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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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erstattung abgetan wäre. Unsere Zeit
lebt so rasch, daß jede neue Zeitungs¬
nummer die Erinnerung an ihre Vorgängerin
im Hirn des Durchschnittslesers auszulöschen
pflegt. Um das aber zu verhindern, setzt
gerade jene Beharrlichkeit des stetig höhlenden
Tropfens ein, von der^ wir im Anfange
sprachen. Denn nachdem einmal durch skrupel¬
lose Fälschung der Boden vorbereitet ist, wird
keine Gelegenheit vorübergelassen, das Samen¬
korn der Legende zur robusten Pflanze eines
Historisch-Politischen Faktums zu entwickeln.
Auch hier geht die Spekulation auf das kurze
Gedächtnis der Mitwelt nicht fehl. Wer hat
nach einer Woche noch die Einzelheiten des
parlamentarischen Vorganges bei der Hand,
um dem dreisten Fälscher in die Parade zu
fahren!? Mo nur immer kühn drauf los
geschmäht, es bleibt nicht nur "etwas", son¬
dern das ganze Lügengewebe an den Be¬
schuldigten "hängen". So wetteifern denn
Blätter wie der "Vorwärts" und das "Ber¬
liner Tageblatt" im edlen Verein, bei jedem
sich bietenden Anlaß den angeblich kriegstcil-
nehmerfeindlichen Wahlrechtsgegnern eins
auszuwischen. Wie bei der Forderung des
gleichen Wahlrechtes überhaupt der Appell
an die Gleichheit "vor der Granate", so bietet
dieser besondere Fall eine glänzende Gelegen¬
heit, an der warmen Flamme des Gefühls
für unser kämpfendes Volk, die Parteisuppen
zu kochen. So zieht man denn in rührender
Teilnahme für unsere Helden an der Front
gegen die bösen "Wahlrechtsverschwörer" vom
Leder, die zwar das weiteste Herz für eine
Besserstellung der Kriegsgewinnlcr und Kriegs¬
wucherer haben, das Wahlrecht der Kriegs¬
teilnehmer dagegen "schlankweg" ablehnen
(Vorwärts); oder man veröffentlicht eine
Proskriptionsliste derjenigen Abgeordneten, die
gegen den Antrag Hagemeister gestimmt haben,
wobei besondere "Lieblinge" gesperrt gedruckt
werden, um den Wählern die Namen jener

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Männer einzuprägen, die "allen möglichen
Leuten Mehrstimmen gewähren wollen, sie
aber den Kriegsteilnehmern versagten." (Berl.
Tageblatt.) Man sieht, die weiche Masse der
Legende ist bereits zur historischen Tatsache
erstarrt. Lustig wird die Sache (wenn sie
nicht so traurig wäre), sobald man sich in
die Defensive gedrängt fühlt. Da haben
diese, "Wahlrechtsverschwörer" den unange¬
nehmen Einfall gehabt, den Kriegsteilnehmern,
deren Zusatzstimme sie vor der Hand, wie
die Dinge lagen, ablehnen mußten, auf andere
Weise entgegenzukommen. Die Konservativen
beantragten für sie ^Steuererleichterungen und
Darlehen zum Wiederaufbau ihrer wirtschaft¬
lichen Selbständigkeit, ähnliche Erleichterungen
schlugen auch die Nalioncilliberalen um Fuhr¬
mann vor. Was aber sagt der "Vorwärts"
dazu: "ESistunschwerzu erraten, daß dieseAn-
ttäge nur aus agitatorischen Gründen
gestellt sind; sie gehen von denselben Parteien
aus, die das gleiche Wahlrecht und die Zu¬
satzstimme für die Kriegsteilnehmer abge¬
lehnt haben und die sich nun offenbar bei
den Kriegsteilnehmern wieder in empfehlende
Erinnerung bringen wollen." Nach altem
Spruche ist im Handeln des Menschen "ein
bissel Falschheit allweil dabei"; der Politische
Mensch scheint die Falschheit selber zu sein,
wenn man ihn im Spiegel seines Partei¬
gegners erblickt. Im übrigen: "nur aus
agitatorischen Gründen" . . o über die fromme
Linke, deren Handlungen nie von solchen
Motiven verdunkelt werden I Es ist wirklich
schwer, in rebus politicis "satirsm non
scrikers".

Solche Fälle, wie der eben geschilderte,
gehören leider nicht zu den Seltenheiten
unseres politischen Lebens, wenn sie auch zum
Glück nicht immer so weitreichende Folgen
zeitigen können, wie die Hetzlegende von der
iriegsteilnehmerfeindlichen Haltung der Kom¬
K promißparteien.

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Allen Manuskripten ist Porto hinzuzufügen, da andernfalls bei Ablehnung eine Rücksendung
nicht verbürgt werde" kann.




Nachdruck siimtlicher Slufsittjc nur mit ausdrücklicher Erlaubnis des Verlags gestattet.
Verantwortlich: der Herausgeber "eorg Cleinow in Berlin-Lichterselde West. -- ManuilriPtsendunge" ""d
Vliese werden'erbeten unier der Adresse: An die echriftleituull der Grenzliotrn in Berlin SV 11, Tempelhof-r User 35".
Kemlprecher d"S Herausgebers: Amt Ltchterselde <W8, des Verlags uno der <Schri>klenn"g- Am, U""om Mo>
Verlag: Verlag der Brenzbaten Is. in. b. H. in Berlin SV/ II, Tempelhofer Ufer 83s
Druck: .Der Reichst,"!-" A. in. b. H. in Berlin LV it, Dessnuer Strafe W/Ü7,
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heit, an der warmen Flamme des Gefühls
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gegen die bösen „Wahlrechtsverschwörer" vom
Leder, die zwar das weiteste Herz für eine
Besserstellung der Kriegsgewinnlcr und Kriegs¬
wucherer haben, das Wahlrecht der Kriegs¬
teilnehmer dagegen „schlankweg" ablehnen
(Vorwärts); oder man veröffentlicht eine
Proskriptionsliste derjenigen Abgeordneten, die
gegen den Antrag Hagemeister gestimmt haben,
wobei besondere „Lieblinge" gesperrt gedruckt
werden, um den Wählern die Namen jener

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Männer einzuprägen, die „allen möglichen
Leuten Mehrstimmen gewähren wollen, sie
aber den Kriegsteilnehmern versagten." (Berl.
Tageblatt.) Man sieht, die weiche Masse der
Legende ist bereits zur historischen Tatsache
erstarrt. Lustig wird die Sache (wenn sie
nicht so traurig wäre), sobald man sich in
die Defensive gedrängt fühlt. Da haben
diese, „Wahlrechtsverschwörer" den unange¬
nehmen Einfall gehabt, den Kriegsteilnehmern,
deren Zusatzstimme sie vor der Hand, wie
die Dinge lagen, ablehnen mußten, auf andere
Weise entgegenzukommen. Die Konservativen
beantragten für sie ^Steuererleichterungen und
Darlehen zum Wiederaufbau ihrer wirtschaft¬
lichen Selbständigkeit, ähnliche Erleichterungen
schlugen auch die Nalioncilliberalen um Fuhr¬
mann vor. Was aber sagt der „Vorwärts"
dazu: „ESistunschwerzu erraten, daß dieseAn-
ttäge nur aus agitatorischen Gründen
gestellt sind; sie gehen von denselben Parteien
aus, die das gleiche Wahlrecht und die Zu¬
satzstimme für die Kriegsteilnehmer abge¬
lehnt haben und die sich nun offenbar bei
den Kriegsteilnehmern wieder in empfehlende
Erinnerung bringen wollen." Nach altem
Spruche ist im Handeln des Menschen „ein
bissel Falschheit allweil dabei"; der Politische
Mensch scheint die Falschheit selber zu sein,
wenn man ihn im Spiegel seines Partei¬
gegners erblickt. Im übrigen: „nur aus
agitatorischen Gründen" . . o über die fromme
Linke, deren Handlungen nie von solchen
Motiven verdunkelt werden I Es ist wirklich
schwer, in rebus politicis „satirsm non
scrikers".

Solche Fälle, wie der eben geschilderte,
gehören leider nicht zu den Seltenheiten
unseres politischen Lebens, wenn sie auch zum
Glück nicht immer so weitreichende Folgen
zeitigen können, wie die Hetzlegende von der
iriegsteilnehmerfeindlichen Haltung der Kom¬
K promißparteien.

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nicht verbürgt werde» kann.




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Druck: .Der Reichst,»!-" A. in. b. H. in Berlin LV it, Dessnuer Strafe W/Ü7,
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333844/60>, abgerufen am 29.06.2024.