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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr.

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Schwankendes im Baltikum

Kampf reizbar gewordenen Nationalgefühl Partei sind, und daß daher auch hier
das alte Rechtswort gilt: "Eines Mannes Rede ist keine Rede, man muß sie
hören alle beide." Man wird, da wir auch nur schwache Sterbliche mit Neigungen
und Leidenschaften sind, uns billig zuerkennen, daß alles Schwere und Leidvolle,
die Morde und Verheerungen 1903/6 und die haßerfüllte Gesinnung weiter Kreise,
die in der Kerenski-Zeit und vollends der Bolschewikiepisode ihre Orgien feierte,
es uns bitterschwer machen müssen, in kühler Objektivität an die Prüfung der
Streitfragen zu gehen. Aber der ehrliche Wunsch, das aufrichtige Bestreben hinter
das Vergangene einen Strich zu machen, das Alte vergeben und versunken sein
zu lassen, der ist trotz cilledem in den deutschen politisch orientierten Kreisen
einmütig vorhanden. Natürlich heißt das nicht, daß wir vergessen, was gewesen
ist -- das läßt sich nicht vorschreiben,, wäre auch töricht, denn das hieße einen
Teil unserer Geschichte vergessen. Und auch aus ihr haben wir zu lernen I

Unseren deutschen Befreiern ist die Grundstimmung der deutsch-baltischen
Zukunftsgedanken kein Geheimnis. Mögen im einzelnen unter uns auch Ab-
schattierungen bestehen, die sich aber nur gezwungen unter die Schlagworte "kon¬
servativ" und "liberal" fassen lassen, in einem stimmen wir zusammen: das neue
baltische Staatswesen muß in seinem Wesen und seiner Form ein deutsches sein.
Deutsche Kultur muß ihr wie einst vor der gewaltsamen Russifizierur.g ihren
Stempel aufdrücken. Nur unter solcher Voraussetzung hat ja auch die preußische
Personalunion und die feste Angliederung an das Deutsche Reich einen inneren
Sinn und eine politische Berechtigung. Denn einen Fremdkörper, den nationale
Zwieträchten und Kämpfe durchioben, wie Böhmen und andere österreichische
Lande, sich anzugliedern, hat Deutschland wahrlich kein Interesse. Wir baltischen
Deutschen aber, deren Kampf so warme Sympathien gehabt hat und deren
nationales Durchhalten in schwerer Zeit, wie das der Vizekanzler von Payer aus¬
drücklich anerkannt hat, eines der Momente gewesen ist, die zum Eingreifen
Deutschlands, zur Angliederungspolitik geführt haben, wir baltischen Deutschen
wären schmerzlich berührt, wenn die Zukunft uns wieder unabsehbare Kämpfe um
unser nationales Dasein bringen würde. Daß diese nicht mit einem Schlage
aufhören werden, das ist natürlich selbstverständlich, aber man muß sie abhauen,
sie abebben lassen. Wenn wir Ballen wissen, daß eine feste, zielbewußte deutsche
Politik uns in der Übergangszeit schützt, wir an ihr Anlehnung finden, dann
werden wir einerseits unsere nationale Kraft weiter stählen, die Aufgaben, die
uns namentlich in der Erhaltung deutschen Grundbesitzes zufallen, besser erfüllen
können, andererseits aber auch weit bereitwilliger Letten und Ehlen Zugeständnisse
machen können,^ die auch ihnen die Übergangszeit erleichtern. Die Losung für
uns ist in dem Artikel der "Dorpater Zeitung" Ur. 54 zum Ausdruck gebracht:
Völlige Gleichheit bei der Berücksichtigung in der Ausstellung im Lande, unab¬
hängig von der Nationalität für olle die,' die sichoffen und ehrlich auf den Boden
eines deutschen Altlivland stellen -- aber keine bedingungslose Gleichheit der
Sprachen, unter denen doch nur eine und zwar die deutsche, die Staatssprache
sein kann, während dem Lettischen und Estnischen gewiß nach Maßgabe und dring¬
licher Notwendigkeit in Volksschule und Gericht, insbesondere während der Über¬
gangszeit, weitgehendere Zugeständnisse gemacht werden können und sollen.

Das ist die deutsch-baltische Anschauung von der Parität. Wie sie im ein¬
zelnen zu regeln wäre, wenn man aus einem "Provisorium" zu einem Defini-
tionen überzugehen hätte, sind Fragen der gewiß auch zu erzielenden Verstän¬
digung. Wir Deutschen sind bereit, zumal die Verarmung des Landes auch
zur Haushaltung mit unseren Mitteln zwingt, jede Überstürzung zu vermeiden.
Aber die Grundlage muß unverrückt bleiben. Estnische und lettische Gymnasien
und Realschulen mit staatlichen Rechten sind für uns ebenso indiskutable Dinge
wie eine Universität oder ein Polytechnikum mit parallelen deutsch-lettischen und
chemischen Professuren. Abgesehen von der tatsächlichen Unmöglichkeit, sie zu finden
und die Lehrbücher zu schaffen, weisen wir den Gedanken einer solchen Parität
grundsätzlich von uns, weil er die große deutsche Wsltkultur in eine Reihe mit


Schwankendes im Baltikum

Kampf reizbar gewordenen Nationalgefühl Partei sind, und daß daher auch hier
das alte Rechtswort gilt: „Eines Mannes Rede ist keine Rede, man muß sie
hören alle beide." Man wird, da wir auch nur schwache Sterbliche mit Neigungen
und Leidenschaften sind, uns billig zuerkennen, daß alles Schwere und Leidvolle,
die Morde und Verheerungen 1903/6 und die haßerfüllte Gesinnung weiter Kreise,
die in der Kerenski-Zeit und vollends der Bolschewikiepisode ihre Orgien feierte,
es uns bitterschwer machen müssen, in kühler Objektivität an die Prüfung der
Streitfragen zu gehen. Aber der ehrliche Wunsch, das aufrichtige Bestreben hinter
das Vergangene einen Strich zu machen, das Alte vergeben und versunken sein
zu lassen, der ist trotz cilledem in den deutschen politisch orientierten Kreisen
einmütig vorhanden. Natürlich heißt das nicht, daß wir vergessen, was gewesen
ist — das läßt sich nicht vorschreiben,, wäre auch töricht, denn das hieße einen
Teil unserer Geschichte vergessen. Und auch aus ihr haben wir zu lernen I

Unseren deutschen Befreiern ist die Grundstimmung der deutsch-baltischen
Zukunftsgedanken kein Geheimnis. Mögen im einzelnen unter uns auch Ab-
schattierungen bestehen, die sich aber nur gezwungen unter die Schlagworte „kon¬
servativ" und „liberal" fassen lassen, in einem stimmen wir zusammen: das neue
baltische Staatswesen muß in seinem Wesen und seiner Form ein deutsches sein.
Deutsche Kultur muß ihr wie einst vor der gewaltsamen Russifizierur.g ihren
Stempel aufdrücken. Nur unter solcher Voraussetzung hat ja auch die preußische
Personalunion und die feste Angliederung an das Deutsche Reich einen inneren
Sinn und eine politische Berechtigung. Denn einen Fremdkörper, den nationale
Zwieträchten und Kämpfe durchioben, wie Böhmen und andere österreichische
Lande, sich anzugliedern, hat Deutschland wahrlich kein Interesse. Wir baltischen
Deutschen aber, deren Kampf so warme Sympathien gehabt hat und deren
nationales Durchhalten in schwerer Zeit, wie das der Vizekanzler von Payer aus¬
drücklich anerkannt hat, eines der Momente gewesen ist, die zum Eingreifen
Deutschlands, zur Angliederungspolitik geführt haben, wir baltischen Deutschen
wären schmerzlich berührt, wenn die Zukunft uns wieder unabsehbare Kämpfe um
unser nationales Dasein bringen würde. Daß diese nicht mit einem Schlage
aufhören werden, das ist natürlich selbstverständlich, aber man muß sie abhauen,
sie abebben lassen. Wenn wir Ballen wissen, daß eine feste, zielbewußte deutsche
Politik uns in der Übergangszeit schützt, wir an ihr Anlehnung finden, dann
werden wir einerseits unsere nationale Kraft weiter stählen, die Aufgaben, die
uns namentlich in der Erhaltung deutschen Grundbesitzes zufallen, besser erfüllen
können, andererseits aber auch weit bereitwilliger Letten und Ehlen Zugeständnisse
machen können,^ die auch ihnen die Übergangszeit erleichtern. Die Losung für
uns ist in dem Artikel der „Dorpater Zeitung" Ur. 54 zum Ausdruck gebracht:
Völlige Gleichheit bei der Berücksichtigung in der Ausstellung im Lande, unab¬
hängig von der Nationalität für olle die,' die sichoffen und ehrlich auf den Boden
eines deutschen Altlivland stellen — aber keine bedingungslose Gleichheit der
Sprachen, unter denen doch nur eine und zwar die deutsche, die Staatssprache
sein kann, während dem Lettischen und Estnischen gewiß nach Maßgabe und dring¬
licher Notwendigkeit in Volksschule und Gericht, insbesondere während der Über¬
gangszeit, weitgehendere Zugeständnisse gemacht werden können und sollen.

Das ist die deutsch-baltische Anschauung von der Parität. Wie sie im ein¬
zelnen zu regeln wäre, wenn man aus einem „Provisorium" zu einem Defini-
tionen überzugehen hätte, sind Fragen der gewiß auch zu erzielenden Verstän¬
digung. Wir Deutschen sind bereit, zumal die Verarmung des Landes auch
zur Haushaltung mit unseren Mitteln zwingt, jede Überstürzung zu vermeiden.
Aber die Grundlage muß unverrückt bleiben. Estnische und lettische Gymnasien
und Realschulen mit staatlichen Rechten sind für uns ebenso indiskutable Dinge
wie eine Universität oder ein Polytechnikum mit parallelen deutsch-lettischen und
chemischen Professuren. Abgesehen von der tatsächlichen Unmöglichkeit, sie zu finden
und die Lehrbücher zu schaffen, weisen wir den Gedanken einer solchen Parität
grundsätzlich von uns, weil er die große deutsche Wsltkultur in eine Reihe mit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333844/146>, abgerufen am 22.07.2024.