangelischen Teile des deutschen Volkes, und
er rechnet damit, daß der kapitalistische Geist, der heute in der angelsächsischen
Welt den Calvinismus als adäquate Religionsform begünstigt, doch einmal vom
Throne gestürzt werden müsse. Dann werde/ wenn nur der Christenglaube in
den angelsächsischen Völkern erhalten-bleibe, die Tradition des vorkapitalistifchen
katholischen England wieder zum Leben erwachen. Kiefl wird sich wohl selbst
bewußt sein, daß, wenn die Dinge so liegen, für die Gegenwart vom Katholizis¬
mus kaum stärkere verbindende Klammern zwischen uns und den Angelsachsen
zu -erwarten sind, als sie der Protestantismus schmieden konnte. Solange der
angelsächsische Kapitalismus seine Triumphe feiert, hat diese Rasse wenig Sinn
für europäische Solidarität. Aber auch wir deutschen Protestanten werden gern
mit Kiefl gläubig auf den Tag hoffen, da dieser Götze in den Staub sinkt. Wir
hoben unsern Militarismus ertragen, weil wir glaubten, er trüge dazu bei. Da¬
mit sind wir gescheitert. Viele werden sich jetzt mit dem Sozialismus abfinden,
weil sie hoffen, daß aus ihm vielleicht der Rächer erstehen könnte, der uns von
dem Joch, das uns jetzt der -englische Kapitalismus auferlegt, wieder befreit.

Den Sozialismus erwähnt Kiefl nicht unter den Mächten, die für Völker¬
versöhnung zu wirken versucht haben. Er hätte zu der Zeit, wo er seine Abhand¬
lung schrieb, auch nur sagen können, daß der Sozialismus dieses Ziel ebensowenig
erreicht hat wie die anderen geistigen Mächte. Auch die internationale Arbeiter¬
bewegung hat den Krieg nicht verhindern können, auch sie hat nationalistische
Einflüsse erfahren, auch ihr Versuch, -auf einer internationalen Konferenz in
Stockholm einen Verständigungsfrieden vorzubereiten, ist mißglückt. Aber in¬
zwischen hat der Sozialismus, mehr wie jede andere Richtung, wieder neue Zu-



->) Vgl. Guthke, Wird England katholisch werden? GrenA, 1917 Ur. 13.
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[0315] Katholizismus und völkeivcrsöhnuna Wie Wundt hat ja den Philosophien der europäischen Kulturvölker ihre nationale Bedingtheit nachgewiesen. Die Versöhnung zwischen Deutschland und England speziell hat neben der modernen Wissenschaft immer der Protestantismus sich als Ziel gesetzt. Aber auch er ist damit gescheitert. Das protestantische Bistum Jerusalem, das einst Friedrich Wilhelm der Vierte in Gemeinschaft mit der anglikanischen Hochkirche gründete, hat keinen Bestand gehabt. Das Ideal einer protestantischen Weltkirche' ist seiner Verwirklichung nicht näher gekommen. „Harnacks weit vorausschauen¬ des hochsinniges Streben, die eherne Notwendigkeit des heraufziehenden Krieges durch Betonung der geistig-religiösen Gemeinschaft zwischen Deutschland und England zu bannen, wird stets ein Denkmal deutscher Friedensliebe bleiben. Aber sein Ideal der geistigen Kulwrgemeinschaft zwischen Deutschland und Eng- laud-Amerika als der Lenkerin der Weltgeschichte, liegt in Millionen Scherben zerbrochen" (Kiefl S. 419). Die Kulturgüter, die hüben und drüben die beiden Völker einigen sollten, stiften vielmehr Wettbewerb und entzweien sie. Im enge» ren religiösen Sinne aber ist, wie Kiefl mit Recht betont, das deutsche Luthertum doch grundsätzlich sehr verschieden vom englischen Protestantismus. Am schroff- sten ist der innere Gegensatz zu den großen angelsächsischen Freikirchen, besonders den überseeischen Gewächsen unter ihnen. Dieser angelsächsische Calvinismus ist die religiöse Seite des Kapitalismus (vgl. die Forschungen von Max Weber und Ernst Troeltsch), der dein Geiste des Lutherrums nicht minder fremd ist als den: des Katholizismus. Das Luthertum verdankt der in England entstandenen Auf¬ klärung, die das englische Christentum selbst nicht zersetzen konnte, nur allerhand auslösende Tendenzen. Die englische Hochkirche aber ihrerseits hat die Versuche einer Union mit den: deutschen Protestantismus damit beantwortet, daß sie die ihr eigentümlichen ri Walistischen und katholisievenden Elemente verstärkte und von jeder Gemeinschaft mit anderen Protestanten weiter abrückte als je zu¬ vor.") Angesichts dieser Tatsache geht Kiefl so weit, daß er statt des Protestantis¬ mus für die Zukunft weit eher dem Katholizismus die Fähigkeit zuschreibt, der Versöhnung zwischen dem deutschen und dem englischen Volk zu dienen. Er be¬ ruft sich darauf, daß im englischen Protestantismus der positive Christenglaube weit weniger erschüttert ist als im evangelischen Teile des deutschen Volkes, und er rechnet damit, daß der kapitalistische Geist, der heute in der angelsächsischen Welt den Calvinismus als adäquate Religionsform begünstigt, doch einmal vom Throne gestürzt werden müsse. Dann werde/ wenn nur der Christenglaube in den angelsächsischen Völkern erhalten-bleibe, die Tradition des vorkapitalistifchen katholischen England wieder zum Leben erwachen. Kiefl wird sich wohl selbst bewußt sein, daß, wenn die Dinge so liegen, für die Gegenwart vom Katholizis¬ mus kaum stärkere verbindende Klammern zwischen uns und den Angelsachsen zu -erwarten sind, als sie der Protestantismus schmieden konnte. Solange der angelsächsische Kapitalismus seine Triumphe feiert, hat diese Rasse wenig Sinn für europäische Solidarität. Aber auch wir deutschen Protestanten werden gern mit Kiefl gläubig auf den Tag hoffen, da dieser Götze in den Staub sinkt. Wir hoben unsern Militarismus ertragen, weil wir glaubten, er trüge dazu bei. Da¬ mit sind wir gescheitert. Viele werden sich jetzt mit dem Sozialismus abfinden, weil sie hoffen, daß aus ihm vielleicht der Rächer erstehen könnte, der uns von dem Joch, das uns jetzt der -englische Kapitalismus auferlegt, wieder befreit. Den Sozialismus erwähnt Kiefl nicht unter den Mächten, die für Völker¬ versöhnung zu wirken versucht haben. Er hätte zu der Zeit, wo er seine Abhand¬ lung schrieb, auch nur sagen können, daß der Sozialismus dieses Ziel ebensowenig erreicht hat wie die anderen geistigen Mächte. Auch die internationale Arbeiter¬ bewegung hat den Krieg nicht verhindern können, auch sie hat nationalistische Einflüsse erfahren, auch ihr Versuch, -auf einer internationalen Konferenz in Stockholm einen Verständigungsfrieden vorzubereiten, ist mißglückt. Aber in¬ zwischen hat der Sozialismus, mehr wie jede andere Richtung, wieder neue Zu- ->) Vgl. Guthke, Wird England katholisch werden? GrenA, 1917 Ur. 13.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_88238/315>, abgerufen am 24.11.2024.