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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr.

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Vie französische ^ran bei Beginn der Revolution

Zauber einbüßt, wenn zufällig der Beichtiger jung und das Beichtkind schön ist.
So wurden Frauen und Priester die treibenden Kräfte einer Volkserhebung, deren
Verlauf dem Bürgerkriege eine ihm sonst fremde Weihe gab ; denn die meisten Weiber
die dem Aufgebote der Vendee folgten, begnügten sich keineswegs damit, den sich
bald entspinnenden Kämpfen von weitem zuzuschauen, sondern griffen oft genug
selbst zu den Waffen und wurden dann durch die Kugeln der Republikaner dezimiert.
Hier und da trieben sie freilich den Feind auch wohl einmal in die Flucht, durch
ihren Heroismus das Feuer der Begeisterung in den Herzen ihrer Gatten und
Söhne schürend. Allerdings trug die Hartnäckigkeit, mit der zehn- bis zwölftausend
abenteuernde Vendeerinnen das Heer ihres Landes begleiteten, viel zu dessen
baldiger Auflösung bei, immerhin behält aber im Hinblick auf die geschilderten
Verhältnisse Montesquieu recht, wenn er in der ,.1.clere8 persanoZ" meint, wer
die leitenden Persönlichkeiten in Staat und Kirche am Werke sehe, aber nicht die
Frauen, die sie inspirieren, der gleiche einem Manne, der die Arbeit einer Maschine
betrachtet, ohne ihre Triebfedern zu kennen.

Allerdings verloren Amazonen, wie wir sie eben schilderten, leicht die
weibliche Anmut, aber dieser entbehrten die Frauen der Revolutionszeit überhaupt
oft; das Studium des Plutarch und ähnlicher Schriftsteller, das die jungen Re¬
publikanerinnen mit Vorliebe betrieben, war der Entwicklung mädchenhaften Zaubers
nicht gerade günstig, und für umstürzlerische Blaustrümpfe blühte die Blume der
Liebe, die gerade dem achtzehnten Jahrhundert seinen eigentümlichen Duft verleiht,
nicht so leicht. Selbst in der Kleidung vernachlässigte sich die Frau der beginnenden
Revolutionszeit häufig, da der.geringste Luxus aristokratische Gesinnung zu bekunden
schien; ja sie nahm volkstümliche Sprache wie Sitte an, um sich vor dem Verdachte,
verdächtig zu sein, zu- schützen. Das Drama der Revolution, dieses historische
Schauspiel, in dem der Wille des Volkes Könige entthronte, die Schlösser des Adels
zerstörte und Privilegien wie Wappen in den Staub warf, lockte manche Frau,
selbst eine Rolle zu übernehmen, auch wenn sie gewisse Konzessionen machen mußte;
doch gab es für solche Zugeständnisse eine Grenze; als die Titulaturen abgeschafft
wurden, zeigten sich die Damen der besseren Stände sehr ungehalten und sollen
sich verschworen haben, ihren Männern, sofern sie als Deputierte für den Antrag
gestimmt hatten, mit dem heroischen Entschluß zu drohen, den Aristophanes den
Athenerinnen in seiner."Lysistrate" zuschreibt.

Viele Weiber wurden durch die Revolution aber geradezu entmenscht. Ihren
liebsten Zeitvertreib bildete das Schauspiel, das die Tätigkeit des Fallbeils bot,
während sie sich zwischen zwei Hinrichtungen gemütsruhig ihrem Strickstrumpf
widmeten. Die Arbeit der Köpfmaschine pflegten diese Megären mit Geschrei und
Tänzen zu begleiten, und grausiger Jubel begrüßte den Moment des "In den
Sack Niesens"-, wenn das Blut aufspritzte und das Haupt in den bereit gehaltenen
Beutel fiel. -Solche Furien der Guillotine stellten zumal die nach Schnaps duf¬
tenden Fischweiber, dieser Schrecken von Paris. Daß auch Frauen gefangen gesetzt
und enthauptet wurden, sahen wir bereits, doch ließ sich manches dagegen sagen.
Sie einzukerkern,' wenigstens wenn sie schön waren, schien gefährlich, denn wer
hütete die Wächter selbst vor ihren Reizen? Und derjenige ^carm mußte schon
recht verroht sein, der, unten vor dem Blutgerüst stehend, gleichmütig zuschaute,
wenn oben der Kopf eines Weibes fiel. War sie jung, sah man in ihr die Ver¬
körperung von Liebe und Glück, war ihr Haar ergraur, erinnerte es an das ehr¬
würdige Haupt der eigenen Mutter. Verständige Frauen zogen aber aus dem
Umstände, daß man gegen ihr Geschlecht mit gleicher Schärfe vorging wie gegen
die Männer, die natürliche Konsequenz; als Napoleon, der damals noch General
Bonaparte hieß, einst Frau von Condorcet, die Witwe des bekannten Philosophen,
besuchte und unter anderem äußerte, er liebe es nicht, daß die Frauen sich in die
Politik mischten, antwortete die redegewandte Dame: "Sie haben recht, General,
aber in einem Lande, wo man ihnen die Köpfe abschneidet, ist es begreiflich, daß
sie gern wissen wollen, warum das geschieht", übrigens stellten mitleidige Seelen
wohl ihre neuen republikanischen Liebschaften in den Dienst alter royalistischer


Grenzboten II, 1913 . 4
Vie französische ^ran bei Beginn der Revolution

Zauber einbüßt, wenn zufällig der Beichtiger jung und das Beichtkind schön ist.
So wurden Frauen und Priester die treibenden Kräfte einer Volkserhebung, deren
Verlauf dem Bürgerkriege eine ihm sonst fremde Weihe gab ; denn die meisten Weiber
die dem Aufgebote der Vendee folgten, begnügten sich keineswegs damit, den sich
bald entspinnenden Kämpfen von weitem zuzuschauen, sondern griffen oft genug
selbst zu den Waffen und wurden dann durch die Kugeln der Republikaner dezimiert.
Hier und da trieben sie freilich den Feind auch wohl einmal in die Flucht, durch
ihren Heroismus das Feuer der Begeisterung in den Herzen ihrer Gatten und
Söhne schürend. Allerdings trug die Hartnäckigkeit, mit der zehn- bis zwölftausend
abenteuernde Vendeerinnen das Heer ihres Landes begleiteten, viel zu dessen
baldiger Auflösung bei, immerhin behält aber im Hinblick auf die geschilderten
Verhältnisse Montesquieu recht, wenn er in der ,.1.clere8 persanoZ" meint, wer
die leitenden Persönlichkeiten in Staat und Kirche am Werke sehe, aber nicht die
Frauen, die sie inspirieren, der gleiche einem Manne, der die Arbeit einer Maschine
betrachtet, ohne ihre Triebfedern zu kennen.

Allerdings verloren Amazonen, wie wir sie eben schilderten, leicht die
weibliche Anmut, aber dieser entbehrten die Frauen der Revolutionszeit überhaupt
oft; das Studium des Plutarch und ähnlicher Schriftsteller, das die jungen Re¬
publikanerinnen mit Vorliebe betrieben, war der Entwicklung mädchenhaften Zaubers
nicht gerade günstig, und für umstürzlerische Blaustrümpfe blühte die Blume der
Liebe, die gerade dem achtzehnten Jahrhundert seinen eigentümlichen Duft verleiht,
nicht so leicht. Selbst in der Kleidung vernachlässigte sich die Frau der beginnenden
Revolutionszeit häufig, da der.geringste Luxus aristokratische Gesinnung zu bekunden
schien; ja sie nahm volkstümliche Sprache wie Sitte an, um sich vor dem Verdachte,
verdächtig zu sein, zu- schützen. Das Drama der Revolution, dieses historische
Schauspiel, in dem der Wille des Volkes Könige entthronte, die Schlösser des Adels
zerstörte und Privilegien wie Wappen in den Staub warf, lockte manche Frau,
selbst eine Rolle zu übernehmen, auch wenn sie gewisse Konzessionen machen mußte;
doch gab es für solche Zugeständnisse eine Grenze; als die Titulaturen abgeschafft
wurden, zeigten sich die Damen der besseren Stände sehr ungehalten und sollen
sich verschworen haben, ihren Männern, sofern sie als Deputierte für den Antrag
gestimmt hatten, mit dem heroischen Entschluß zu drohen, den Aristophanes den
Athenerinnen in seiner.„Lysistrate" zuschreibt.

Viele Weiber wurden durch die Revolution aber geradezu entmenscht. Ihren
liebsten Zeitvertreib bildete das Schauspiel, das die Tätigkeit des Fallbeils bot,
während sie sich zwischen zwei Hinrichtungen gemütsruhig ihrem Strickstrumpf
widmeten. Die Arbeit der Köpfmaschine pflegten diese Megären mit Geschrei und
Tänzen zu begleiten, und grausiger Jubel begrüßte den Moment des „In den
Sack Niesens"-, wenn das Blut aufspritzte und das Haupt in den bereit gehaltenen
Beutel fiel. -Solche Furien der Guillotine stellten zumal die nach Schnaps duf¬
tenden Fischweiber, dieser Schrecken von Paris. Daß auch Frauen gefangen gesetzt
und enthauptet wurden, sahen wir bereits, doch ließ sich manches dagegen sagen.
Sie einzukerkern,' wenigstens wenn sie schön waren, schien gefährlich, denn wer
hütete die Wächter selbst vor ihren Reizen? Und derjenige ^carm mußte schon
recht verroht sein, der, unten vor dem Blutgerüst stehend, gleichmütig zuschaute,
wenn oben der Kopf eines Weibes fiel. War sie jung, sah man in ihr die Ver¬
körperung von Liebe und Glück, war ihr Haar ergraur, erinnerte es an das ehr¬
würdige Haupt der eigenen Mutter. Verständige Frauen zogen aber aus dem
Umstände, daß man gegen ihr Geschlecht mit gleicher Schärfe vorging wie gegen
die Männer, die natürliche Konsequenz; als Napoleon, der damals noch General
Bonaparte hieß, einst Frau von Condorcet, die Witwe des bekannten Philosophen,
besuchte und unter anderem äußerte, er liebe es nicht, daß die Frauen sich in die
Politik mischten, antwortete die redegewandte Dame: „Sie haben recht, General,
aber in einem Lande, wo man ihnen die Köpfe abschneidet, ist es begreiflich, daß
sie gern wissen wollen, warum das geschieht", übrigens stellten mitleidige Seelen
wohl ihre neuen republikanischen Liebschaften in den Dienst alter royalistischer


Grenzboten II, 1913 . 4
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[0053] Vie französische ^ran bei Beginn der Revolution Zauber einbüßt, wenn zufällig der Beichtiger jung und das Beichtkind schön ist. So wurden Frauen und Priester die treibenden Kräfte einer Volkserhebung, deren Verlauf dem Bürgerkriege eine ihm sonst fremde Weihe gab ; denn die meisten Weiber die dem Aufgebote der Vendee folgten, begnügten sich keineswegs damit, den sich bald entspinnenden Kämpfen von weitem zuzuschauen, sondern griffen oft genug selbst zu den Waffen und wurden dann durch die Kugeln der Republikaner dezimiert. Hier und da trieben sie freilich den Feind auch wohl einmal in die Flucht, durch ihren Heroismus das Feuer der Begeisterung in den Herzen ihrer Gatten und Söhne schürend. Allerdings trug die Hartnäckigkeit, mit der zehn- bis zwölftausend abenteuernde Vendeerinnen das Heer ihres Landes begleiteten, viel zu dessen baldiger Auflösung bei, immerhin behält aber im Hinblick auf die geschilderten Verhältnisse Montesquieu recht, wenn er in der ,.1.clere8 persanoZ" meint, wer die leitenden Persönlichkeiten in Staat und Kirche am Werke sehe, aber nicht die Frauen, die sie inspirieren, der gleiche einem Manne, der die Arbeit einer Maschine betrachtet, ohne ihre Triebfedern zu kennen. Allerdings verloren Amazonen, wie wir sie eben schilderten, leicht die weibliche Anmut, aber dieser entbehrten die Frauen der Revolutionszeit überhaupt oft; das Studium des Plutarch und ähnlicher Schriftsteller, das die jungen Re¬ publikanerinnen mit Vorliebe betrieben, war der Entwicklung mädchenhaften Zaubers nicht gerade günstig, und für umstürzlerische Blaustrümpfe blühte die Blume der Liebe, die gerade dem achtzehnten Jahrhundert seinen eigentümlichen Duft verleiht, nicht so leicht. Selbst in der Kleidung vernachlässigte sich die Frau der beginnenden Revolutionszeit häufig, da der.geringste Luxus aristokratische Gesinnung zu bekunden schien; ja sie nahm volkstümliche Sprache wie Sitte an, um sich vor dem Verdachte, verdächtig zu sein, zu- schützen. Das Drama der Revolution, dieses historische Schauspiel, in dem der Wille des Volkes Könige entthronte, die Schlösser des Adels zerstörte und Privilegien wie Wappen in den Staub warf, lockte manche Frau, selbst eine Rolle zu übernehmen, auch wenn sie gewisse Konzessionen machen mußte; doch gab es für solche Zugeständnisse eine Grenze; als die Titulaturen abgeschafft wurden, zeigten sich die Damen der besseren Stände sehr ungehalten und sollen sich verschworen haben, ihren Männern, sofern sie als Deputierte für den Antrag gestimmt hatten, mit dem heroischen Entschluß zu drohen, den Aristophanes den Athenerinnen in seiner.„Lysistrate" zuschreibt. Viele Weiber wurden durch die Revolution aber geradezu entmenscht. Ihren liebsten Zeitvertreib bildete das Schauspiel, das die Tätigkeit des Fallbeils bot, während sie sich zwischen zwei Hinrichtungen gemütsruhig ihrem Strickstrumpf widmeten. Die Arbeit der Köpfmaschine pflegten diese Megären mit Geschrei und Tänzen zu begleiten, und grausiger Jubel begrüßte den Moment des „In den Sack Niesens"-, wenn das Blut aufspritzte und das Haupt in den bereit gehaltenen Beutel fiel. -Solche Furien der Guillotine stellten zumal die nach Schnaps duf¬ tenden Fischweiber, dieser Schrecken von Paris. Daß auch Frauen gefangen gesetzt und enthauptet wurden, sahen wir bereits, doch ließ sich manches dagegen sagen. Sie einzukerkern,' wenigstens wenn sie schön waren, schien gefährlich, denn wer hütete die Wächter selbst vor ihren Reizen? Und derjenige ^carm mußte schon recht verroht sein, der, unten vor dem Blutgerüst stehend, gleichmütig zuschaute, wenn oben der Kopf eines Weibes fiel. War sie jung, sah man in ihr die Ver¬ körperung von Liebe und Glück, war ihr Haar ergraur, erinnerte es an das ehr¬ würdige Haupt der eigenen Mutter. Verständige Frauen zogen aber aus dem Umstände, daß man gegen ihr Geschlecht mit gleicher Schärfe vorging wie gegen die Männer, die natürliche Konsequenz; als Napoleon, der damals noch General Bonaparte hieß, einst Frau von Condorcet, die Witwe des bekannten Philosophen, besuchte und unter anderem äußerte, er liebe es nicht, daß die Frauen sich in die Politik mischten, antwortete die redegewandte Dame: „Sie haben recht, General, aber in einem Lande, wo man ihnen die Köpfe abschneidet, ist es begreiflich, daß sie gern wissen wollen, warum das geschieht", übrigens stellten mitleidige Seelen wohl ihre neuen republikanischen Liebschaften in den Dienst alter royalistischer Grenzboten II, 1913 . 4

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333482/53>, abgerufen am 26.08.2024.