Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
L>int-Park

beziehungsweise Klopfproben das Verdikt: die Dachrinnen Riehagens befinden sich
in einem miserablen, die Ordnung und Sicherheit des Staates mit den schwersten
Gefahren bedrohenden Zustand, dem durch sofortiges Einschreiten ein Ende ge¬
macht werden muß.

Tiefzerknirscht ließ der Landrat von Bornhövel die dienstliche Rüge auf sein
schuldiges Haupt herabsausen. Er bat nur um die Erlaubnis, Exzellenz beweisen
zu dürfen, daß die bemängelten Dachrinnen tadellos fungierten. Und wirklich!
Wasserfluten, die durch eine Handfeuerspritze auf die Dächer geleitet wurden, liefen
durch Rinnen und Röhren einwandfrei ab, ohne daß auch nur ein einziger
Tropfen staatsfeindliche Nebenwege einzuschlagen sich vermaß. An allen Dächern
dasselbe Ergebnis. Daran war nicht zu rütteln. Der Oberpräsident war einfach
starr. Die Klopfprobe hatte hier versagt. Überhaupt Klopfprobe! Wer hat mit
diesem Unsinn angefangen? Flugs zum Rathaus, um in einer Sitzung das
Problem zu erörtern! Doch dazu kam eS nicht. Ein elementares Ereignis trat
ein, das den Dingen eine neue Wendung gab.

Sei es, daß die Göttinger Sternwarte dem barometrischen Maximum nicht
die nötige Standfestigkeit verliehen hatte; sei es, daß beim Wettermacher eine
höher bezahlte Gegsnorder eingelaufen war; sei es, daß die nassen Dächer eine
Art Suggestion auf das Firmament ausübten -- kurz, der Himmel überzog sich
plötzlich mit dichtem Grau und begann Bindfaden zu regnen mit jener sanft-
stürmischen Nachdrücklichkeit, die auf einen Dauerzustand schließen ließ. Und da¬
bei lauter offene Wagen! schleunige Umkehr war nötig durch die Dörfer und
Städtchen, die man in den beiden letzten Tagen durchfahren -- oder -- pinkpank
-- durchwandert hatte.

Der Landrat von Bornhövel lenkte den ersten, seinen eigenen Wagen, den
anderen weit voraus. Drinnen saßen der Herr Oberpräsident, der Herr Regie¬
rungspräsident, der Herr Geheime Oberregierungsrat Dr. Mitterwurzer vom
Ministerium des Innern und der Baurat Schubert vom Landwirtschasts-
ministerium.

In Schmargenbach, dessen Dachrinnen gestern als besonders staatserhaltend
gerühmt worden waren, machte der Landrat auf eine Häuserreihe aufmerksam,
von deren Firsten Wasserschwalle auf die Straße Herniederschossen. Exzellenz
knurrten verbissen: "Ick seh nischt!" und schauten nach der anderen Seite. Da
fuhr der Lcmdrat auf die schlimmste Stelle zu und hielt die Pferde an. Ein
Gießbach ging zwischen den hellgrauen Sommerhosen des Oberpräsidenten nieder,
und ein Sturzstrudel suchte den Trichter seines zu den Ohren aufgeschlagenen
Überziehers. Freundlich wandte Bornhövel sich zurück mit der gehorsamsten
Frage: "Vielleicht haben Exzellenz hier eine bessere Übersicht?"

Jetzt wurde der Oberpräsident zärtlich: "Na, Teufelskerlchen, Bornhövelchen,
mein allerliebstes! Ihr habt ja recht wie immer. Senkrecht, wagrecht und üoer-
zwerch! Aber um laß mich raus aus der verfl.....Sauce." Ehe jedoch Born¬
hövel die verwickelten Zügel in Ordnung gebracht hatte, gab ein Wagenruck auch
den drei minderen Mandarinen ihren Anteil an der Wasserversorgung, zu Ex-
zellenzens lebhafter Freude.

Bei steifen Grögern harrte man auf der Station des Zuges. Drei Flaschen
Dreigesternten zauberte Bornhövel herbei als standesgemäße Grundlage. Durch
den Landregen erhielt seine Mühle Oberwasser.

Schon als Junge, so erzählte er, sei es ihm ein beruhigendes Gefühl ge¬
wesen, ,wenn auf langer Bahnfahrt beim Halten auf nächtlichen Stationen der
sich nähernde und entfernende Hammerschlag des Wärters die Wagenachsen zu
einem hellen Präsenzschrei zwang, der zugleich über ihren Gesundheitszustand
untrüglich Auskunft gab. Nun und nimmer sei er aber auf den Gedanken ge¬
kommen, man könne wie den verborgenen Schaden der Achse, so auch Löcher in
einer Dachrinne akustisch feststellen. Auf der höchst instruktiven Ortsbereisung, an
der teilzunehmen er die Ehre habe, beziehungsweise -- leider -- gehabt habe, sei
ihm zwar nun ein neues Licht aufgegangen. Aber seine technischen Kenntnisse


L>int-Park

beziehungsweise Klopfproben das Verdikt: die Dachrinnen Riehagens befinden sich
in einem miserablen, die Ordnung und Sicherheit des Staates mit den schwersten
Gefahren bedrohenden Zustand, dem durch sofortiges Einschreiten ein Ende ge¬
macht werden muß.

Tiefzerknirscht ließ der Landrat von Bornhövel die dienstliche Rüge auf sein
schuldiges Haupt herabsausen. Er bat nur um die Erlaubnis, Exzellenz beweisen
zu dürfen, daß die bemängelten Dachrinnen tadellos fungierten. Und wirklich!
Wasserfluten, die durch eine Handfeuerspritze auf die Dächer geleitet wurden, liefen
durch Rinnen und Röhren einwandfrei ab, ohne daß auch nur ein einziger
Tropfen staatsfeindliche Nebenwege einzuschlagen sich vermaß. An allen Dächern
dasselbe Ergebnis. Daran war nicht zu rütteln. Der Oberpräsident war einfach
starr. Die Klopfprobe hatte hier versagt. Überhaupt Klopfprobe! Wer hat mit
diesem Unsinn angefangen? Flugs zum Rathaus, um in einer Sitzung das
Problem zu erörtern! Doch dazu kam eS nicht. Ein elementares Ereignis trat
ein, das den Dingen eine neue Wendung gab.

Sei es, daß die Göttinger Sternwarte dem barometrischen Maximum nicht
die nötige Standfestigkeit verliehen hatte; sei es, daß beim Wettermacher eine
höher bezahlte Gegsnorder eingelaufen war; sei es, daß die nassen Dächer eine
Art Suggestion auf das Firmament ausübten — kurz, der Himmel überzog sich
plötzlich mit dichtem Grau und begann Bindfaden zu regnen mit jener sanft-
stürmischen Nachdrücklichkeit, die auf einen Dauerzustand schließen ließ. Und da¬
bei lauter offene Wagen! schleunige Umkehr war nötig durch die Dörfer und
Städtchen, die man in den beiden letzten Tagen durchfahren — oder — pinkpank
— durchwandert hatte.

Der Landrat von Bornhövel lenkte den ersten, seinen eigenen Wagen, den
anderen weit voraus. Drinnen saßen der Herr Oberpräsident, der Herr Regie¬
rungspräsident, der Herr Geheime Oberregierungsrat Dr. Mitterwurzer vom
Ministerium des Innern und der Baurat Schubert vom Landwirtschasts-
ministerium.

In Schmargenbach, dessen Dachrinnen gestern als besonders staatserhaltend
gerühmt worden waren, machte der Landrat auf eine Häuserreihe aufmerksam,
von deren Firsten Wasserschwalle auf die Straße Herniederschossen. Exzellenz
knurrten verbissen: „Ick seh nischt!" und schauten nach der anderen Seite. Da
fuhr der Lcmdrat auf die schlimmste Stelle zu und hielt die Pferde an. Ein
Gießbach ging zwischen den hellgrauen Sommerhosen des Oberpräsidenten nieder,
und ein Sturzstrudel suchte den Trichter seines zu den Ohren aufgeschlagenen
Überziehers. Freundlich wandte Bornhövel sich zurück mit der gehorsamsten
Frage: „Vielleicht haben Exzellenz hier eine bessere Übersicht?"

Jetzt wurde der Oberpräsident zärtlich: „Na, Teufelskerlchen, Bornhövelchen,
mein allerliebstes! Ihr habt ja recht wie immer. Senkrecht, wagrecht und üoer-
zwerch! Aber um laß mich raus aus der verfl.....Sauce." Ehe jedoch Born¬
hövel die verwickelten Zügel in Ordnung gebracht hatte, gab ein Wagenruck auch
den drei minderen Mandarinen ihren Anteil an der Wasserversorgung, zu Ex-
zellenzens lebhafter Freude.

Bei steifen Grögern harrte man auf der Station des Zuges. Drei Flaschen
Dreigesternten zauberte Bornhövel herbei als standesgemäße Grundlage. Durch
den Landregen erhielt seine Mühle Oberwasser.

Schon als Junge, so erzählte er, sei es ihm ein beruhigendes Gefühl ge¬
wesen, ,wenn auf langer Bahnfahrt beim Halten auf nächtlichen Stationen der
sich nähernde und entfernende Hammerschlag des Wärters die Wagenachsen zu
einem hellen Präsenzschrei zwang, der zugleich über ihren Gesundheitszustand
untrüglich Auskunft gab. Nun und nimmer sei er aber auf den Gedanken ge¬
kommen, man könne wie den verborgenen Schaden der Achse, so auch Löcher in
einer Dachrinne akustisch feststellen. Auf der höchst instruktiven Ortsbereisung, an
der teilzunehmen er die Ehre habe, beziehungsweise — leider — gehabt habe, sei
ihm zwar nun ein neues Licht aufgegangen. Aber seine technischen Kenntnisse


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0248" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/333731"/>
          <fw type="header" place="top"> L&gt;int-Park</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_949" prev="#ID_948"> beziehungsweise Klopfproben das Verdikt: die Dachrinnen Riehagens befinden sich<lb/>
in einem miserablen, die Ordnung und Sicherheit des Staates mit den schwersten<lb/>
Gefahren bedrohenden Zustand, dem durch sofortiges Einschreiten ein Ende ge¬<lb/>
macht werden muß.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_950"> Tiefzerknirscht ließ der Landrat von Bornhövel die dienstliche Rüge auf sein<lb/>
schuldiges Haupt herabsausen. Er bat nur um die Erlaubnis, Exzellenz beweisen<lb/>
zu dürfen, daß die bemängelten Dachrinnen tadellos fungierten. Und wirklich!<lb/>
Wasserfluten, die durch eine Handfeuerspritze auf die Dächer geleitet wurden, liefen<lb/>
durch Rinnen und Röhren einwandfrei ab, ohne daß auch nur ein einziger<lb/>
Tropfen staatsfeindliche Nebenwege einzuschlagen sich vermaß. An allen Dächern<lb/>
dasselbe Ergebnis. Daran war nicht zu rütteln. Der Oberpräsident war einfach<lb/>
starr. Die Klopfprobe hatte hier versagt. Überhaupt Klopfprobe! Wer hat mit<lb/>
diesem Unsinn angefangen? Flugs zum Rathaus, um in einer Sitzung das<lb/>
Problem zu erörtern! Doch dazu kam eS nicht. Ein elementares Ereignis trat<lb/>
ein, das den Dingen eine neue Wendung gab.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_951"> Sei es, daß die Göttinger Sternwarte dem barometrischen Maximum nicht<lb/>
die nötige Standfestigkeit verliehen hatte; sei es, daß beim Wettermacher eine<lb/>
höher bezahlte Gegsnorder eingelaufen war; sei es, daß die nassen Dächer eine<lb/>
Art Suggestion auf das Firmament ausübten &#x2014; kurz, der Himmel überzog sich<lb/>
plötzlich mit dichtem Grau und begann Bindfaden zu regnen mit jener sanft-<lb/>
stürmischen Nachdrücklichkeit, die auf einen Dauerzustand schließen ließ. Und da¬<lb/>
bei lauter offene Wagen! schleunige Umkehr war nötig durch die Dörfer und<lb/>
Städtchen, die man in den beiden letzten Tagen durchfahren &#x2014; oder &#x2014; pinkpank<lb/>
&#x2014; durchwandert hatte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_952"> Der Landrat von Bornhövel lenkte den ersten, seinen eigenen Wagen, den<lb/>
anderen weit voraus. Drinnen saßen der Herr Oberpräsident, der Herr Regie¬<lb/>
rungspräsident, der Herr Geheime Oberregierungsrat Dr. Mitterwurzer vom<lb/>
Ministerium des Innern und der Baurat Schubert vom Landwirtschasts-<lb/>
ministerium.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_953"> In Schmargenbach, dessen Dachrinnen gestern als besonders staatserhaltend<lb/>
gerühmt worden waren, machte der Landrat auf eine Häuserreihe aufmerksam,<lb/>
von deren Firsten Wasserschwalle auf die Straße Herniederschossen. Exzellenz<lb/>
knurrten verbissen: &#x201E;Ick seh nischt!" und schauten nach der anderen Seite. Da<lb/>
fuhr der Lcmdrat auf die schlimmste Stelle zu und hielt die Pferde an. Ein<lb/>
Gießbach ging zwischen den hellgrauen Sommerhosen des Oberpräsidenten nieder,<lb/>
und ein Sturzstrudel suchte den Trichter seines zu den Ohren aufgeschlagenen<lb/>
Überziehers. Freundlich wandte Bornhövel sich zurück mit der gehorsamsten<lb/>
Frage: &#x201E;Vielleicht haben Exzellenz hier eine bessere Übersicht?"</p><lb/>
          <p xml:id="ID_954"> Jetzt wurde der Oberpräsident zärtlich: &#x201E;Na, Teufelskerlchen, Bornhövelchen,<lb/>
mein allerliebstes! Ihr habt ja recht wie immer. Senkrecht, wagrecht und üoer-<lb/>
zwerch! Aber um laß mich raus aus der verfl.....Sauce." Ehe jedoch Born¬<lb/>
hövel die verwickelten Zügel in Ordnung gebracht hatte, gab ein Wagenruck auch<lb/>
den drei minderen Mandarinen ihren Anteil an der Wasserversorgung, zu Ex-<lb/>
zellenzens lebhafter Freude.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_955"> Bei steifen Grögern harrte man auf der Station des Zuges. Drei Flaschen<lb/>
Dreigesternten zauberte Bornhövel herbei als standesgemäße Grundlage. Durch<lb/>
den Landregen erhielt seine Mühle Oberwasser.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_956" next="#ID_957"> Schon als Junge, so erzählte er, sei es ihm ein beruhigendes Gefühl ge¬<lb/>
wesen, ,wenn auf langer Bahnfahrt beim Halten auf nächtlichen Stationen der<lb/>
sich nähernde und entfernende Hammerschlag des Wärters die Wagenachsen zu<lb/>
einem hellen Präsenzschrei zwang, der zugleich über ihren Gesundheitszustand<lb/>
untrüglich Auskunft gab. Nun und nimmer sei er aber auf den Gedanken ge¬<lb/>
kommen, man könne wie den verborgenen Schaden der Achse, so auch Löcher in<lb/>
einer Dachrinne akustisch feststellen. Auf der höchst instruktiven Ortsbereisung, an<lb/>
der teilzunehmen er die Ehre habe, beziehungsweise &#x2014; leider &#x2014; gehabt habe, sei<lb/>
ihm zwar nun ein neues Licht aufgegangen. Aber seine technischen Kenntnisse</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0248] L>int-Park beziehungsweise Klopfproben das Verdikt: die Dachrinnen Riehagens befinden sich in einem miserablen, die Ordnung und Sicherheit des Staates mit den schwersten Gefahren bedrohenden Zustand, dem durch sofortiges Einschreiten ein Ende ge¬ macht werden muß. Tiefzerknirscht ließ der Landrat von Bornhövel die dienstliche Rüge auf sein schuldiges Haupt herabsausen. Er bat nur um die Erlaubnis, Exzellenz beweisen zu dürfen, daß die bemängelten Dachrinnen tadellos fungierten. Und wirklich! Wasserfluten, die durch eine Handfeuerspritze auf die Dächer geleitet wurden, liefen durch Rinnen und Röhren einwandfrei ab, ohne daß auch nur ein einziger Tropfen staatsfeindliche Nebenwege einzuschlagen sich vermaß. An allen Dächern dasselbe Ergebnis. Daran war nicht zu rütteln. Der Oberpräsident war einfach starr. Die Klopfprobe hatte hier versagt. Überhaupt Klopfprobe! Wer hat mit diesem Unsinn angefangen? Flugs zum Rathaus, um in einer Sitzung das Problem zu erörtern! Doch dazu kam eS nicht. Ein elementares Ereignis trat ein, das den Dingen eine neue Wendung gab. Sei es, daß die Göttinger Sternwarte dem barometrischen Maximum nicht die nötige Standfestigkeit verliehen hatte; sei es, daß beim Wettermacher eine höher bezahlte Gegsnorder eingelaufen war; sei es, daß die nassen Dächer eine Art Suggestion auf das Firmament ausübten — kurz, der Himmel überzog sich plötzlich mit dichtem Grau und begann Bindfaden zu regnen mit jener sanft- stürmischen Nachdrücklichkeit, die auf einen Dauerzustand schließen ließ. Und da¬ bei lauter offene Wagen! schleunige Umkehr war nötig durch die Dörfer und Städtchen, die man in den beiden letzten Tagen durchfahren — oder — pinkpank — durchwandert hatte. Der Landrat von Bornhövel lenkte den ersten, seinen eigenen Wagen, den anderen weit voraus. Drinnen saßen der Herr Oberpräsident, der Herr Regie¬ rungspräsident, der Herr Geheime Oberregierungsrat Dr. Mitterwurzer vom Ministerium des Innern und der Baurat Schubert vom Landwirtschasts- ministerium. In Schmargenbach, dessen Dachrinnen gestern als besonders staatserhaltend gerühmt worden waren, machte der Landrat auf eine Häuserreihe aufmerksam, von deren Firsten Wasserschwalle auf die Straße Herniederschossen. Exzellenz knurrten verbissen: „Ick seh nischt!" und schauten nach der anderen Seite. Da fuhr der Lcmdrat auf die schlimmste Stelle zu und hielt die Pferde an. Ein Gießbach ging zwischen den hellgrauen Sommerhosen des Oberpräsidenten nieder, und ein Sturzstrudel suchte den Trichter seines zu den Ohren aufgeschlagenen Überziehers. Freundlich wandte Bornhövel sich zurück mit der gehorsamsten Frage: „Vielleicht haben Exzellenz hier eine bessere Übersicht?" Jetzt wurde der Oberpräsident zärtlich: „Na, Teufelskerlchen, Bornhövelchen, mein allerliebstes! Ihr habt ja recht wie immer. Senkrecht, wagrecht und üoer- zwerch! Aber um laß mich raus aus der verfl.....Sauce." Ehe jedoch Born¬ hövel die verwickelten Zügel in Ordnung gebracht hatte, gab ein Wagenruck auch den drei minderen Mandarinen ihren Anteil an der Wasserversorgung, zu Ex- zellenzens lebhafter Freude. Bei steifen Grögern harrte man auf der Station des Zuges. Drei Flaschen Dreigesternten zauberte Bornhövel herbei als standesgemäße Grundlage. Durch den Landregen erhielt seine Mühle Oberwasser. Schon als Junge, so erzählte er, sei es ihm ein beruhigendes Gefühl ge¬ wesen, ,wenn auf langer Bahnfahrt beim Halten auf nächtlichen Stationen der sich nähernde und entfernende Hammerschlag des Wärters die Wagenachsen zu einem hellen Präsenzschrei zwang, der zugleich über ihren Gesundheitszustand untrüglich Auskunft gab. Nun und nimmer sei er aber auf den Gedanken ge¬ kommen, man könne wie den verborgenen Schaden der Achse, so auch Löcher in einer Dachrinne akustisch feststellen. Auf der höchst instruktiven Ortsbereisung, an der teilzunehmen er die Ehre habe, beziehungsweise — leider — gehabt habe, sei ihm zwar nun ein neues Licht aufgegangen. Aber seine technischen Kenntnisse

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333482
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333482/248
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333482/248>, abgerufen am 23.07.2024.