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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr.

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Verden und verbalformen der vogtländischen Mundart

sie zum Militär "eirucken", so ist die Herrlichkeit einstweilen aus. Beim Scheiden
"reiszts" die Dorfschönen tüchtig "rum" und "setzen" sie's tüchtig "nei". Sie
"zupfen" Blumen und "pflöcken" Früchte für die Abschiedsstunde.

Am Gründonnerstag schlagen die vogtländischen Kinder die gesottenen Eier
mit den Spitzen zusammen; sie wollen sehen, wer im Zweikampf Sieger wird;
sie "pecker" sie zusammen. -- Und auf dem Felde pente der Bauer-, er lockert mit
kurzen Hackenschlägen das Unkraut. Ehret er mit der Egge, der Ellen, die Acker¬
erde, so "schlichtet" er. Im Sommer "sammt" (erntet), im Herbst "klaut" er,
zündet er draußen ein Feuer an, das "Kartoffelkräutrich" zu verbrennen. In der
heißen Jahreszeit sagete (greift) es zuweilen."

Im oberen Vogelart ist die Weberei zu Hause. Die "Kette, der Zettel,
wird auf dem Weberbaum aufgelegt, wird "aufgebäumt". Ist das Stück Ware
fertig, bindetS der Weber in ein Tuch, nimmt das "Bündel" auf den "Buckel",
"buntes aus", und liefert (trägt haamm). (Auch die Mutter macht Huckepack; sie
"dunkeles" müde Amt auf.) Vor dem Liesern wandelt den Weder oft eine mensch¬
liche Schwäche an, gegen die auch andere Stände einen acht vergeblichen Kampf
führen, er "netzt". So ein Sünderl Werden die Fäden am "Schweifrahmen"
zur Kette vereinigt, so nennt das der Fachmann "schweifen", "scheren". Beim
Spulen passiert's leicht, daß der Faden auf einen Abweg gerät, statt auf die
Spule auf die Spindel läuft, daß er "eischlaudert".'

Auch im Vogtlande gingen die Handwerker zu den Leuten ins Haus, wies
uns Rosegger von der Steiermark erzählt: sie gingen auf die Seer. Noch gut ist
mir der alte Weber bei unserem Nachbar im Gedächtnis, wie er das Garn
zu Leinewand gewebt hat. Zu dem Zweck wurde eigens der Webstuhl in der
niedrigen Bauernstube aufgeschlagen. Und noch sehe ich die Frucht seines nimmer-
müden Schaffens, ein Stück grauer, robuster Leinwand, an vier Pflöcken auf die
Wiese gebannt, wo nun fast alle vier Elemente, Feuer, Wasser, Luft und Erde,
ihre Künste an ihm versuchten. Ströme von Waffer aus der "Sprengstitz" mußte
es über sich ergehen lassen; dieses und die sengenden Strahlen der Hochsommer¬
sonne (Feuer I) bewirkten mit der Zeit, daß das Linnen von seinen feineren
Schwestern doch nicht zu sehr abstach. -- Einen seltenen Ausdruck hörte ich mal
im bayerischen Vogelart. Auf meine Frage nach dem Vater wurde mir im Gast¬
haus die Antwort: "Mein Vater geht aufs Geil" ist beim Einkauf von Vieh,
heißt das.

Ein ander Bild! Da mahnt der Gläubiger den Schuldner an Bezahlung,
er "aascht" ihn. Nicht jedermanns Sache! Ärgerlich wirft der ihm die Summe
hin, "pletzt" sie hin, "muckt" wohl auch noch auf, daß dieser nicht denke, er dürfe
sich nicht "mucksen". Die beiden sind nun auseinander, "flattieren" nicht mehr,
sind nicht mehr "kontent". Der Gläubiger wäre "nei's Amt" (aufs Gericht) ge¬
gangen, wenn er sein Geld nicht bekommen hätte.
"

Beim Kegeln spielen die "Kegelürüder nicht noch eine Partie, sie "machen
noch a Burt". An einem von ihnen ist, wie iiZura -- ein Bäuchlein -- zeigt,
der Krieg spurlos vorübergegangen, er "perzt" es stolz heraus. Zudem spielt --
"dahit" -- er gern mit seiner goldenen Uhrk"ete.
"

Wirft das Kleintier Junge, so "heckt es; sterben sie wieder, so sind sie
"verreckt". Da ruft wohl auch eine nicht gerade zart besaitete Mutter ihrem
Sprößling, über den sie sich gewaltig geärgert hat, zu: "Du Sauhund, wenn du
doch domols (wie er krank war) verreckt Werst!"

Und nun noch einiges über Verbalformen I
'"

"Heut hätt zur die letzte Schul! hörte ich einen Knirps -- am letzten
Schultag vor den Sommerferien im Vorgefühl kommender schöner Zeiten --
ausrufen, und welcher Magister möchte ihn darob tadeln? -- und eine Lands¬
männin sprach das tiefsinnige Wort: "Jtze tot leed miech a weng ins Holz -- nicht
in den Wald! -- leeng un a weng schlosn!" Eine Mutter erzählte der Nachbarin:
"Die Kinner han a weng die Fleck -- d. i. die Masern -- ghatten". -- Das
Perfekt von bellen heißt "gebilln", von anzünden "agezunden", von rufen "ge-


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Verden und verbalformen der vogtländischen Mundart

sie zum Militär „eirucken", so ist die Herrlichkeit einstweilen aus. Beim Scheiden
„reiszts" die Dorfschönen tüchtig „rum" und „setzen" sie's tüchtig „nei". Sie
„zupfen" Blumen und „pflöcken" Früchte für die Abschiedsstunde.

Am Gründonnerstag schlagen die vogtländischen Kinder die gesottenen Eier
mit den Spitzen zusammen; sie wollen sehen, wer im Zweikampf Sieger wird;
sie „pecker" sie zusammen. — Und auf dem Felde pente der Bauer-, er lockert mit
kurzen Hackenschlägen das Unkraut. Ehret er mit der Egge, der Ellen, die Acker¬
erde, so „schlichtet" er. Im Sommer „sammt" (erntet), im Herbst „klaut" er,
zündet er draußen ein Feuer an, das „Kartoffelkräutrich" zu verbrennen. In der
heißen Jahreszeit sagete (greift) es zuweilen."

Im oberen Vogelart ist die Weberei zu Hause. Die „Kette, der Zettel,
wird auf dem Weberbaum aufgelegt, wird „aufgebäumt". Ist das Stück Ware
fertig, bindetS der Weber in ein Tuch, nimmt das „Bündel" auf den „Buckel",
„buntes aus", und liefert (trägt haamm). (Auch die Mutter macht Huckepack; sie
„dunkeles" müde Amt auf.) Vor dem Liesern wandelt den Weder oft eine mensch¬
liche Schwäche an, gegen die auch andere Stände einen acht vergeblichen Kampf
führen, er „netzt". So ein Sünderl Werden die Fäden am „Schweifrahmen"
zur Kette vereinigt, so nennt das der Fachmann „schweifen", „scheren". Beim
Spulen passiert's leicht, daß der Faden auf einen Abweg gerät, statt auf die
Spule auf die Spindel läuft, daß er „eischlaudert".'

Auch im Vogtlande gingen die Handwerker zu den Leuten ins Haus, wies
uns Rosegger von der Steiermark erzählt: sie gingen auf die Seer. Noch gut ist
mir der alte Weber bei unserem Nachbar im Gedächtnis, wie er das Garn
zu Leinewand gewebt hat. Zu dem Zweck wurde eigens der Webstuhl in der
niedrigen Bauernstube aufgeschlagen. Und noch sehe ich die Frucht seines nimmer-
müden Schaffens, ein Stück grauer, robuster Leinwand, an vier Pflöcken auf die
Wiese gebannt, wo nun fast alle vier Elemente, Feuer, Wasser, Luft und Erde,
ihre Künste an ihm versuchten. Ströme von Waffer aus der „Sprengstitz" mußte
es über sich ergehen lassen; dieses und die sengenden Strahlen der Hochsommer¬
sonne (Feuer I) bewirkten mit der Zeit, daß das Linnen von seinen feineren
Schwestern doch nicht zu sehr abstach. — Einen seltenen Ausdruck hörte ich mal
im bayerischen Vogelart. Auf meine Frage nach dem Vater wurde mir im Gast¬
haus die Antwort: „Mein Vater geht aufs Geil" ist beim Einkauf von Vieh,
heißt das.

Ein ander Bild! Da mahnt der Gläubiger den Schuldner an Bezahlung,
er „aascht" ihn. Nicht jedermanns Sache! Ärgerlich wirft der ihm die Summe
hin, „pletzt" sie hin, „muckt" wohl auch noch auf, daß dieser nicht denke, er dürfe
sich nicht „mucksen". Die beiden sind nun auseinander, „flattieren" nicht mehr,
sind nicht mehr „kontent". Der Gläubiger wäre „nei's Amt" (aufs Gericht) ge¬
gangen, wenn er sein Geld nicht bekommen hätte.
"

Beim Kegeln spielen die „Kegelürüder nicht noch eine Partie, sie „machen
noch a Burt". An einem von ihnen ist, wie iiZura — ein Bäuchlein — zeigt,
der Krieg spurlos vorübergegangen, er „perzt" es stolz heraus. Zudem spielt —
„dahit" — er gern mit seiner goldenen Uhrk»ete.
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Wirft das Kleintier Junge, so „heckt es; sterben sie wieder, so sind sie
„verreckt". Da ruft wohl auch eine nicht gerade zart besaitete Mutter ihrem
Sprößling, über den sie sich gewaltig geärgert hat, zu: „Du Sauhund, wenn du
doch domols (wie er krank war) verreckt Werst!"

Und nun noch einiges über Verbalformen I
'"

„Heut hätt zur die letzte Schul! hörte ich einen Knirps — am letzten
Schultag vor den Sommerferien im Vorgefühl kommender schöner Zeiten —
ausrufen, und welcher Magister möchte ihn darob tadeln? — und eine Lands¬
männin sprach das tiefsinnige Wort: „Jtze tot leed miech a weng ins Holz — nicht
in den Wald! — leeng un a weng schlosn!" Eine Mutter erzählte der Nachbarin:
„Die Kinner han a weng die Fleck — d. i. die Masern — ghatten". — Das
Perfekt von bellen heißt „gebilln", von anzünden „agezunden", von rufen „ge-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333844/135>, abgerufen am 25.08.2024.