Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
ZVeltdemokratic oder nationaler Sozinlismus?

Viele Tausende von Kinos verseuchen das Land und ziehen das Volk, jung
und alt, arm und reich, zum Oden, Trivialen, Schiefer, Gemeinen hinab. An
ihren Früchten sollst du sie erkennen I An uns alle aber ergeht heute der Ruf:
Lursum Loräa l

Ich werde mit Dir noch ein Hühnchen zu pflücken haben, kummsch mer norr
emol in mei Gassi >


Bis dahin Dein wohlgewogener Freund
Albert
III.

Waldemar Haym an Albert Ulrik Vrendel.
In Eitel Innigen Dank für Deine mir so wertvolle Zusagel


IV.,'

Vom 14. Oktober ab: Im Sardanapal-Saal:
Der Schläger des Tages I
, Dr. Scholle
Grandioses Drama aus der wissenschaftlichen Welt der Großstadt.
Von Waldemar Haym.
In der führenden Rolle Albert Ulrik Brendel.
In der Uraufführung vor geladenen Gästen hat diese bedeutende Schöpfung
starke Erschütterung und tiefgehende Sensation ausgelöst. ,




lVeltdemokratie oder nationaler ^ozialismus?
Georg Lleinow von

/'^!ach dreiwöchentlichem Aufenthalt in der deutschen Ostmark, drei
>Tage in der Reichshciupistadtl -- Berlin hat mich schon immer
während des Krieges enttäuscht und abgestoßen, wenn ich. sei es
aus Polen, sei es aus meiner Batteriestellung an der Westfront
für einige Tage heimkehrte. Berlin und seine Gesellschaft kann
^ einen, der aus der Provinz hinkommt, geradezu anwidern. Berlin
ist over scheint wenigstens international. In jedem Falle ist es etwas un¬
geheuer wahllos Gemischtes. Ein Gefühl für das große deutsche Volk draußen
scheint nicht vorhanden oder nicht auszukommen. Berlin ist die kalte Stadt
der Politik, der Börse, des Rechenexempels und -- der Furchtl Am An¬
fang des Krieges haben die Kreise, die sich "Berlin" nennen, Furcht vor dem
durchschlagenden deutschen Siege gehabt, später wagten sie nicht, sich "durchzusetzen
als der nach ihrer Meinung verhängnisvolle unbeschränkte U-Boottneg zur An¬
wendung kommen sollte. Berlin hat zwar der Reichstagsmehrheit von 1917 zu¬
gejubelt, aber es hat nicht gewagt, die Konsequenzen aus seinen Auffassungen zu
ziehen. Es fürchtete die Verantwortung! Berlin hat geholfen die Stimmung im
Lande zu untergraben, aber es hat .nicht gewagt gegen Ludendorff offen Front
zu machen, ehe er nicht selbst kapitulierte. Wenn heute von Luoendorffs poli¬
tischen Fehlern die Rede ist, so wird man ihnen immer die Halbheit und Schwäch¬
lichkeit der Berliner Opposition zur Seite stellen müssen, die nicht wagte so nach¬
drücklich für ihre Überzeugung einzutreten, wie es die Größe der Aufgabe erfor¬
derte. Während Ludendorff die Verantwortung für seine Anordnungen mutvoll


ZVeltdemokratic oder nationaler Sozinlismus?

Viele Tausende von Kinos verseuchen das Land und ziehen das Volk, jung
und alt, arm und reich, zum Oden, Trivialen, Schiefer, Gemeinen hinab. An
ihren Früchten sollst du sie erkennen I An uns alle aber ergeht heute der Ruf:
Lursum Loräa l

Ich werde mit Dir noch ein Hühnchen zu pflücken haben, kummsch mer norr
emol in mei Gassi >


Bis dahin Dein wohlgewogener Freund
Albert
III.

Waldemar Haym an Albert Ulrik Vrendel.
In Eitel Innigen Dank für Deine mir so wertvolle Zusagel


IV.,'

Vom 14. Oktober ab: Im Sardanapal-Saal:
Der Schläger des Tages I
, Dr. Scholle
Grandioses Drama aus der wissenschaftlichen Welt der Großstadt.
Von Waldemar Haym.
In der führenden Rolle Albert Ulrik Brendel.
In der Uraufführung vor geladenen Gästen hat diese bedeutende Schöpfung
starke Erschütterung und tiefgehende Sensation ausgelöst. ,




lVeltdemokratie oder nationaler ^ozialismus?
Georg Lleinow von

/'^!ach dreiwöchentlichem Aufenthalt in der deutschen Ostmark, drei
>Tage in der Reichshciupistadtl — Berlin hat mich schon immer
während des Krieges enttäuscht und abgestoßen, wenn ich. sei es
aus Polen, sei es aus meiner Batteriestellung an der Westfront
für einige Tage heimkehrte. Berlin und seine Gesellschaft kann
^ einen, der aus der Provinz hinkommt, geradezu anwidern. Berlin
ist over scheint wenigstens international. In jedem Falle ist es etwas un¬
geheuer wahllos Gemischtes. Ein Gefühl für das große deutsche Volk draußen
scheint nicht vorhanden oder nicht auszukommen. Berlin ist die kalte Stadt
der Politik, der Börse, des Rechenexempels und — der Furchtl Am An¬
fang des Krieges haben die Kreise, die sich „Berlin" nennen, Furcht vor dem
durchschlagenden deutschen Siege gehabt, später wagten sie nicht, sich «durchzusetzen
als der nach ihrer Meinung verhängnisvolle unbeschränkte U-Boottneg zur An¬
wendung kommen sollte. Berlin hat zwar der Reichstagsmehrheit von 1917 zu¬
gejubelt, aber es hat nicht gewagt, die Konsequenzen aus seinen Auffassungen zu
ziehen. Es fürchtete die Verantwortung! Berlin hat geholfen die Stimmung im
Lande zu untergraben, aber es hat .nicht gewagt gegen Ludendorff offen Front
zu machen, ehe er nicht selbst kapitulierte. Wenn heute von Luoendorffs poli¬
tischen Fehlern die Rede ist, so wird man ihnen immer die Halbheit und Schwäch¬
lichkeit der Berliner Opposition zur Seite stellen müssen, die nicht wagte so nach¬
drücklich für ihre Überzeugung einzutreten, wie es die Größe der Aufgabe erfor¬
derte. Während Ludendorff die Verantwortung für seine Anordnungen mutvoll


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0204" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/88442"/>
            <fw type="header" place="top"> ZVeltdemokratic oder nationaler Sozinlismus?</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_863"> Viele Tausende von Kinos verseuchen das Land und ziehen das Volk, jung<lb/>
und alt, arm und reich, zum Oden, Trivialen, Schiefer, Gemeinen hinab. An<lb/>
ihren Früchten sollst du sie erkennen I An uns alle aber ergeht heute der Ruf:<lb/>
Lursum Loräa l</p><lb/>
            <p xml:id="ID_864"> Ich werde mit Dir noch ein Hühnchen zu pflücken haben, kummsch mer norr<lb/>
emol in mei Gassi &gt;</p><lb/>
            <note type="closer"> Bis dahin Dein wohlgewogener Freund<lb/><note type="byline"> Albert</note></note><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> III.</head><lb/>
            <p xml:id="ID_865"> Waldemar Haym an Albert Ulrik Vrendel.<lb/>
In Eitel Innigen Dank für Deine mir so wertvolle Zusagel</p><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> IV.,'</head><lb/>
            <p xml:id="ID_866"> Vom 14. Oktober ab: Im Sardanapal-Saal:<lb/>
Der Schläger des Tages I<lb/>
,   Dr. Scholle<lb/>
Grandioses Drama aus der wissenschaftlichen Welt der Großstadt.<lb/>
Von Waldemar Haym.<lb/>
In der führenden Rolle Albert Ulrik Brendel.<lb/>
In der Uraufführung vor geladenen Gästen hat diese bedeutende Schöpfung<lb/>
starke Erschütterung und tiefgehende Sensation ausgelöst. ,</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> lVeltdemokratie oder nationaler ^ozialismus?<lb/><note type="byline"> Georg Lleinow</note> von </head><lb/>
          <p xml:id="ID_867" next="#ID_868"> /'^!ach dreiwöchentlichem Aufenthalt in der deutschen Ostmark, drei<lb/>
&gt;Tage in der Reichshciupistadtl &#x2014; Berlin hat mich schon immer<lb/>
während des Krieges enttäuscht und abgestoßen, wenn ich. sei es<lb/>
aus Polen, sei es aus meiner Batteriestellung an der Westfront<lb/>
für einige Tage heimkehrte. Berlin und seine Gesellschaft kann<lb/>
^ einen, der aus der Provinz hinkommt, geradezu anwidern. Berlin<lb/>
ist over scheint wenigstens international. In jedem Falle ist es etwas un¬<lb/>
geheuer wahllos Gemischtes. Ein Gefühl für das große deutsche Volk draußen<lb/>
scheint nicht vorhanden oder nicht auszukommen. Berlin ist die kalte Stadt<lb/>
der Politik, der Börse, des Rechenexempels und &#x2014; der Furchtl Am An¬<lb/>
fang des Krieges haben die Kreise, die sich &#x201E;Berlin" nennen, Furcht vor dem<lb/>
durchschlagenden deutschen Siege gehabt, später wagten sie nicht, sich «durchzusetzen<lb/>
als der nach ihrer Meinung verhängnisvolle unbeschränkte U-Boottneg zur An¬<lb/>
wendung kommen sollte. Berlin hat zwar der Reichstagsmehrheit von 1917 zu¬<lb/>
gejubelt, aber es hat nicht gewagt, die Konsequenzen aus seinen Auffassungen zu<lb/>
ziehen. Es fürchtete die Verantwortung! Berlin hat geholfen die Stimmung im<lb/>
Lande zu untergraben, aber es hat .nicht gewagt gegen Ludendorff offen Front<lb/>
zu machen, ehe er nicht selbst kapitulierte. Wenn heute von Luoendorffs poli¬<lb/>
tischen Fehlern die Rede ist, so wird man ihnen immer die Halbheit und Schwäch¬<lb/>
lichkeit der Berliner Opposition zur Seite stellen müssen, die nicht wagte so nach¬<lb/>
drücklich für ihre Überzeugung einzutreten, wie es die Größe der Aufgabe erfor¬<lb/>
derte. Während Ludendorff die Verantwortung für seine Anordnungen mutvoll</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0204] ZVeltdemokratic oder nationaler Sozinlismus? Viele Tausende von Kinos verseuchen das Land und ziehen das Volk, jung und alt, arm und reich, zum Oden, Trivialen, Schiefer, Gemeinen hinab. An ihren Früchten sollst du sie erkennen I An uns alle aber ergeht heute der Ruf: Lursum Loräa l Ich werde mit Dir noch ein Hühnchen zu pflücken haben, kummsch mer norr emol in mei Gassi > Bis dahin Dein wohlgewogener Freund Albert III. Waldemar Haym an Albert Ulrik Vrendel. In Eitel Innigen Dank für Deine mir so wertvolle Zusagel IV.,' Vom 14. Oktober ab: Im Sardanapal-Saal: Der Schläger des Tages I , Dr. Scholle Grandioses Drama aus der wissenschaftlichen Welt der Großstadt. Von Waldemar Haym. In der führenden Rolle Albert Ulrik Brendel. In der Uraufführung vor geladenen Gästen hat diese bedeutende Schöpfung starke Erschütterung und tiefgehende Sensation ausgelöst. , lVeltdemokratie oder nationaler ^ozialismus? Georg Lleinow von /'^!ach dreiwöchentlichem Aufenthalt in der deutschen Ostmark, drei >Tage in der Reichshciupistadtl — Berlin hat mich schon immer während des Krieges enttäuscht und abgestoßen, wenn ich. sei es aus Polen, sei es aus meiner Batteriestellung an der Westfront für einige Tage heimkehrte. Berlin und seine Gesellschaft kann ^ einen, der aus der Provinz hinkommt, geradezu anwidern. Berlin ist over scheint wenigstens international. In jedem Falle ist es etwas un¬ geheuer wahllos Gemischtes. Ein Gefühl für das große deutsche Volk draußen scheint nicht vorhanden oder nicht auszukommen. Berlin ist die kalte Stadt der Politik, der Börse, des Rechenexempels und — der Furchtl Am An¬ fang des Krieges haben die Kreise, die sich „Berlin" nennen, Furcht vor dem durchschlagenden deutschen Siege gehabt, später wagten sie nicht, sich «durchzusetzen als der nach ihrer Meinung verhängnisvolle unbeschränkte U-Boottneg zur An¬ wendung kommen sollte. Berlin hat zwar der Reichstagsmehrheit von 1917 zu¬ gejubelt, aber es hat nicht gewagt, die Konsequenzen aus seinen Auffassungen zu ziehen. Es fürchtete die Verantwortung! Berlin hat geholfen die Stimmung im Lande zu untergraben, aber es hat .nicht gewagt gegen Ludendorff offen Front zu machen, ehe er nicht selbst kapitulierte. Wenn heute von Luoendorffs poli¬ tischen Fehlern die Rede ist, so wird man ihnen immer die Halbheit und Schwäch¬ lichkeit der Berliner Opposition zur Seite stellen müssen, die nicht wagte so nach¬ drücklich für ihre Überzeugung einzutreten, wie es die Größe der Aufgabe erfor¬ derte. Während Ludendorff die Verantwortung für seine Anordnungen mutvoll

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_88238
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_88238/204
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_88238/204>, abgerufen am 22.07.2024.