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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr.

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son 16. Juni 1918 eine beachtenswerte Unter¬
redung ihres Mitarbeiters mit dem sogenannten
"Minister für Galizien" von Twardowskn

Eine Lösung der Polnischen Frage konnte
Graf Burian in der knappen, ihm zur Ver-
ügung stehenden Zeit naturgemäß nicht er¬
zielen. Gelegentlich der Wiener Anwesenheit
des Grafen Hertling dürften aber wesentliche
Fortschritte zu gewärtigen sein. Man ist der
Meinung, sagte Minister Twardowski, daß die
polnische Frage noch im Laufe dieses Som¬
mers ihre endgültige Erledigung finden wird.

Und in welcher Form ist diese Lösung
geplant?

Nach meiner Meinung wird Graf Burian
an der anhero-polnischen Lösung festhalten.
In welcher Gestalt diese anhero-polnische
Lösung gedacht wird, steht im einzelnen noch
nicht fest. Der Grundgedanke bleibt jeden¬
falls, daß das ungelenke Galizien nebst dem
ungeteilten Kongreß-Polen im Verbände der
Monarchie unter Habsburgischen Zepter ver¬
einigt werden soll. ^

Was würde eintreten, wenn unerwarteter¬
weise die anhero-Polnische Lösung doch auf¬
gegeben werden würde? Ist in diesem Falle
eine andere Lösung in Vorschlag gebracht
worden?

Darüber ist mir nichts bekannt; doch eines
muß ich betonen, daß, wie immer auch die
Lösung der polnischen Frage ausfallen wird,
sie auf jeden Fall im wesentlichen von den wirt¬
schaftlichen Abmachungen zwischen den Staaten
Mitteleuropas abhängen wird. Der Komplex
der zwischen Deutschlan d und Österreich-Ungarn
zu treffenden wirtschaftlichen Fragen und die
Lösung der Polnischen Frage bilden also auch
zeitlich eine unlösbar verbundene Gruppe.

Welchen Eindruck haben die Polen bei
Ihrem Besuche in Budapest empfangen?

Die historisch bewährten Gefühle der Zu¬
sammengehörigkeit haben sich auch diesmal
nicht verleugnet. Die Polen haben mit größter
Befriedigung gesehen, daß sie auf die Hilfe
der ungarischen Nation zur Erreichung ihrer
politischen Ziele unbedingt rechnen können,
um so mehr, da die Polnischen und ungari¬
schen Interessen parallel laufen.

Unser Gespräch wendete sich der Frage
der angeblichen bevorstehenden Zweiteilung
Galiziens zu. Ich erwähnte, daß man die

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Neugestaltung der inneren Struktur Öster¬
reichs auch in Ungarn mit größtem Interesse
verfolgt. Man sei nämlich dort der Ansicht,
daß die Zweiteilung Galiziens, das heißt
die Schaffung eines an Ungarn grenzenden
ukrainischen Staates und das befürchtete Ent¬
stehen einer ruthonisch-irredentistischen Be¬
wegung das ungarische Stnatswesen alterieren
werde. Das sei ja auch der Grund,, wes<
halb I)r. Welerle gegen eine solche Neuord¬
nung der staatlichen Verhältnisse Einspruch
erhoben hat. Ich fragte Exzellenz Twar¬
dowski, ob dies auch bei dem Besuche der
Polen in Budapest zur Erörterung kam. Der
Minister antwortete bejahend und fügte hinzu,
daß auch in der Frage der Zweiteilung Ga-
liziens die Polnischen Politiker in Budapest
vollste Übereinstimmung mit ihren Ansichten
konstatieren konnten.

Zur Domvrowski-Feier.

Aus Anlaß der
hundertjährigen Wiederkehr des Todestages
des polnischen Generals schreibt "Godzina
Polski" (Lodz), Ur. 152 vom 6. Juni 1918:

"Trotz seines Polnischen Namens und seiner
Polnischen Abstammung war dieser große
polnische Patriot viel mehr ein polonisierter
Deutscher als ein Pole. Bis zum Ende seines
Lebens hat er nicht richtig Polnisch sprechen
gelernt, und er hat in deutscher Sprache eine
Autobiographie für seine Kinder geschrieben,
dieses Kedentbuch einer bedeutenden groß-
polnischen Bewegung. Ein großer Verehrer
der deutschen Poesie, namentlich des edlen
und schwungvollen Dichters Schiller, trennte
er sich nie von seinen Werken, sogar in den
schweren Kampfestagen nicht. In der Schlacht
bei Novi rettete ihm ein Band Schiller das
Leben, da er die Kugel auffing, die die Brust
des Generals getroffen hatte. Am 29. August
1765 in Pierzchowice bei ° Bochnia ge¬
boren, stammte Jan Henryk Dombrowski aus
einer alten Soldatcnfamilie. Sein Großvater
kämpfte mit dem König Sobiesli bei Wien,
sein Vater war sächsischer Offizier. Seine
Mutter war eine Tochter des Oberstleutnants
von Lettow. Er wurde in Sachsen erzogen
und trat in jugendlichem Alter in das
sächsische Heer ein, in dem er zweiundzwanzig
Jahre diente. Er lebte sich völlig in sein
angenommenes Vaterland ein und verheiratete
sich mit einer Deutschen, der Tochter des

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son 16. Juni 1918 eine beachtenswerte Unter¬
redung ihres Mitarbeiters mit dem sogenannten
„Minister für Galizien" von Twardowskn

Eine Lösung der Polnischen Frage konnte
Graf Burian in der knappen, ihm zur Ver-
ügung stehenden Zeit naturgemäß nicht er¬
zielen. Gelegentlich der Wiener Anwesenheit
des Grafen Hertling dürften aber wesentliche
Fortschritte zu gewärtigen sein. Man ist der
Meinung, sagte Minister Twardowski, daß die
polnische Frage noch im Laufe dieses Som¬
mers ihre endgültige Erledigung finden wird.

Und in welcher Form ist diese Lösung
geplant?

Nach meiner Meinung wird Graf Burian
an der anhero-polnischen Lösung festhalten.
In welcher Gestalt diese anhero-polnische
Lösung gedacht wird, steht im einzelnen noch
nicht fest. Der Grundgedanke bleibt jeden¬
falls, daß das ungelenke Galizien nebst dem
ungeteilten Kongreß-Polen im Verbände der
Monarchie unter Habsburgischen Zepter ver¬
einigt werden soll. ^

Was würde eintreten, wenn unerwarteter¬
weise die anhero-Polnische Lösung doch auf¬
gegeben werden würde? Ist in diesem Falle
eine andere Lösung in Vorschlag gebracht
worden?

Darüber ist mir nichts bekannt; doch eines
muß ich betonen, daß, wie immer auch die
Lösung der polnischen Frage ausfallen wird,
sie auf jeden Fall im wesentlichen von den wirt¬
schaftlichen Abmachungen zwischen den Staaten
Mitteleuropas abhängen wird. Der Komplex
der zwischen Deutschlan d und Österreich-Ungarn
zu treffenden wirtschaftlichen Fragen und die
Lösung der Polnischen Frage bilden also auch
zeitlich eine unlösbar verbundene Gruppe.

Welchen Eindruck haben die Polen bei
Ihrem Besuche in Budapest empfangen?

Die historisch bewährten Gefühle der Zu¬
sammengehörigkeit haben sich auch diesmal
nicht verleugnet. Die Polen haben mit größter
Befriedigung gesehen, daß sie auf die Hilfe
der ungarischen Nation zur Erreichung ihrer
politischen Ziele unbedingt rechnen können,
um so mehr, da die Polnischen und ungari¬
schen Interessen parallel laufen.

Unser Gespräch wendete sich der Frage
der angeblichen bevorstehenden Zweiteilung
Galiziens zu. Ich erwähnte, daß man die

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Neugestaltung der inneren Struktur Öster¬
reichs auch in Ungarn mit größtem Interesse
verfolgt. Man sei nämlich dort der Ansicht,
daß die Zweiteilung Galiziens, das heißt
die Schaffung eines an Ungarn grenzenden
ukrainischen Staates und das befürchtete Ent¬
stehen einer ruthonisch-irredentistischen Be¬
wegung das ungarische Stnatswesen alterieren
werde. Das sei ja auch der Grund,, wes<
halb I)r. Welerle gegen eine solche Neuord¬
nung der staatlichen Verhältnisse Einspruch
erhoben hat. Ich fragte Exzellenz Twar¬
dowski, ob dies auch bei dem Besuche der
Polen in Budapest zur Erörterung kam. Der
Minister antwortete bejahend und fügte hinzu,
daß auch in der Frage der Zweiteilung Ga-
liziens die Polnischen Politiker in Budapest
vollste Übereinstimmung mit ihren Ansichten
konstatieren konnten.

Zur Domvrowski-Feier.

Aus Anlaß der
hundertjährigen Wiederkehr des Todestages
des polnischen Generals schreibt „Godzina
Polski" (Lodz), Ur. 152 vom 6. Juni 1918:

„Trotz seines Polnischen Namens und seiner
Polnischen Abstammung war dieser große
polnische Patriot viel mehr ein polonisierter
Deutscher als ein Pole. Bis zum Ende seines
Lebens hat er nicht richtig Polnisch sprechen
gelernt, und er hat in deutscher Sprache eine
Autobiographie für seine Kinder geschrieben,
dieses Kedentbuch einer bedeutenden groß-
polnischen Bewegung. Ein großer Verehrer
der deutschen Poesie, namentlich des edlen
und schwungvollen Dichters Schiller, trennte
er sich nie von seinen Werken, sogar in den
schweren Kampfestagen nicht. In der Schlacht
bei Novi rettete ihm ein Band Schiller das
Leben, da er die Kugel auffing, die die Brust
des Generals getroffen hatte. Am 29. August
1765 in Pierzchowice bei ° Bochnia ge¬
boren, stammte Jan Henryk Dombrowski aus
einer alten Soldatcnfamilie. Sein Großvater
kämpfte mit dem König Sobiesli bei Wien,
sein Vater war sächsischer Offizier. Seine
Mutter war eine Tochter des Oberstleutnants
von Lettow. Er wurde in Sachsen erzogen
und trat in jugendlichem Alter in das
sächsische Heer ein, in dem er zweiundzwanzig
Jahre diente. Er lebte sich völlig in sein
angenommenes Vaterland ein und verheiratete
sich mit einer Deutschen, der Tochter des

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333844/34>, abgerufen am 22.07.2024.