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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr.

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Charlotte bevorzugt ihr Kind, die Oberschwester will dies nicht leiden. Es
gibt einen Auftritt. Du greifst ein. Charlotte holt nächtlicherweile ihr Kind und
flüchtet. Doch Du begegnest ihr vor dem Haus. übergibst daS Kind der Ober¬
schwester, geleitest Charlotten in Dein Arbeitszimmer, erklärst ihr Deine Liebe und
verlobst Dich mit ihr. Auf die teilnehmende Frage, ob der Geheimrat der einzige
gewesen sei, antwortet Deine holde Braut mit dem unbeschreiblich rührenden Blick
der Seelenreinheit. Du hauchst Dein Glück auf dem Cello aus.

Deine Haushälterin, der Du die Verlobung mit Schwester Charlotte mit¬
teilst, telephoniert die Neuigkeit brühwarm der Oberschwester Johanna, die in
ihrer Mfcrsucht die Tätigkeit in Deiner Klinik sofort aufgibt und von dem Dir
feindlichen Geheimrat, der Morgenluft zu wittern beginnt, als Operationsschwester
angestellt wird.

Nun hast Du geheiratet und führst in Deinem eleganten Haus mit Charlotte
und dem Kinde des Geheimrates ein ungetrübt glückliches Familienleben als Gatte,
Adoptivvater, berühmter Chirurg und Geheimrat, denn auch diese Auszeichnung
ist Dir geworden, noch ehe das Kind seinen ersten Geburtstag gefeiert hat.

Der feindliche Geheimrat und die intrigante Oberschwester Johanna Hecken
scheußlich" Pläne aus. Charlotte ist. wie ein alter Aufnahmeschein zeigt, vor
Zeiten auf Empfehlung eines Malerprofessors wegen "Krankheit" in die Klinik
aufgenommen worden. Drum läßt der Geheimrat sich vom Professor malen,
lebensgroß, in Ol, Dann gibt er, um Deine Gattin unversehens mit dem Professor
zusammenzubringen, eine große Gesellschaft, zu der er auch Dich und Deine Gattin
einlädt. Großzügig und vorurteilslos, wie Du bist, bestimmst Du Deine Gattin
zur Annahme der Einladung.

Gesellschaftsabend. Beim Wiedersehen von Geheimrat und Charlotte züngelnde
Blitze in den Blicken. Doch Fassung, alles geht gut. Da wird der Malerprofessor
Deiner Frau vorgestellt. Er sagt: "Na, Lottekind, wie kommst denn Du hierher?"
Charlotte fällt in Ohnmacht. Du bringst sie nach Hause, bittest sie um Offenheit
und bist bereit, alles zu verzeihen. Sie aber antwortet wieder mit dem ihr eignen
Blick rührender Seelenreinheit.

Du gehst zum Malerprofessor, ihm Deinen Handschuh ins Gesicht zu schlagen.
Der aber sagt: "Um ein solches Weib setzt sich eine chirurgische Kapazität ersten
Ranges nicht dem Zweikampf aus- Ich war bei Charlotte nicht der erste und
nicht der letzte."

Szene in Deinem Heim:

"Nimm Dein Kind und verlaß das HausI"
"

"Wohin?

"Woher Du kamst. Auf die StraßeI"

Sie geht. Du bleibst allein. In unnennbarem Schmerz.

Die Oberschwester Johanna ist nicht mützig. Das gewagte Verfahren der
Herzoperation, das Dich berühmt gemacht hat, ist in einigen Fällen mißlungen.
Johanna verbreitet das Gerücht von Mangel an Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit,
von Verletzung ärztlicher Standespflicht. Der feindselige Geheimrat greift dies
begierig auf und gewinnt den Vorstand der Ärztekammer für Einschreiten. Drei
ehrwürdige Vertreter der Kammer erscheinen bei Dir, den das Leid der Seele
dem Wahnsinn nahegebracht hat. Die Zweifel der alten Herren erregen Dich
stark, doch Du versprichst, ihren Wunsch zu erfüllen und anderen Tages im
Sektionssaal die Herzoperation an einem Leichnam vorzunehmen. Die Herren
wollen unauffällig anwesend sein, um ein Urteil über Dein Verfahren zu gewinnen.
Wut erfüllt Dich und Wahnsinn, doch Du ermannst Dich.

Im Operationssaal. Alle Hörerplätze von Studenten besetzt. Unter ihnen
im Vordergrund unauffällig die drei alten Arzte. Auch der feindselige Geheimrat
und die Oberschwester Johanna. Der verhüllte Leichnam wird hereingetragen.
Du erscheinst im Operationskittel und schlägst das Tuch zurück.... Charlotte!

Du erstarrst. Dann küssest Du ihre Lippen, lange, langeI Es drängt zur
Katastrophe, Du setzest das Messer an, dann aber unter dem Ruf: "Ich kann nur


Grenzboi-n IV 1918 16
Flimm«rkunst

Charlotte bevorzugt ihr Kind, die Oberschwester will dies nicht leiden. Es
gibt einen Auftritt. Du greifst ein. Charlotte holt nächtlicherweile ihr Kind und
flüchtet. Doch Du begegnest ihr vor dem Haus. übergibst daS Kind der Ober¬
schwester, geleitest Charlotten in Dein Arbeitszimmer, erklärst ihr Deine Liebe und
verlobst Dich mit ihr. Auf die teilnehmende Frage, ob der Geheimrat der einzige
gewesen sei, antwortet Deine holde Braut mit dem unbeschreiblich rührenden Blick
der Seelenreinheit. Du hauchst Dein Glück auf dem Cello aus.

Deine Haushälterin, der Du die Verlobung mit Schwester Charlotte mit¬
teilst, telephoniert die Neuigkeit brühwarm der Oberschwester Johanna, die in
ihrer Mfcrsucht die Tätigkeit in Deiner Klinik sofort aufgibt und von dem Dir
feindlichen Geheimrat, der Morgenluft zu wittern beginnt, als Operationsschwester
angestellt wird.

Nun hast Du geheiratet und führst in Deinem eleganten Haus mit Charlotte
und dem Kinde des Geheimrates ein ungetrübt glückliches Familienleben als Gatte,
Adoptivvater, berühmter Chirurg und Geheimrat, denn auch diese Auszeichnung
ist Dir geworden, noch ehe das Kind seinen ersten Geburtstag gefeiert hat.

Der feindliche Geheimrat und die intrigante Oberschwester Johanna Hecken
scheußlich» Pläne aus. Charlotte ist. wie ein alter Aufnahmeschein zeigt, vor
Zeiten auf Empfehlung eines Malerprofessors wegen „Krankheit" in die Klinik
aufgenommen worden. Drum läßt der Geheimrat sich vom Professor malen,
lebensgroß, in Ol, Dann gibt er, um Deine Gattin unversehens mit dem Professor
zusammenzubringen, eine große Gesellschaft, zu der er auch Dich und Deine Gattin
einlädt. Großzügig und vorurteilslos, wie Du bist, bestimmst Du Deine Gattin
zur Annahme der Einladung.

Gesellschaftsabend. Beim Wiedersehen von Geheimrat und Charlotte züngelnde
Blitze in den Blicken. Doch Fassung, alles geht gut. Da wird der Malerprofessor
Deiner Frau vorgestellt. Er sagt: „Na, Lottekind, wie kommst denn Du hierher?"
Charlotte fällt in Ohnmacht. Du bringst sie nach Hause, bittest sie um Offenheit
und bist bereit, alles zu verzeihen. Sie aber antwortet wieder mit dem ihr eignen
Blick rührender Seelenreinheit.

Du gehst zum Malerprofessor, ihm Deinen Handschuh ins Gesicht zu schlagen.
Der aber sagt: „Um ein solches Weib setzt sich eine chirurgische Kapazität ersten
Ranges nicht dem Zweikampf aus- Ich war bei Charlotte nicht der erste und
nicht der letzte."

Szene in Deinem Heim:

„Nimm Dein Kind und verlaß das HausI"
"

„Wohin?

„Woher Du kamst. Auf die StraßeI"

Sie geht. Du bleibst allein. In unnennbarem Schmerz.

Die Oberschwester Johanna ist nicht mützig. Das gewagte Verfahren der
Herzoperation, das Dich berühmt gemacht hat, ist in einigen Fällen mißlungen.
Johanna verbreitet das Gerücht von Mangel an Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit,
von Verletzung ärztlicher Standespflicht. Der feindselige Geheimrat greift dies
begierig auf und gewinnt den Vorstand der Ärztekammer für Einschreiten. Drei
ehrwürdige Vertreter der Kammer erscheinen bei Dir, den das Leid der Seele
dem Wahnsinn nahegebracht hat. Die Zweifel der alten Herren erregen Dich
stark, doch Du versprichst, ihren Wunsch zu erfüllen und anderen Tages im
Sektionssaal die Herzoperation an einem Leichnam vorzunehmen. Die Herren
wollen unauffällig anwesend sein, um ein Urteil über Dein Verfahren zu gewinnen.
Wut erfüllt Dich und Wahnsinn, doch Du ermannst Dich.

Im Operationssaal. Alle Hörerplätze von Studenten besetzt. Unter ihnen
im Vordergrund unauffällig die drei alten Arzte. Auch der feindselige Geheimrat
und die Oberschwester Johanna. Der verhüllte Leichnam wird hereingetragen.
Du erscheinst im Operationskittel und schlägst das Tuch zurück.... Charlotte!

Du erstarrst. Dann küssest Du ihre Lippen, lange, langeI Es drängt zur
Katastrophe, Du setzest das Messer an, dann aber unter dem Ruf: „Ich kann nur


Grenzboi-n IV 1918 16
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[0201] Flimm«rkunst Charlotte bevorzugt ihr Kind, die Oberschwester will dies nicht leiden. Es gibt einen Auftritt. Du greifst ein. Charlotte holt nächtlicherweile ihr Kind und flüchtet. Doch Du begegnest ihr vor dem Haus. übergibst daS Kind der Ober¬ schwester, geleitest Charlotten in Dein Arbeitszimmer, erklärst ihr Deine Liebe und verlobst Dich mit ihr. Auf die teilnehmende Frage, ob der Geheimrat der einzige gewesen sei, antwortet Deine holde Braut mit dem unbeschreiblich rührenden Blick der Seelenreinheit. Du hauchst Dein Glück auf dem Cello aus. Deine Haushälterin, der Du die Verlobung mit Schwester Charlotte mit¬ teilst, telephoniert die Neuigkeit brühwarm der Oberschwester Johanna, die in ihrer Mfcrsucht die Tätigkeit in Deiner Klinik sofort aufgibt und von dem Dir feindlichen Geheimrat, der Morgenluft zu wittern beginnt, als Operationsschwester angestellt wird. Nun hast Du geheiratet und führst in Deinem eleganten Haus mit Charlotte und dem Kinde des Geheimrates ein ungetrübt glückliches Familienleben als Gatte, Adoptivvater, berühmter Chirurg und Geheimrat, denn auch diese Auszeichnung ist Dir geworden, noch ehe das Kind seinen ersten Geburtstag gefeiert hat. Der feindliche Geheimrat und die intrigante Oberschwester Johanna Hecken scheußlich» Pläne aus. Charlotte ist. wie ein alter Aufnahmeschein zeigt, vor Zeiten auf Empfehlung eines Malerprofessors wegen „Krankheit" in die Klinik aufgenommen worden. Drum läßt der Geheimrat sich vom Professor malen, lebensgroß, in Ol, Dann gibt er, um Deine Gattin unversehens mit dem Professor zusammenzubringen, eine große Gesellschaft, zu der er auch Dich und Deine Gattin einlädt. Großzügig und vorurteilslos, wie Du bist, bestimmst Du Deine Gattin zur Annahme der Einladung. Gesellschaftsabend. Beim Wiedersehen von Geheimrat und Charlotte züngelnde Blitze in den Blicken. Doch Fassung, alles geht gut. Da wird der Malerprofessor Deiner Frau vorgestellt. Er sagt: „Na, Lottekind, wie kommst denn Du hierher?" Charlotte fällt in Ohnmacht. Du bringst sie nach Hause, bittest sie um Offenheit und bist bereit, alles zu verzeihen. Sie aber antwortet wieder mit dem ihr eignen Blick rührender Seelenreinheit. Du gehst zum Malerprofessor, ihm Deinen Handschuh ins Gesicht zu schlagen. Der aber sagt: „Um ein solches Weib setzt sich eine chirurgische Kapazität ersten Ranges nicht dem Zweikampf aus- Ich war bei Charlotte nicht der erste und nicht der letzte." Szene in Deinem Heim: „Nimm Dein Kind und verlaß das HausI" " „Wohin? „Woher Du kamst. Auf die StraßeI" Sie geht. Du bleibst allein. In unnennbarem Schmerz. Die Oberschwester Johanna ist nicht mützig. Das gewagte Verfahren der Herzoperation, das Dich berühmt gemacht hat, ist in einigen Fällen mißlungen. Johanna verbreitet das Gerücht von Mangel an Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit, von Verletzung ärztlicher Standespflicht. Der feindselige Geheimrat greift dies begierig auf und gewinnt den Vorstand der Ärztekammer für Einschreiten. Drei ehrwürdige Vertreter der Kammer erscheinen bei Dir, den das Leid der Seele dem Wahnsinn nahegebracht hat. Die Zweifel der alten Herren erregen Dich stark, doch Du versprichst, ihren Wunsch zu erfüllen und anderen Tages im Sektionssaal die Herzoperation an einem Leichnam vorzunehmen. Die Herren wollen unauffällig anwesend sein, um ein Urteil über Dein Verfahren zu gewinnen. Wut erfüllt Dich und Wahnsinn, doch Du ermannst Dich. Im Operationssaal. Alle Hörerplätze von Studenten besetzt. Unter ihnen im Vordergrund unauffällig die drei alten Arzte. Auch der feindselige Geheimrat und die Oberschwester Johanna. Der verhüllte Leichnam wird hereingetragen. Du erscheinst im Operationskittel und schlägst das Tuch zurück.... Charlotte! Du erstarrst. Dann küssest Du ihre Lippen, lange, langeI Es drängt zur Katastrophe, Du setzest das Messer an, dann aber unter dem Ruf: „Ich kann nur Grenzboi-n IV 1918 16

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_88238/201>, abgerufen am 28.09.2024.