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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr.

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Englands Litt in den Augen der deutschen Klassiker

lebend: selbst die Zeiten ihres Ruhmes, ihre erprobten eigenen Tätigkeiten vergessen
sie, immer gern mögend, nicht vermögend . . ." Das ist der Deutsche als der
Romantiker von Grund aus, immer vom Sehnen gejagt, nie der Erfüllung froh. --
Ähnlich stellt Klinger den Gegensatz der Deutschen zur Lehre auf: "Der Engländer
glaubt, ihn kleide alles, er habe zu allem Recht; er verachtet, was er riethe besitzt
und nicht mehr erwerben kann, tritt keck, auch Wohl bengelhaft auf. Der gut¬
mütige Deutsche will wenigstens zeigen, daß er sein Möglichstes tue, anderen zu
gefallen..."

Den nüchternen Geschäftssinn, der England groß gemacht hat, deckt der
englische Satiriker Swift hundert Jahre vor Herder als den Grund von Eng¬
lands Beteiligung an dem spanischen Erbfolgefriege auf: John Bull, der Tuch¬
händler, als Sinnbild Englands, und Klaas Frog, der Leinwandhändler, als
Sinnbild der damals durch die Person des Regenten mit England verbundenen
Niederlande, fürchten durch den alten Baboon (Ludwig den Vierzehnten von Frank¬
reich) den Absatz ihrer Waren in Spanien zu verlieren. Herders Beurteilung der
englischen Politik geht- von Swift aus. "In Swifts Schriften ist die Stupidität
der Deutschen ausgemacht. -- Wogegen sich denn die Deutschen gutwillig verachten
ließen und am Ende dahin kamen, daß sie nächst Gott dem Herrn kein großmütig¬
reicheres Wesen als einen englischen Lord, kein zarteres Geschöpf als eine Lady
und keinen Engel als in einer englischen Miß erkannten." Damit fertigt Herder
die Deutschen ab, die England nach den Tugendhelden Richardsons beurteilten.
Ihm selber haben die Kriege seiner Zeit die Augen eröffnet, bei denen England
sich nur den Kampf zur See vorbehielt, wo seine Überlegenheit den Erfolg gewiß
machte, während es die verbündeten Landmächte mit Hilfsgeldern abfand: "Eng¬
lands Interesse um den Angelegenheiten des festen Landes, ist es gewöhnlich etwas
anderes als die zärtliche Sorge John Bulls, des Alleinhändlers und Allfabrikanten,
um Einkauf, Gewinn und Absatz, so heilige Namen auch dabei gemißbraucht
werden? Und seitdem er dergleichen blutige Prozesse nicht einmal selbst führen
kann oder mag. und nur solche aufsetzt und erkauft, die sie führen, wie verächt¬
licher ist sein Namel" Man könnte Herders Ahnungsvermögen bewundern, wenn
wir folgende Zeilen ber ihm finden: "Unglücklich wäre es für das feste Europa,
wenn eine Kaufmannsinsel, fast außerhalb Europas oder wenigstens an der west¬
lichen Ecke desselben, dem ganzen Kontinent gebieten, zu ihrem Vorteil Europas
Krieger dingen und ihrem Gewinn cinfopfern könnte! Die Schimpflichste Knecht¬
schaft, vermöge welcher die Völker Europas eine Ware für England, zum Schlacht¬
feld erkaufte Herden für jener Insulaner gewinnsüchtige Weltherrschaft würdenI"
Herder hat noch den Trost, daß die Engländer nicht Europas Schiedsrichter zu
werden brauchen: "Warum dürften sie es werden, wenn ihnen keine erkaufte Land¬
macht dient?" Aber die Macht des Geldes ist unverkennbar, und für Herders
Gemüt ist es drückend, wenn er über die Verbreitung des Christentunis in den
englischen Kolonien sagen muß: "die Engländer lehren und taufen die Völker
durch Geld, um Geld --."

In Ergänzung der allgemeiner gehaltenen Betrachtungen Herders geht
Klinger meist von gegebenen Tatsachen aus. Man kann an das Losungswort der
Engländer zu Anfang unseres Krieges "lZusinesL as usual" denken, wenn Klinger
in den Betrachtungen von 1801/02 schreibt: "In England spricht man jetzt nur
vom Handel; gewisse andere Wörter, die man dort wohl ehemals aussprechen
hörte, sind ganz verschollen. Ich erwarte, daß man das Handelswesen dort bald
als die einzige Glücks- und. Seligkeitslehre auf den Kanzeln predigen wird."
Und doch tobte damals noch der Krieg zwischen England und Frankreich,
der allerdings 1802 durch einen Frieden beendigt wurde. An diese Zeit
haben wir bei folgender Bemerkung zu denken: "Daß der bloße Kaufmanns¬
geist der trugvollste der bösen Geister sei, den die Menschen erschaffen
haben, beweisen uns die Engländer und werden es uns fernerhin zur
völligen und genügsamsten Überzeugung beweisen. Viele sind so gut, sich
den Kopf zu zerbrechen, wie sich wohl die Engländer aus diesem verworrenen


Englands Litt in den Augen der deutschen Klassiker

lebend: selbst die Zeiten ihres Ruhmes, ihre erprobten eigenen Tätigkeiten vergessen
sie, immer gern mögend, nicht vermögend . . ." Das ist der Deutsche als der
Romantiker von Grund aus, immer vom Sehnen gejagt, nie der Erfüllung froh. —
Ähnlich stellt Klinger den Gegensatz der Deutschen zur Lehre auf: „Der Engländer
glaubt, ihn kleide alles, er habe zu allem Recht; er verachtet, was er riethe besitzt
und nicht mehr erwerben kann, tritt keck, auch Wohl bengelhaft auf. Der gut¬
mütige Deutsche will wenigstens zeigen, daß er sein Möglichstes tue, anderen zu
gefallen..."

Den nüchternen Geschäftssinn, der England groß gemacht hat, deckt der
englische Satiriker Swift hundert Jahre vor Herder als den Grund von Eng¬
lands Beteiligung an dem spanischen Erbfolgefriege auf: John Bull, der Tuch¬
händler, als Sinnbild Englands, und Klaas Frog, der Leinwandhändler, als
Sinnbild der damals durch die Person des Regenten mit England verbundenen
Niederlande, fürchten durch den alten Baboon (Ludwig den Vierzehnten von Frank¬
reich) den Absatz ihrer Waren in Spanien zu verlieren. Herders Beurteilung der
englischen Politik geht- von Swift aus. „In Swifts Schriften ist die Stupidität
der Deutschen ausgemacht. — Wogegen sich denn die Deutschen gutwillig verachten
ließen und am Ende dahin kamen, daß sie nächst Gott dem Herrn kein großmütig¬
reicheres Wesen als einen englischen Lord, kein zarteres Geschöpf als eine Lady
und keinen Engel als in einer englischen Miß erkannten." Damit fertigt Herder
die Deutschen ab, die England nach den Tugendhelden Richardsons beurteilten.
Ihm selber haben die Kriege seiner Zeit die Augen eröffnet, bei denen England
sich nur den Kampf zur See vorbehielt, wo seine Überlegenheit den Erfolg gewiß
machte, während es die verbündeten Landmächte mit Hilfsgeldern abfand: „Eng¬
lands Interesse um den Angelegenheiten des festen Landes, ist es gewöhnlich etwas
anderes als die zärtliche Sorge John Bulls, des Alleinhändlers und Allfabrikanten,
um Einkauf, Gewinn und Absatz, so heilige Namen auch dabei gemißbraucht
werden? Und seitdem er dergleichen blutige Prozesse nicht einmal selbst führen
kann oder mag. und nur solche aufsetzt und erkauft, die sie führen, wie verächt¬
licher ist sein Namel" Man könnte Herders Ahnungsvermögen bewundern, wenn
wir folgende Zeilen ber ihm finden: „Unglücklich wäre es für das feste Europa,
wenn eine Kaufmannsinsel, fast außerhalb Europas oder wenigstens an der west¬
lichen Ecke desselben, dem ganzen Kontinent gebieten, zu ihrem Vorteil Europas
Krieger dingen und ihrem Gewinn cinfopfern könnte! Die Schimpflichste Knecht¬
schaft, vermöge welcher die Völker Europas eine Ware für England, zum Schlacht¬
feld erkaufte Herden für jener Insulaner gewinnsüchtige Weltherrschaft würdenI"
Herder hat noch den Trost, daß die Engländer nicht Europas Schiedsrichter zu
werden brauchen: „Warum dürften sie es werden, wenn ihnen keine erkaufte Land¬
macht dient?" Aber die Macht des Geldes ist unverkennbar, und für Herders
Gemüt ist es drückend, wenn er über die Verbreitung des Christentunis in den
englischen Kolonien sagen muß: „die Engländer lehren und taufen die Völker
durch Geld, um Geld —."

In Ergänzung der allgemeiner gehaltenen Betrachtungen Herders geht
Klinger meist von gegebenen Tatsachen aus. Man kann an das Losungswort der
Engländer zu Anfang unseres Krieges „lZusinesL as usual" denken, wenn Klinger
in den Betrachtungen von 1801/02 schreibt: „In England spricht man jetzt nur
vom Handel; gewisse andere Wörter, die man dort wohl ehemals aussprechen
hörte, sind ganz verschollen. Ich erwarte, daß man das Handelswesen dort bald
als die einzige Glücks- und. Seligkeitslehre auf den Kanzeln predigen wird."
Und doch tobte damals noch der Krieg zwischen England und Frankreich,
der allerdings 1802 durch einen Frieden beendigt wurde. An diese Zeit
haben wir bei folgender Bemerkung zu denken: „Daß der bloße Kaufmanns¬
geist der trugvollste der bösen Geister sei, den die Menschen erschaffen
haben, beweisen uns die Engländer und werden es uns fernerhin zur
völligen und genügsamsten Überzeugung beweisen. Viele sind so gut, sich
den Kopf zu zerbrechen, wie sich wohl die Engländer aus diesem verworrenen


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[0213] Englands Litt in den Augen der deutschen Klassiker lebend: selbst die Zeiten ihres Ruhmes, ihre erprobten eigenen Tätigkeiten vergessen sie, immer gern mögend, nicht vermögend . . ." Das ist der Deutsche als der Romantiker von Grund aus, immer vom Sehnen gejagt, nie der Erfüllung froh. — Ähnlich stellt Klinger den Gegensatz der Deutschen zur Lehre auf: „Der Engländer glaubt, ihn kleide alles, er habe zu allem Recht; er verachtet, was er riethe besitzt und nicht mehr erwerben kann, tritt keck, auch Wohl bengelhaft auf. Der gut¬ mütige Deutsche will wenigstens zeigen, daß er sein Möglichstes tue, anderen zu gefallen..." Den nüchternen Geschäftssinn, der England groß gemacht hat, deckt der englische Satiriker Swift hundert Jahre vor Herder als den Grund von Eng¬ lands Beteiligung an dem spanischen Erbfolgefriege auf: John Bull, der Tuch¬ händler, als Sinnbild Englands, und Klaas Frog, der Leinwandhändler, als Sinnbild der damals durch die Person des Regenten mit England verbundenen Niederlande, fürchten durch den alten Baboon (Ludwig den Vierzehnten von Frank¬ reich) den Absatz ihrer Waren in Spanien zu verlieren. Herders Beurteilung der englischen Politik geht- von Swift aus. „In Swifts Schriften ist die Stupidität der Deutschen ausgemacht. — Wogegen sich denn die Deutschen gutwillig verachten ließen und am Ende dahin kamen, daß sie nächst Gott dem Herrn kein großmütig¬ reicheres Wesen als einen englischen Lord, kein zarteres Geschöpf als eine Lady und keinen Engel als in einer englischen Miß erkannten." Damit fertigt Herder die Deutschen ab, die England nach den Tugendhelden Richardsons beurteilten. Ihm selber haben die Kriege seiner Zeit die Augen eröffnet, bei denen England sich nur den Kampf zur See vorbehielt, wo seine Überlegenheit den Erfolg gewiß machte, während es die verbündeten Landmächte mit Hilfsgeldern abfand: „Eng¬ lands Interesse um den Angelegenheiten des festen Landes, ist es gewöhnlich etwas anderes als die zärtliche Sorge John Bulls, des Alleinhändlers und Allfabrikanten, um Einkauf, Gewinn und Absatz, so heilige Namen auch dabei gemißbraucht werden? Und seitdem er dergleichen blutige Prozesse nicht einmal selbst führen kann oder mag. und nur solche aufsetzt und erkauft, die sie führen, wie verächt¬ licher ist sein Namel" Man könnte Herders Ahnungsvermögen bewundern, wenn wir folgende Zeilen ber ihm finden: „Unglücklich wäre es für das feste Europa, wenn eine Kaufmannsinsel, fast außerhalb Europas oder wenigstens an der west¬ lichen Ecke desselben, dem ganzen Kontinent gebieten, zu ihrem Vorteil Europas Krieger dingen und ihrem Gewinn cinfopfern könnte! Die Schimpflichste Knecht¬ schaft, vermöge welcher die Völker Europas eine Ware für England, zum Schlacht¬ feld erkaufte Herden für jener Insulaner gewinnsüchtige Weltherrschaft würdenI" Herder hat noch den Trost, daß die Engländer nicht Europas Schiedsrichter zu werden brauchen: „Warum dürften sie es werden, wenn ihnen keine erkaufte Land¬ macht dient?" Aber die Macht des Geldes ist unverkennbar, und für Herders Gemüt ist es drückend, wenn er über die Verbreitung des Christentunis in den englischen Kolonien sagen muß: „die Engländer lehren und taufen die Völker durch Geld, um Geld —." In Ergänzung der allgemeiner gehaltenen Betrachtungen Herders geht Klinger meist von gegebenen Tatsachen aus. Man kann an das Losungswort der Engländer zu Anfang unseres Krieges „lZusinesL as usual" denken, wenn Klinger in den Betrachtungen von 1801/02 schreibt: „In England spricht man jetzt nur vom Handel; gewisse andere Wörter, die man dort wohl ehemals aussprechen hörte, sind ganz verschollen. Ich erwarte, daß man das Handelswesen dort bald als die einzige Glücks- und. Seligkeitslehre auf den Kanzeln predigen wird." Und doch tobte damals noch der Krieg zwischen England und Frankreich, der allerdings 1802 durch einen Frieden beendigt wurde. An diese Zeit haben wir bei folgender Bemerkung zu denken: „Daß der bloße Kaufmanns¬ geist der trugvollste der bösen Geister sei, den die Menschen erschaffen haben, beweisen uns die Engländer und werden es uns fernerhin zur völligen und genügsamsten Überzeugung beweisen. Viele sind so gut, sich den Kopf zu zerbrechen, wie sich wohl die Engländer aus diesem verworrenen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333844/213>, abgerufen am 29.06.2024.