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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr.

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Wie Trieft an "Oesterreich kam

So war der Krieg unvermeidlich geworden. Trieft suchte beim Patriarchen
von Aquileja und beim Herzog Leopold von Osterreich, der seit 1368 die südlichen
Habsburgerländer (leopoldinische Linie) beherrschte, Hilfe. Doch der Patriarch
wollte es mit dem mächtigen Venedig nicht verderben. Leopold der Dritte aber
war ein Jüngling von siebzehn Jahren und erst kurze Zeit an der Regierung.
So blieb denn Trieft allein; allerdings hatte der Rat, in voller Voraussicht des
Krieges, die Zeit nicht ungenützt verstreiche lassen, ein friaulisches Heer ange¬
worben, die Festungswerke verstärkt, den Bestand an Munition und Waffen er¬
gänzt und für Trag- und Reittiere Sorge getragen. Nun wurden die letzten
Vorbereitungen getroffen, überdies nach dem Beispiel Venedigs alle in Trieft
lebenden Feinde interniert.

Vemdig rüstete eifrig und schickte schon nach kurzer Zeit gegen die feindliche
Stadt vier schwere und acht leichte Schiffe, von Crescio Mölln befehligt, der lange
Zuk in Trieft gelebt hatte; gleichzeitig landete in Ccipodistria ein Landheer unter
Domenico Michiel. Dieser war ein erfahrener Feldherr, der wohl einsah, daß
Trieft nicht einfach überrannt werden könne, vielmehr der Ansicht war, die Zeit
gegen Trieft arbeiten zu lassen. Der gierige Rat der Markusrepublik hatte Eile
und befahl dem Michiel, zuerst die Straßen rings um Trieft zu zerstören und die
Triestiner möglichst an Leib und Leben zu schädigen. Trieft sollte mit einem
Schlage vernichtet werden. Diese am grünen Tisch in Venedig ausgeheckte Parole
befolgte aber Michiel nicht, sondern rückte ganz langsam vor und gelangte erst
c>in Christtag in das Gebiet von Trieft; dein Dogen, der schon seit zwei Monaten
auf den Endsieg wartete, schrieb Michiel am 26. Dezember zur Entschuldigung,
das Wetter sei für eine Schlacht zu schlecht gewesen.'

Tatsache war ja nun allerdings, daß der Boden rings um Trieft durch¬
weicht und grundlos war und daß die Soldaten unter der Angabe, weder Frösche
noch Salamander zu sein, massenhaft ausrissen. Michiel ließ nun alle verfüg¬
baren Mannschaften hölzerne Brücken und Übergänge schaffen, aber, als diese
Arbeiten fertig waren, mangelte es ihm derart an Menschen und Material, daß
er abermals jede Unternehmung aufschieben mußte. Ununterbrochen schrieb er
flehentliche Briefe in die Heimat, ohne Erfolg zu haben. Ganz im Gegenteil, die
Triestiner verstärkten sich immer mehr, zogen neue Truppen aus Friaul heran,
ja sie reizten Michiel durch wiederholte Ausfälle; immer wieder bat Michiel in
flehenden Briefen um Nach'chub, aber die hochmütigen Venetianer konnten es
gar nicht fassen, daß das Städtchen Trieft nicht mit einer Handvoll Soldaten zu
überrennen wäre. Endlich, am 13 Februar -- entschloß sich der Kriegsrat der
Markusrepublik, zunächst Hilfe zu schicken in Form von -- fünf Inspektoren, die
drüben nachsehen und dann heimberichten sollten. Dieser Bericht hatte zur Folge,
daß Michiel endlich am 24. Februar zum Angriff schreiten konnte. Einen Augen¬
blick zitterten die Triestiner und erwogen ein demütigendes Friedensangebot; dann
aber gewann die ruhige Besinnung Oberhand und sie leisteten tapfersten Wider¬
stand. Michiel wagte es nicht, alles auf das Spiel zu setzen, denn es war nicht
ausgeschlossen, daß die bisherigen Neutralen, der Patriarch von Aquileja, die
Grafen von Görz oder gar der österreichische Herzog, der in Laibach unter Kon¬
rad Krainer ein Heer stehen hatte, Trieft im letzten Augenblick zu Hilfe kämen.

Am 24. April kamen neuerlich Inspektoren aus Venedig und erkannten, daß
man Trieft nur mit einem Schlage überrennen könne und daß dazu eine nam¬
hafte Truppenzahl nötig sei. Sie kehrten wieder nach Venedig zurück und be¬
richteten ihre Wahrnehmungen. Zur gleichen Zeit kam die Kunde, daß die Ge¬
meinde Trieft in Ancona viel Getreide eingekauft habe, das nach Fiume und von
da auf dem Landweg nach Trieft gebracht werden solle. Nun raffte sich der Rat
Venedigs, dem die Sache schon viel zu lange dauerte, auf und erließ zunächst ein
Mandat, wonach jedem Menschen, der in der nächsten Zeit dabei ertappt würde,
wie er Lebensmittel nach Trieft schaffe, wenn es ein Mann sei, die Augen aus¬
gestochen, wenn ein Weib, die Nase weggeschnitten würde. Ob diese Maßregel
tatsächlich in Anwendung gebracht wurde, ob ihre Androhung abschreckend wirkte:


Wie Trieft an «Oesterreich kam

So war der Krieg unvermeidlich geworden. Trieft suchte beim Patriarchen
von Aquileja und beim Herzog Leopold von Osterreich, der seit 1368 die südlichen
Habsburgerländer (leopoldinische Linie) beherrschte, Hilfe. Doch der Patriarch
wollte es mit dem mächtigen Venedig nicht verderben. Leopold der Dritte aber
war ein Jüngling von siebzehn Jahren und erst kurze Zeit an der Regierung.
So blieb denn Trieft allein; allerdings hatte der Rat, in voller Voraussicht des
Krieges, die Zeit nicht ungenützt verstreiche lassen, ein friaulisches Heer ange¬
worben, die Festungswerke verstärkt, den Bestand an Munition und Waffen er¬
gänzt und für Trag- und Reittiere Sorge getragen. Nun wurden die letzten
Vorbereitungen getroffen, überdies nach dem Beispiel Venedigs alle in Trieft
lebenden Feinde interniert.

Vemdig rüstete eifrig und schickte schon nach kurzer Zeit gegen die feindliche
Stadt vier schwere und acht leichte Schiffe, von Crescio Mölln befehligt, der lange
Zuk in Trieft gelebt hatte; gleichzeitig landete in Ccipodistria ein Landheer unter
Domenico Michiel. Dieser war ein erfahrener Feldherr, der wohl einsah, daß
Trieft nicht einfach überrannt werden könne, vielmehr der Ansicht war, die Zeit
gegen Trieft arbeiten zu lassen. Der gierige Rat der Markusrepublik hatte Eile
und befahl dem Michiel, zuerst die Straßen rings um Trieft zu zerstören und die
Triestiner möglichst an Leib und Leben zu schädigen. Trieft sollte mit einem
Schlage vernichtet werden. Diese am grünen Tisch in Venedig ausgeheckte Parole
befolgte aber Michiel nicht, sondern rückte ganz langsam vor und gelangte erst
c>in Christtag in das Gebiet von Trieft; dein Dogen, der schon seit zwei Monaten
auf den Endsieg wartete, schrieb Michiel am 26. Dezember zur Entschuldigung,
das Wetter sei für eine Schlacht zu schlecht gewesen.'

Tatsache war ja nun allerdings, daß der Boden rings um Trieft durch¬
weicht und grundlos war und daß die Soldaten unter der Angabe, weder Frösche
noch Salamander zu sein, massenhaft ausrissen. Michiel ließ nun alle verfüg¬
baren Mannschaften hölzerne Brücken und Übergänge schaffen, aber, als diese
Arbeiten fertig waren, mangelte es ihm derart an Menschen und Material, daß
er abermals jede Unternehmung aufschieben mußte. Ununterbrochen schrieb er
flehentliche Briefe in die Heimat, ohne Erfolg zu haben. Ganz im Gegenteil, die
Triestiner verstärkten sich immer mehr, zogen neue Truppen aus Friaul heran,
ja sie reizten Michiel durch wiederholte Ausfälle; immer wieder bat Michiel in
flehenden Briefen um Nach'chub, aber die hochmütigen Venetianer konnten es
gar nicht fassen, daß das Städtchen Trieft nicht mit einer Handvoll Soldaten zu
überrennen wäre. Endlich, am 13 Februar — entschloß sich der Kriegsrat der
Markusrepublik, zunächst Hilfe zu schicken in Form von — fünf Inspektoren, die
drüben nachsehen und dann heimberichten sollten. Dieser Bericht hatte zur Folge,
daß Michiel endlich am 24. Februar zum Angriff schreiten konnte. Einen Augen¬
blick zitterten die Triestiner und erwogen ein demütigendes Friedensangebot; dann
aber gewann die ruhige Besinnung Oberhand und sie leisteten tapfersten Wider¬
stand. Michiel wagte es nicht, alles auf das Spiel zu setzen, denn es war nicht
ausgeschlossen, daß die bisherigen Neutralen, der Patriarch von Aquileja, die
Grafen von Görz oder gar der österreichische Herzog, der in Laibach unter Kon¬
rad Krainer ein Heer stehen hatte, Trieft im letzten Augenblick zu Hilfe kämen.

Am 24. April kamen neuerlich Inspektoren aus Venedig und erkannten, daß
man Trieft nur mit einem Schlage überrennen könne und daß dazu eine nam¬
hafte Truppenzahl nötig sei. Sie kehrten wieder nach Venedig zurück und be¬
richteten ihre Wahrnehmungen. Zur gleichen Zeit kam die Kunde, daß die Ge¬
meinde Trieft in Ancona viel Getreide eingekauft habe, das nach Fiume und von
da auf dem Landweg nach Trieft gebracht werden solle. Nun raffte sich der Rat
Venedigs, dem die Sache schon viel zu lange dauerte, auf und erließ zunächst ein
Mandat, wonach jedem Menschen, der in der nächsten Zeit dabei ertappt würde,
wie er Lebensmittel nach Trieft schaffe, wenn es ein Mann sei, die Augen aus¬
gestochen, wenn ein Weib, die Nase weggeschnitten würde. Ob diese Maßregel
tatsächlich in Anwendung gebracht wurde, ob ihre Androhung abschreckend wirkte:


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[0290] Wie Trieft an «Oesterreich kam So war der Krieg unvermeidlich geworden. Trieft suchte beim Patriarchen von Aquileja und beim Herzog Leopold von Osterreich, der seit 1368 die südlichen Habsburgerländer (leopoldinische Linie) beherrschte, Hilfe. Doch der Patriarch wollte es mit dem mächtigen Venedig nicht verderben. Leopold der Dritte aber war ein Jüngling von siebzehn Jahren und erst kurze Zeit an der Regierung. So blieb denn Trieft allein; allerdings hatte der Rat, in voller Voraussicht des Krieges, die Zeit nicht ungenützt verstreiche lassen, ein friaulisches Heer ange¬ worben, die Festungswerke verstärkt, den Bestand an Munition und Waffen er¬ gänzt und für Trag- und Reittiere Sorge getragen. Nun wurden die letzten Vorbereitungen getroffen, überdies nach dem Beispiel Venedigs alle in Trieft lebenden Feinde interniert. Vemdig rüstete eifrig und schickte schon nach kurzer Zeit gegen die feindliche Stadt vier schwere und acht leichte Schiffe, von Crescio Mölln befehligt, der lange Zuk in Trieft gelebt hatte; gleichzeitig landete in Ccipodistria ein Landheer unter Domenico Michiel. Dieser war ein erfahrener Feldherr, der wohl einsah, daß Trieft nicht einfach überrannt werden könne, vielmehr der Ansicht war, die Zeit gegen Trieft arbeiten zu lassen. Der gierige Rat der Markusrepublik hatte Eile und befahl dem Michiel, zuerst die Straßen rings um Trieft zu zerstören und die Triestiner möglichst an Leib und Leben zu schädigen. Trieft sollte mit einem Schlage vernichtet werden. Diese am grünen Tisch in Venedig ausgeheckte Parole befolgte aber Michiel nicht, sondern rückte ganz langsam vor und gelangte erst c>in Christtag in das Gebiet von Trieft; dein Dogen, der schon seit zwei Monaten auf den Endsieg wartete, schrieb Michiel am 26. Dezember zur Entschuldigung, das Wetter sei für eine Schlacht zu schlecht gewesen.' Tatsache war ja nun allerdings, daß der Boden rings um Trieft durch¬ weicht und grundlos war und daß die Soldaten unter der Angabe, weder Frösche noch Salamander zu sein, massenhaft ausrissen. Michiel ließ nun alle verfüg¬ baren Mannschaften hölzerne Brücken und Übergänge schaffen, aber, als diese Arbeiten fertig waren, mangelte es ihm derart an Menschen und Material, daß er abermals jede Unternehmung aufschieben mußte. Ununterbrochen schrieb er flehentliche Briefe in die Heimat, ohne Erfolg zu haben. Ganz im Gegenteil, die Triestiner verstärkten sich immer mehr, zogen neue Truppen aus Friaul heran, ja sie reizten Michiel durch wiederholte Ausfälle; immer wieder bat Michiel in flehenden Briefen um Nach'chub, aber die hochmütigen Venetianer konnten es gar nicht fassen, daß das Städtchen Trieft nicht mit einer Handvoll Soldaten zu überrennen wäre. Endlich, am 13 Februar — entschloß sich der Kriegsrat der Markusrepublik, zunächst Hilfe zu schicken in Form von — fünf Inspektoren, die drüben nachsehen und dann heimberichten sollten. Dieser Bericht hatte zur Folge, daß Michiel endlich am 24. Februar zum Angriff schreiten konnte. Einen Augen¬ blick zitterten die Triestiner und erwogen ein demütigendes Friedensangebot; dann aber gewann die ruhige Besinnung Oberhand und sie leisteten tapfersten Wider¬ stand. Michiel wagte es nicht, alles auf das Spiel zu setzen, denn es war nicht ausgeschlossen, daß die bisherigen Neutralen, der Patriarch von Aquileja, die Grafen von Görz oder gar der österreichische Herzog, der in Laibach unter Kon¬ rad Krainer ein Heer stehen hatte, Trieft im letzten Augenblick zu Hilfe kämen. Am 24. April kamen neuerlich Inspektoren aus Venedig und erkannten, daß man Trieft nur mit einem Schlage überrennen könne und daß dazu eine nam¬ hafte Truppenzahl nötig sei. Sie kehrten wieder nach Venedig zurück und be¬ richteten ihre Wahrnehmungen. Zur gleichen Zeit kam die Kunde, daß die Ge¬ meinde Trieft in Ancona viel Getreide eingekauft habe, das nach Fiume und von da auf dem Landweg nach Trieft gebracht werden solle. Nun raffte sich der Rat Venedigs, dem die Sache schon viel zu lange dauerte, auf und erließ zunächst ein Mandat, wonach jedem Menschen, der in der nächsten Zeit dabei ertappt würde, wie er Lebensmittel nach Trieft schaffe, wenn es ein Mann sei, die Augen aus¬ gestochen, wenn ein Weib, die Nase weggeschnitten würde. Ob diese Maßregel tatsächlich in Anwendung gebracht wurde, ob ihre Androhung abschreckend wirkte:

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333482/290>, abgerufen am 22.07.2024.