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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr.

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parallelen äußerer und innerer Politik

Professor Troeltsch von der Berliner Universität, von dein die "Antivater-
landspartei", der Volksbund für Freiheit und Vaterland seinerzeit das Geleitwort
ins politische Leben empfing, redet nunmehr in den "Münchener Neuesten Nach"
richten" von "Verschiebungen der inneren Front"; die Verständigung könne nicht
mehr nach den Grundsätzen der Papstnote und der Neichstagsresvlulion begründet
werden. Der Gedanke an Entschädigungen und an Sicherungen werde unter ge¬
wissen Voraussetzungen "selbstverständlich". Die Stichworte Belfort und Bricy fallen,
werden also dadurch von jenem Odium befreit, mit dem die Verzichtspresse sie
geflissentlich umgeben hatte.

Auf der Linken fragte man jüngst, ob nicht die konservative Partei als
"Strangschläger" abzufertigen sei. Die Strangschlägerei scheint aber auch im
anderen Lager recht verbreitet, und an dem erregten Gebahren des "Berliner
Tageblattes" anläßlich der Besprechung des Troeltsch'schen Artikels sowie über
die Haltung des fortschrittlichen Abg. l)r. Müller-Meiningen, der sich "zum
Annexionismus bekannt" habe, läßt sich ermessen, wie schwer es hält, das Mehr¬
heitsgespann in der gewünschten Richtung zu lenken. Und die Absagen fortschritt¬
licher Abgeordneter an den bisherigen Kurs wachsen ständig an Zahl!"'

Woher dieser Wandel der Anschauungen? "I^ooK at Ule trainier, blick
nach der Grenze, möchte man mit dein Engländer Seeley sagen, der so den Zu¬
sammenhang zwischen innerer und äußerer Politik begründen will.*) Es ist der
Sturmwind der großen Entscheidung, der von den Schlachtfeldern Nordfrankreichs
daherbraust und auch den Daheimgebliebenen in neuer Lebensbejahung die Wangen
rötet. Der Stand des politischen Zimmerthermometers bleibt eben trotz aller
künstlichen Heizung abhängig von der Außentemperatur.'

Die Wechselwirkungist aber uoch von anderer Art. Walther Rathenau in
seinen stets anregenden, wiewohl nicht ohne Vorsicht aufzunehmenden Gedanken
"Von kommenden Dingen" meint gelegentlich: "Das stärkste Argument für das
Bestehende ist der Erfolg. Brachte der gegenwärtige Krieg dur raschen Erfolg
eines vollwertigen Sieges, so wäre die Verwirklichung des deutschen Volksstaates
nicht beschleunigt. Und dennoch gibt es keinen Deutschen, der Volk und Heimat
liebt, und der nicht tausendmal lieber die verschärfte Reaktion von 1815 ertrüge,
als den kleinsten Abbruch der nationalen Macht und Ehre."

Man braucht unser Vaterland nicht auf eine Stufe zu stellen mit jenen
Staaten, wo die Regierung durch Prestigekriege den Blick des Volkes von den
Mißständen im Inneren ablenkt, um die Wahrheit des Satzes zu erkennen, daß
eine Bewährung in kriegerischer Not daS Vertrauen auf die eigenen Einrichtungen
stärken muß. Und nun gar in diesem furchtbarsten aller Existenzkämpfe! Ebenso
klar ist, daß Krisenzuftände der äußeren Lage aber der allgemeinen Lähmung,
aus der z. B. bei uns die schwächliche Julientschließung geboren wurde"*), alle
Geister der Unzufriedenheit auf den Plan rufen.

Man hat bei der ersten Kommissionsabstimmung über die Wahlrechtsvorlage
den Konservativen Baisse-Spekulation vorgeworfen. Aber spekulierten weite Krebse
der Reichstagsmehrheit nicht ä la bmsss des deutschen Schwertes, wenn sie in
trüber Zeit den Ruf nach Machtverstärknng des Parlaments erhobenI? Das
sollte von dieser Seite doch nicht als Verdächtigung entrüstet abgelehnt werden.




*) Bgl. "Grenzboten" Ur. 41 (1917)' S. 62. (Meisner, "Über den Zusammenhang
von innerer und äußerer Politik".)
*""
) Das stellt Wolfgang Heine im "Tageblatt (14. April) als falsche Behauptung der
Vaterlandspartei energisch in Abrede Aber seine eigene Ansicht, die Mehrheitspolitik sei
(auch am 19. Juli) "auf das Bewußtsein der deutschen Stärke begründet gewesen", steht doch
in unversöhnlichem Widerspruch mit allen Nachrichten, die allmählich über die Situation im
vergangenen Frühjahr und Sommer durchsickern. Man vergleiche, was vor einiger Zeit
Thimnie, also für Heine Wohl ein unverdächtiger Zeuge, in den Annalen für soziale Politik
und Gesetzgebung darüber gesagt hat, und neuestens die vom Grafen Reventlow und Georg
Bernhard übereinstimmend veröffentlichten Beziehungen Erzbergers nach Wien, die für den
Reichstagsbeschluß vom Juli mit entscheidend gewesen sind.
parallelen äußerer und innerer Politik

Professor Troeltsch von der Berliner Universität, von dein die „Antivater-
landspartei", der Volksbund für Freiheit und Vaterland seinerzeit das Geleitwort
ins politische Leben empfing, redet nunmehr in den „Münchener Neuesten Nach»
richten" von „Verschiebungen der inneren Front"; die Verständigung könne nicht
mehr nach den Grundsätzen der Papstnote und der Neichstagsresvlulion begründet
werden. Der Gedanke an Entschädigungen und an Sicherungen werde unter ge¬
wissen Voraussetzungen „selbstverständlich". Die Stichworte Belfort und Bricy fallen,
werden also dadurch von jenem Odium befreit, mit dem die Verzichtspresse sie
geflissentlich umgeben hatte.

Auf der Linken fragte man jüngst, ob nicht die konservative Partei als
„Strangschläger" abzufertigen sei. Die Strangschlägerei scheint aber auch im
anderen Lager recht verbreitet, und an dem erregten Gebahren des „Berliner
Tageblattes" anläßlich der Besprechung des Troeltsch'schen Artikels sowie über
die Haltung des fortschrittlichen Abg. l)r. Müller-Meiningen, der sich „zum
Annexionismus bekannt" habe, läßt sich ermessen, wie schwer es hält, das Mehr¬
heitsgespann in der gewünschten Richtung zu lenken. Und die Absagen fortschritt¬
licher Abgeordneter an den bisherigen Kurs wachsen ständig an Zahl!"'

Woher dieser Wandel der Anschauungen? „I^ooK at Ule trainier, blick
nach der Grenze, möchte man mit dein Engländer Seeley sagen, der so den Zu¬
sammenhang zwischen innerer und äußerer Politik begründen will.*) Es ist der
Sturmwind der großen Entscheidung, der von den Schlachtfeldern Nordfrankreichs
daherbraust und auch den Daheimgebliebenen in neuer Lebensbejahung die Wangen
rötet. Der Stand des politischen Zimmerthermometers bleibt eben trotz aller
künstlichen Heizung abhängig von der Außentemperatur.'

Die Wechselwirkungist aber uoch von anderer Art. Walther Rathenau in
seinen stets anregenden, wiewohl nicht ohne Vorsicht aufzunehmenden Gedanken
„Von kommenden Dingen" meint gelegentlich: „Das stärkste Argument für das
Bestehende ist der Erfolg. Brachte der gegenwärtige Krieg dur raschen Erfolg
eines vollwertigen Sieges, so wäre die Verwirklichung des deutschen Volksstaates
nicht beschleunigt. Und dennoch gibt es keinen Deutschen, der Volk und Heimat
liebt, und der nicht tausendmal lieber die verschärfte Reaktion von 1815 ertrüge,
als den kleinsten Abbruch der nationalen Macht und Ehre."

Man braucht unser Vaterland nicht auf eine Stufe zu stellen mit jenen
Staaten, wo die Regierung durch Prestigekriege den Blick des Volkes von den
Mißständen im Inneren ablenkt, um die Wahrheit des Satzes zu erkennen, daß
eine Bewährung in kriegerischer Not daS Vertrauen auf die eigenen Einrichtungen
stärken muß. Und nun gar in diesem furchtbarsten aller Existenzkämpfe! Ebenso
klar ist, daß Krisenzuftände der äußeren Lage aber der allgemeinen Lähmung,
aus der z. B. bei uns die schwächliche Julientschließung geboren wurde"*), alle
Geister der Unzufriedenheit auf den Plan rufen.

Man hat bei der ersten Kommissionsabstimmung über die Wahlrechtsvorlage
den Konservativen Baisse-Spekulation vorgeworfen. Aber spekulierten weite Krebse
der Reichstagsmehrheit nicht ä la bmsss des deutschen Schwertes, wenn sie in
trüber Zeit den Ruf nach Machtverstärknng des Parlaments erhobenI? Das
sollte von dieser Seite doch nicht als Verdächtigung entrüstet abgelehnt werden.




*) Bgl. „Grenzboten" Ur. 41 (1917)' S. 62. (Meisner, „Über den Zusammenhang
von innerer und äußerer Politik".)
*""
) Das stellt Wolfgang Heine im „Tageblatt (14. April) als falsche Behauptung der
Vaterlandspartei energisch in Abrede Aber seine eigene Ansicht, die Mehrheitspolitik sei
(auch am 19. Juli) „auf das Bewußtsein der deutschen Stärke begründet gewesen", steht doch
in unversöhnlichem Widerspruch mit allen Nachrichten, die allmählich über die Situation im
vergangenen Frühjahr und Sommer durchsickern. Man vergleiche, was vor einiger Zeit
Thimnie, also für Heine Wohl ein unverdächtiger Zeuge, in den Annalen für soziale Politik
und Gesetzgebung darüber gesagt hat, und neuestens die vom Grafen Reventlow und Georg
Bernhard übereinstimmend veröffentlichten Beziehungen Erzbergers nach Wien, die für den
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333482/89>, abgerufen am 22.07.2024.