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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr.

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Aus "Frizchens Liederbuch"

demütigender Stunden. Er gab aber nickt auf, zu tun, was in seiner Macht
stand und reiste Napoleon nach, über Dresden) wo er nicht vorgelassen wurde,
nach Paris. Dort wurde er dem Kaiser abermals vorgestellt, doch war der Zeit-
Punkt. Gehör zu finden, noch nicht gekommen, und so kehrte Overbeck Anfang des
Jahres 1808 wieder nach Lübeck zurück, um jedoch schon im Mai 1808 wieder
nach Paris entsandt zu werden, da die zahllosen Bedrückungen der französischen
Gewalthaber die dauernde Anwesenheit eines eigenen Abgesandten am Hofe des
Kaisers nötig machten. Erst Anfang des Jahres 1809 kehrte Overbeck nach Lübeck
zurück. Aus dieser Zeit stammen mehrere Briefe, von denen verschiedene in meinen
Besitz übergegangen sind. Sie enthalten keine Äußerungen über seine politischen
Missionen, aber ihr Inhalt ist in den heutigen schweren Tagen, die der damaligen
Zeit so nahe kommen, von ganz besonderer Bedeutung.

So schreibt er am 19, Februar 1807 aus Hamburg, wohin er zu Verhand¬
lungen mit fremden Behörden geschickt worden war, an seinen Sohn Hans:

"Ja, mein geliebter Haust Wir leben in einer Zeit, die seit mehr als viel-
leicht Jahrtausenden ihresgleichen nicht hatte und deren Resultate noch gar nicht
zu berechnen sind. Alles ist aus seinen alten Fugen gerissen; alles muß anders
werden, weil es aufgehört hat. das Alte zu sein, aber wie es anders werden
wird? Das entwickelt noch keine, auch selbst die schärfste Sehkraft nicht. Laß
uns indessen ruhig erwarten, was die Zukunft bring"! Gutes bringt sie gewiß,
wenn auch gleich' nicht lauter Angenehmes. Eine Welt der Ordnung ist diese
Welt, bei scheinbarer Unordnung: ihre Wechsel sind keine Ausgeburten des Zufalls,
eine weise Hand ist im Spiele. Unsere Pflicht ist, geruhig das Unsrige zu tun,
wie es uns vorliegt. Zu viel hinter uns blicken, bringt Sehnsucht, zu viel vor
uns, Unruhe, Aber still unseres Weges gehen, heiter, soviel wir können, und
auch der Blümchen am Wege (diese finden sich stets) nicht uneingedenk, und so
das Kommende erwarten, kindlich, als aus einer Vaierhand, dies wird wohl so
der sicherste Plan sein, den wir uns zeichnen können."

Und weiter schreibt er in diesem Briefe Worte der tiefsten Lebensweisheit:

"Sorgen und Grübeln ist ein Eingießen in ein bodenloses Faß: man kommt
damit nicht weiter. Die Dinge gehen docki ihren Gang. Und am Ende, weiß
denn der Grübelnde, ob er nicht ganz überflüssige Arbeit macht? Ob nicht alles
in seiner Vorbereitung schon daliegt, wie er es gern haben möchte? und vielleicht
an Ende noch viel besser, als er es sich nur träumen ließ? Denn wie oft er¬
fuhren wir's. daß es doch anders kam, als wir dachten und besser, als wir
hofftenI Laß uns getrost sein, mein lieber söhnt Seine Menschen beglückt der
Vater im Himmel noch fortwährend, und beglückt sie ewig."

In einem anderer, Briefe, der gleichfalls aus Hamburg geschrieben ist,
heißt es:

"Die Zeiten sind böse, mein lieber Hans, wenn wir sie mit sinnlichen
Gefühlen beurteilen, und böse nennen, was nicht behaglich ist. Sie sind aber gut,
wenn wir vom Standpunkt des Übersinnlichen aus und von einer höheren Ver¬
nunft herab sie betrachten. Alles ist Bewegung und Veränderung in unserer
Welt. Alles sammelt sich immer zu neuer Entwicklung, alles drängt sich immer
ZU neuer Reife, und das Resultat heißt im Ganzen: Fortschreiten des Geschlechtes
MM Besseren, Fortschreiten oft durch scheinbare Rückfälle. Nur für das Indi¬
viduum freilich, und seine sinnlichen Grade, find die Zeiten der Krise oft Zeiten
herber Drangsale. Doch sie geht oft über und oft geschwinder als man dachte."

DaS sind Worte, die von tiefer Bedeutung find, Weil sie in Zeiten der
tiefsten Not und Bedrängnis Deutschlands geschrieben wurden. Der Mann, der
ste schrieb, hat in Stunden der Gefahr den Schild des Gottesglaubens hoch¬
gehalten, hat nicht verzagt, sondern mit starkem, deutschem MmmeLmut ertragen,
was Gott schickte. Ganz erfüllt von sorgender, zärilicher Liebe zu seinen Kindern.
Wehe er Trost und Halt am häuslichen Herde, und wenn er fern von seinen
Lieben weilt, dann nimmt er in Gedanken, die er ihnen mitteilt, und die er sich
mitteilen läßt, den innigsten Anteil an ihrem Ergehen. Seines Sohnes Hans


Aus „Frizchens Liederbuch"

demütigender Stunden. Er gab aber nickt auf, zu tun, was in seiner Macht
stand und reiste Napoleon nach, über Dresden) wo er nicht vorgelassen wurde,
nach Paris. Dort wurde er dem Kaiser abermals vorgestellt, doch war der Zeit-
Punkt. Gehör zu finden, noch nicht gekommen, und so kehrte Overbeck Anfang des
Jahres 1808 wieder nach Lübeck zurück, um jedoch schon im Mai 1808 wieder
nach Paris entsandt zu werden, da die zahllosen Bedrückungen der französischen
Gewalthaber die dauernde Anwesenheit eines eigenen Abgesandten am Hofe des
Kaisers nötig machten. Erst Anfang des Jahres 1809 kehrte Overbeck nach Lübeck
zurück. Aus dieser Zeit stammen mehrere Briefe, von denen verschiedene in meinen
Besitz übergegangen sind. Sie enthalten keine Äußerungen über seine politischen
Missionen, aber ihr Inhalt ist in den heutigen schweren Tagen, die der damaligen
Zeit so nahe kommen, von ganz besonderer Bedeutung.

So schreibt er am 19, Februar 1807 aus Hamburg, wohin er zu Verhand¬
lungen mit fremden Behörden geschickt worden war, an seinen Sohn Hans:

„Ja, mein geliebter Haust Wir leben in einer Zeit, die seit mehr als viel-
leicht Jahrtausenden ihresgleichen nicht hatte und deren Resultate noch gar nicht
zu berechnen sind. Alles ist aus seinen alten Fugen gerissen; alles muß anders
werden, weil es aufgehört hat. das Alte zu sein, aber wie es anders werden
wird? Das entwickelt noch keine, auch selbst die schärfste Sehkraft nicht. Laß
uns indessen ruhig erwarten, was die Zukunft bring«! Gutes bringt sie gewiß,
wenn auch gleich' nicht lauter Angenehmes. Eine Welt der Ordnung ist diese
Welt, bei scheinbarer Unordnung: ihre Wechsel sind keine Ausgeburten des Zufalls,
eine weise Hand ist im Spiele. Unsere Pflicht ist, geruhig das Unsrige zu tun,
wie es uns vorliegt. Zu viel hinter uns blicken, bringt Sehnsucht, zu viel vor
uns, Unruhe, Aber still unseres Weges gehen, heiter, soviel wir können, und
auch der Blümchen am Wege (diese finden sich stets) nicht uneingedenk, und so
das Kommende erwarten, kindlich, als aus einer Vaierhand, dies wird wohl so
der sicherste Plan sein, den wir uns zeichnen können."

Und weiter schreibt er in diesem Briefe Worte der tiefsten Lebensweisheit:

„Sorgen und Grübeln ist ein Eingießen in ein bodenloses Faß: man kommt
damit nicht weiter. Die Dinge gehen docki ihren Gang. Und am Ende, weiß
denn der Grübelnde, ob er nicht ganz überflüssige Arbeit macht? Ob nicht alles
in seiner Vorbereitung schon daliegt, wie er es gern haben möchte? und vielleicht
an Ende noch viel besser, als er es sich nur träumen ließ? Denn wie oft er¬
fuhren wir's. daß es doch anders kam, als wir dachten und besser, als wir
hofftenI Laß uns getrost sein, mein lieber söhnt Seine Menschen beglückt der
Vater im Himmel noch fortwährend, und beglückt sie ewig."

In einem anderer, Briefe, der gleichfalls aus Hamburg geschrieben ist,
heißt es:

„Die Zeiten sind böse, mein lieber Hans, wenn wir sie mit sinnlichen
Gefühlen beurteilen, und böse nennen, was nicht behaglich ist. Sie sind aber gut,
wenn wir vom Standpunkt des Übersinnlichen aus und von einer höheren Ver¬
nunft herab sie betrachten. Alles ist Bewegung und Veränderung in unserer
Welt. Alles sammelt sich immer zu neuer Entwicklung, alles drängt sich immer
ZU neuer Reife, und das Resultat heißt im Ganzen: Fortschreiten des Geschlechtes
MM Besseren, Fortschreiten oft durch scheinbare Rückfälle. Nur für das Indi¬
viduum freilich, und seine sinnlichen Grade, find die Zeiten der Krise oft Zeiten
herber Drangsale. Doch sie geht oft über und oft geschwinder als man dachte."

DaS sind Worte, die von tiefer Bedeutung find, Weil sie in Zeiten der
tiefsten Not und Bedrängnis Deutschlands geschrieben wurden. Der Mann, der
ste schrieb, hat in Stunden der Gefahr den Schild des Gottesglaubens hoch¬
gehalten, hat nicht verzagt, sondern mit starkem, deutschem MmmeLmut ertragen,
was Gott schickte. Ganz erfüllt von sorgender, zärilicher Liebe zu seinen Kindern.
Wehe er Trost und Halt am häuslichen Herde, und wenn er fern von seinen
Lieben weilt, dann nimmt er in Gedanken, die er ihnen mitteilt, und die er sich
mitteilen läßt, den innigsten Anteil an ihrem Ergehen. Seines Sohnes Hans


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[0323] Aus „Frizchens Liederbuch" demütigender Stunden. Er gab aber nickt auf, zu tun, was in seiner Macht stand und reiste Napoleon nach, über Dresden) wo er nicht vorgelassen wurde, nach Paris. Dort wurde er dem Kaiser abermals vorgestellt, doch war der Zeit- Punkt. Gehör zu finden, noch nicht gekommen, und so kehrte Overbeck Anfang des Jahres 1808 wieder nach Lübeck zurück, um jedoch schon im Mai 1808 wieder nach Paris entsandt zu werden, da die zahllosen Bedrückungen der französischen Gewalthaber die dauernde Anwesenheit eines eigenen Abgesandten am Hofe des Kaisers nötig machten. Erst Anfang des Jahres 1809 kehrte Overbeck nach Lübeck zurück. Aus dieser Zeit stammen mehrere Briefe, von denen verschiedene in meinen Besitz übergegangen sind. Sie enthalten keine Äußerungen über seine politischen Missionen, aber ihr Inhalt ist in den heutigen schweren Tagen, die der damaligen Zeit so nahe kommen, von ganz besonderer Bedeutung. So schreibt er am 19, Februar 1807 aus Hamburg, wohin er zu Verhand¬ lungen mit fremden Behörden geschickt worden war, an seinen Sohn Hans: „Ja, mein geliebter Haust Wir leben in einer Zeit, die seit mehr als viel- leicht Jahrtausenden ihresgleichen nicht hatte und deren Resultate noch gar nicht zu berechnen sind. Alles ist aus seinen alten Fugen gerissen; alles muß anders werden, weil es aufgehört hat. das Alte zu sein, aber wie es anders werden wird? Das entwickelt noch keine, auch selbst die schärfste Sehkraft nicht. Laß uns indessen ruhig erwarten, was die Zukunft bring«! Gutes bringt sie gewiß, wenn auch gleich' nicht lauter Angenehmes. Eine Welt der Ordnung ist diese Welt, bei scheinbarer Unordnung: ihre Wechsel sind keine Ausgeburten des Zufalls, eine weise Hand ist im Spiele. Unsere Pflicht ist, geruhig das Unsrige zu tun, wie es uns vorliegt. Zu viel hinter uns blicken, bringt Sehnsucht, zu viel vor uns, Unruhe, Aber still unseres Weges gehen, heiter, soviel wir können, und auch der Blümchen am Wege (diese finden sich stets) nicht uneingedenk, und so das Kommende erwarten, kindlich, als aus einer Vaierhand, dies wird wohl so der sicherste Plan sein, den wir uns zeichnen können." Und weiter schreibt er in diesem Briefe Worte der tiefsten Lebensweisheit: „Sorgen und Grübeln ist ein Eingießen in ein bodenloses Faß: man kommt damit nicht weiter. Die Dinge gehen docki ihren Gang. Und am Ende, weiß denn der Grübelnde, ob er nicht ganz überflüssige Arbeit macht? Ob nicht alles in seiner Vorbereitung schon daliegt, wie er es gern haben möchte? und vielleicht an Ende noch viel besser, als er es sich nur träumen ließ? Denn wie oft er¬ fuhren wir's. daß es doch anders kam, als wir dachten und besser, als wir hofftenI Laß uns getrost sein, mein lieber söhnt Seine Menschen beglückt der Vater im Himmel noch fortwährend, und beglückt sie ewig." In einem anderer, Briefe, der gleichfalls aus Hamburg geschrieben ist, heißt es: „Die Zeiten sind böse, mein lieber Hans, wenn wir sie mit sinnlichen Gefühlen beurteilen, und böse nennen, was nicht behaglich ist. Sie sind aber gut, wenn wir vom Standpunkt des Übersinnlichen aus und von einer höheren Ver¬ nunft herab sie betrachten. Alles ist Bewegung und Veränderung in unserer Welt. Alles sammelt sich immer zu neuer Entwicklung, alles drängt sich immer ZU neuer Reife, und das Resultat heißt im Ganzen: Fortschreiten des Geschlechtes MM Besseren, Fortschreiten oft durch scheinbare Rückfälle. Nur für das Indi¬ viduum freilich, und seine sinnlichen Grade, find die Zeiten der Krise oft Zeiten herber Drangsale. Doch sie geht oft über und oft geschwinder als man dachte." DaS sind Worte, die von tiefer Bedeutung find, Weil sie in Zeiten der tiefsten Not und Bedrängnis Deutschlands geschrieben wurden. Der Mann, der ste schrieb, hat in Stunden der Gefahr den Schild des Gottesglaubens hoch¬ gehalten, hat nicht verzagt, sondern mit starkem, deutschem MmmeLmut ertragen, was Gott schickte. Ganz erfüllt von sorgender, zärilicher Liebe zu seinen Kindern. Wehe er Trost und Halt am häuslichen Herde, und wenn er fern von seinen Lieben weilt, dann nimmt er in Gedanken, die er ihnen mitteilt, und die er sich mitteilen läßt, den innigsten Anteil an ihrem Ergehen. Seines Sohnes Hans

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333482/323>, abgerufen am 25.08.2024.