Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr.Staatssozialismus und kein Lüde welcher die Preise künstlich zu drücken sucht, statt das Verhältnis Mischen Bedarf Die Kriegsgesellschaften sind unerfreuliche Erzeugnisse der Not unserer Zeit. Die kriegswirtschaftlichen Organisationen sollen im Frieden nicht aufrecht Der Staatsminister Helfferich rief in einem Vortrag aus: "Freiheit im Und dem Allen steht gegenüber der kaltblütige Verfechter des plutokratischen Weltfremd und inkonsequent I In seinem vortrefflichen Buche "Vom Aktien¬ Staatssozialismus und kein Lüde welcher die Preise künstlich zu drücken sucht, statt das Verhältnis Mischen Bedarf Die Kriegsgesellschaften sind unerfreuliche Erzeugnisse der Not unserer Zeit. Die kriegswirtschaftlichen Organisationen sollen im Frieden nicht aufrecht Der Staatsminister Helfferich rief in einem Vortrag aus: „Freiheit im Und dem Allen steht gegenüber der kaltblütige Verfechter des plutokratischen Weltfremd und inkonsequent I In seinem vortrefflichen Buche „Vom Aktien¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0178" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/334023"/> <fw type="header" place="top"> Staatssozialismus und kein Lüde</fw><lb/> <p xml:id="ID_691" prev="#ID_690"> welcher die Preise künstlich zu drücken sucht, statt das Verhältnis Mischen Bedarf<lb/> und Vorrat günstiger zu gestalten, ist genau in demselben Sinne Quacksalber,<lb/> wie ein Arzt, welcher heilsame kritische Ausscheidungen mit roher Gewalt zurück¬<lb/> drängt. Insgemein wird selbst der nächste Zweck, Erniedrigung der Preise, durch<lb/> solche Maßregeln vollständig verfehlt, um grellsten beim sogenannten Maximum.<lb/> «setzt die Regierung vorsichtshalber diesen Preis höher an, als den laufenden<lb/> Marktpreis, so pflegt der letztere sofort bis zur Grenze des Erlaubten emporzu¬<lb/> schnellen. Ist aber das Maximum darauf berechnet, die Preise schon jetzt herab¬<lb/> zudrücken, so halten sich alle Kornbesitzer möglichst vom Markte zurück. Nun<lb/> werden neue Gesetze nötig, daß niemand Vorräte halten darf usw., und ein<lb/> Schreckens-System von Inquisitionen und Strafen, um sie durchzuführen. Gleich¬<lb/> wohl ist man doch jederzeit außerstande, der vielen Privaten, die nur ihr Eigen¬<lb/> tum schützen wollen, Herr zu wer.den. Die Märkte bleiben leer. Die meisten<lb/> Korngeschäfte werden heimlich abgeschlossen zu dem höheren natürlichen Preise,<lb/> welcher nun aber noch durch die Assekuranz-Prämie für den Fall der Entdeckung<lb/> und Bestrafung gesteigert wird,"</p><lb/> <p xml:id="ID_692"> Die Kriegsgesellschaften sind unerfreuliche Erzeugnisse der Not unserer Zeit.<lb/> Wann werden wir sie wieder los werden? An Tröstungen und Vertröstungen<lb/> fehlt es wahrlich nicht.</p><lb/> <p xml:id="ID_693"> Die kriegswirtschaftlichen Organisationen sollen im Frieden nicht aufrecht<lb/> erhalten werden aus Kosten der Freiheit und Selbständigkeit der einzelnen. Nichts<lb/> soll verewigt werden von dein, was als Kriegsnotwendigkeit beschaffen wurde. Die<lb/> wertvollste Grundlage unseres wirtschaftlichen Lebens, die Bewegungsfreiheit, und<lb/> Jninative der Person soll im Staatssozialismus nicht untergehen. Nur eine Über¬<lb/> gangszeit soll stattfinden, abgekürzt durch die Mitwirkung von Handel und In¬<lb/> dustrie. So verkündete Vizekanzler von Payer als Willen der Reichsleitung.<lb/> Und der Staatssekretär von Stein bezeichnete es als vornehmste Aufgabe der<lb/> Regierung, das deutsche Wirtschaftsleben aus der ihm vom Kriege aufgezwungenen.<lb/> Gebundenheit zu der Bewegungsfreiheit zurückzuführen, die notwendig sei, damit<lb/> die deutsche Wirtschaft und das Deutsche Reich vie frühere Kraft wieder erhielten.<lb/> Ähnlich äußerte sich der preußische Handelsminister Sydow. Nach ihm macht die<lb/> Zuriickumstellung unserer Industrie aus die Friedensarbeit die äußerste Anspannung<lb/> aller vorhandenen Kräfte nötig. Der individuellen Tüchtigkeit und dem persön¬<lb/> lichen Verantwortlichkeitsgefühl müsse freie Bahn geschaffen werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_694"> Der Staatsminister Helfferich rief in einem Vortrag aus: „Freiheit im<lb/> Innern und Freiheit nach außen, in diesem Zeichen wird die deutsche Volkswirt-<lb/> schaft die gewaltigen Schäden des Krieges überwinden und zu neuer Blüte ge¬<lb/> deihen". Als Staatssekretär hat Helfferich einmal im Hauptausschuß des Reichs¬<lb/> tages erklärt, wenn man den privaten Unternehmungsgeist totschlage, so werde<lb/> der Verlust größer sein als die organisatorischen Vorteile. Batocki schrieb einst,<lb/> als er noch Lebensmitteldiktator war: „Es ist völlig unmöglich, daß ein von fest-<lb/> besoldetcn, ohne Privatinteresse arbeitenden und zum großen Teil nicht waren-<lb/> und geschäftskundigen Beamten geleiteter auf völlig neuer, im Frieden in keiner<lb/> Weise vorbereiteter Grundlage errichteter öffentlicher Riesenbetrieb auch nur an¬<lb/> nähernd so billig und mit so wenig Reibungen und Verlusten arbeiten kann, wie<lb/> der seit Jahrhunderten bis ins kleinste ausgebildete, auf die Ausnutzung der<lb/> kleinsten Vorteile und die Vermeidung der kleinsten vermeidbaren Verluste ange¬<lb/> wiesene freie Handel."</p><lb/> <p xml:id="ID_695"> Und dem Allen steht gegenüber der kaltblütige Verfechter des plutokratischen<lb/> Sozialismus und rücksichtslose Vertilger des Mittelstandes, der mit Mechanisierung<lb/> und Typisierung von Handel und Industrie, ohne es zu wissen, demselben Ziele<lb/> zustrebt wie Taylor mit seinem ebenso geistreichen wie verruchten System der<lb/> Ausbeutung menschlicher Nerven- und Muskelkraft, der — trotz allem und allem —<lb/> weltfremde Walther Rathenau.</p><lb/> <p xml:id="ID_696" next="#ID_697"> Weltfremd und inkonsequent I In seinem vortrefflichen Buche „Vom Aktien¬<lb/> wesen" bricht Rathenau eine Lanze für das Recht der Verwaltung von Aktien-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0178]
Staatssozialismus und kein Lüde
welcher die Preise künstlich zu drücken sucht, statt das Verhältnis Mischen Bedarf
und Vorrat günstiger zu gestalten, ist genau in demselben Sinne Quacksalber,
wie ein Arzt, welcher heilsame kritische Ausscheidungen mit roher Gewalt zurück¬
drängt. Insgemein wird selbst der nächste Zweck, Erniedrigung der Preise, durch
solche Maßregeln vollständig verfehlt, um grellsten beim sogenannten Maximum.
«setzt die Regierung vorsichtshalber diesen Preis höher an, als den laufenden
Marktpreis, so pflegt der letztere sofort bis zur Grenze des Erlaubten emporzu¬
schnellen. Ist aber das Maximum darauf berechnet, die Preise schon jetzt herab¬
zudrücken, so halten sich alle Kornbesitzer möglichst vom Markte zurück. Nun
werden neue Gesetze nötig, daß niemand Vorräte halten darf usw., und ein
Schreckens-System von Inquisitionen und Strafen, um sie durchzuführen. Gleich¬
wohl ist man doch jederzeit außerstande, der vielen Privaten, die nur ihr Eigen¬
tum schützen wollen, Herr zu wer.den. Die Märkte bleiben leer. Die meisten
Korngeschäfte werden heimlich abgeschlossen zu dem höheren natürlichen Preise,
welcher nun aber noch durch die Assekuranz-Prämie für den Fall der Entdeckung
und Bestrafung gesteigert wird,"
Die Kriegsgesellschaften sind unerfreuliche Erzeugnisse der Not unserer Zeit.
Wann werden wir sie wieder los werden? An Tröstungen und Vertröstungen
fehlt es wahrlich nicht.
Die kriegswirtschaftlichen Organisationen sollen im Frieden nicht aufrecht
erhalten werden aus Kosten der Freiheit und Selbständigkeit der einzelnen. Nichts
soll verewigt werden von dein, was als Kriegsnotwendigkeit beschaffen wurde. Die
wertvollste Grundlage unseres wirtschaftlichen Lebens, die Bewegungsfreiheit, und
Jninative der Person soll im Staatssozialismus nicht untergehen. Nur eine Über¬
gangszeit soll stattfinden, abgekürzt durch die Mitwirkung von Handel und In¬
dustrie. So verkündete Vizekanzler von Payer als Willen der Reichsleitung.
Und der Staatssekretär von Stein bezeichnete es als vornehmste Aufgabe der
Regierung, das deutsche Wirtschaftsleben aus der ihm vom Kriege aufgezwungenen.
Gebundenheit zu der Bewegungsfreiheit zurückzuführen, die notwendig sei, damit
die deutsche Wirtschaft und das Deutsche Reich vie frühere Kraft wieder erhielten.
Ähnlich äußerte sich der preußische Handelsminister Sydow. Nach ihm macht die
Zuriickumstellung unserer Industrie aus die Friedensarbeit die äußerste Anspannung
aller vorhandenen Kräfte nötig. Der individuellen Tüchtigkeit und dem persön¬
lichen Verantwortlichkeitsgefühl müsse freie Bahn geschaffen werden.
Der Staatsminister Helfferich rief in einem Vortrag aus: „Freiheit im
Innern und Freiheit nach außen, in diesem Zeichen wird die deutsche Volkswirt-
schaft die gewaltigen Schäden des Krieges überwinden und zu neuer Blüte ge¬
deihen". Als Staatssekretär hat Helfferich einmal im Hauptausschuß des Reichs¬
tages erklärt, wenn man den privaten Unternehmungsgeist totschlage, so werde
der Verlust größer sein als die organisatorischen Vorteile. Batocki schrieb einst,
als er noch Lebensmitteldiktator war: „Es ist völlig unmöglich, daß ein von fest-
besoldetcn, ohne Privatinteresse arbeitenden und zum großen Teil nicht waren-
und geschäftskundigen Beamten geleiteter auf völlig neuer, im Frieden in keiner
Weise vorbereiteter Grundlage errichteter öffentlicher Riesenbetrieb auch nur an¬
nähernd so billig und mit so wenig Reibungen und Verlusten arbeiten kann, wie
der seit Jahrhunderten bis ins kleinste ausgebildete, auf die Ausnutzung der
kleinsten Vorteile und die Vermeidung der kleinsten vermeidbaren Verluste ange¬
wiesene freie Handel."
Und dem Allen steht gegenüber der kaltblütige Verfechter des plutokratischen
Sozialismus und rücksichtslose Vertilger des Mittelstandes, der mit Mechanisierung
und Typisierung von Handel und Industrie, ohne es zu wissen, demselben Ziele
zustrebt wie Taylor mit seinem ebenso geistreichen wie verruchten System der
Ausbeutung menschlicher Nerven- und Muskelkraft, der — trotz allem und allem —
weltfremde Walther Rathenau.
Weltfremd und inkonsequent I In seinem vortrefflichen Buche „Vom Aktien¬
wesen" bricht Rathenau eine Lanze für das Recht der Verwaltung von Aktien-
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