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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr.

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Deutsche Selbstbesinnung

Gesamtprüfung hingestellt erweisen sollte. Für Einzelheiten scheint dies ja der
Fall zu sein*). Als dringende Aufgabe ergibt sich ledenfalls. daß die Wissenschaft
für Mittelalter und Neuzeit und zwar für alle Lebenserscheinungen die Frage
"was ist deutsch?" aufwirft und zu beantworten sucht. Dann werden wir auch
über die kühne Behauptung Burdachs Klarheit gewinnen, daß ohne die Impulse
der Renaissance die deutsche Kultur untergegangen wäre.

Ich möchte also die Kontroverse, die sich hier angebahnt hat. hoch werten
als den Beginn der dringend nötigen Erörterung über deutsches Wesen, die den
Grundstein unserer künftigen Deutschwissenschaft bilden muß. Und diese wieder,
durch das Medium kräftiger Persönlichkeiten hindurchgegangen, wird die Erziehung
zu deutschem Selbstgefühl in weite Kreise tragen. Die Deutschwissenschaft oder
Deutschkunde (vgl. meinen Aufsatz in den ..Grenzboten" 1917 II Seite 137 ff,) wird
das vorhandene Wissensmaterial unter dem Gesichtspunkt neuordnen und nach
der Richtung weiter ausbauen, daß sie fragt: Inwiefern gewinnen wir daraus neue
Erkenntnis deutscher Art und fördern deutsches Leben? "Festigung des Bandes, das
als stolzes Bewußtsein der Volkszugehörigkeit alle Deutschen zusammenhält, flösse
aus dieser Darzeigung deutschen Wesens, in denen der ganze Menschheitswert
unserer Art zu volkstümlicher Offenbarung wird, und die in diesem Wert gelegene
Kraft würde über den Kreis der deutschen Gemeinschaft werben unter allen Völkern
der Erde, die guten Willens sind". So formuliert Walter Schmied-Kowarzik
in einem empfehlenswerten kleinen Buch'*) den Zukunftsausblick. Er zeigt, wie
der Gedanke einer "Gesellschaft der Deutschwissenschaften" seit der Humanistenzeit
immer wieder auftaucht, und man sieht aus seiner Darlegung, wie er sich geklärt
hat und immer deutlicher als Inhalt die oben umschriebene Aufgabe vor sich stellt.

Aber sollen wir nun warten, bis die wissenschaftlichen Grundlagen alle
bombenfest stehen? Nein, tausendmal nein! Wo die Überzeugung gewisse Ziele
für die Erziehung unseres Volkes als heilsam setzt, soll ste steh freudig aussprechen
und auswirken dürfen. So haben denn auch die nicht geschwiegen, die sich
berufenglaubten. Wege zu deutscher Zukunft zu weisen. Freilich wird hier kritische
Auseinandersetzung nötig. ^

Eine dringende Forderung scheint es zu sem, die Seutsche Kunst als un¬
mittelbarste Wesensäußerung unserer völkischen Art gegen das Überwuchern des
Volksfremden zu schützen. Wenn irgendwo, muß hier auf den Eigenwuchs der
Hauptwert gelegt werden, die deutsche Kunst als Auswirkung des deutschen Be¬
wußtseins erscheinen und ohne Blicke nach rechts und links auf ihren Weg gestellt
werden. Deshalb muß es zurückgewiesen werden, wenn Hermann Muthesius
der Kunst durchaus exzentrische Motive für ihre Betätigung zuweist.*") Wie ihm
französische Aufschriften an den Geschäften nicht deshalb abzulehnen sind, weil
unser unwürdig, sondern weil dieser Zug "im Gesicht unseres Volkscharakters"
uns bei den Nachbarn Geringschätzung einträgt, so erscheint ihm als Ziel deutscher
Kunst nach dem Kriege: Anerkennung in der ganzen Welt, "führend auch aus
diesem Gebiets zu werden, der Zukunft ihren Stil zu geben". Es ist merkwürdig,
wie bei Muthesius der Begriff der Kunst sich nach der wirtschaftlichen Seite





*) Konrad Burdach, "Deutsche Renaissance", Heft 4 der "Deutschen Abende" (Vortraq
im Zentralinstitut für Erziehung und Unterricht), Berlin 1916, Mittler.
**) "Die Gesamtwissenschaft vom Deutschtum und ihre Organisation, ein Sehnsuchtsruf
dreier Jahrhunderte" (Bucher der Fichte-Gesellschaft, Band I), Hamburg 1918 (Deutsch-
nationale Verlagsanstalt A-G,), Im Anhang der Aufruf Ndalvert Luntvwskis "Fichte-
Hochschulen als deutschwissenschaftliche Bildungsstätten". Schmied-Kowarzik betonte
früher in "Ein Weltbund des Deutschtums" (Leipzig 1917, Welcher) die organisatorische
Zusammenfassung des Auslandsdeutschtums mit dem heimischen Volk.
"
^Die Zukunft der deutschen Form (Der deutsche Krieg, herausgegeben von Jacks,
Heft 60), Stuttgart, De, Verl.-Aust. Die andere hierher gehörige Schrift "Der Deutsche nach dem
Kriege" (Weltkultur und Weltpolitik, herausgegeben von Jacks. Deutsche Folge Heft 4)
München 1916, Bruckmann, ist ebenso einseitig orientiert. Aufdringlich will man dem Ausland
sich nähern, nötigenfalls durch das Tamtam einer Weltausstellung Hunderttausende nach
Berlin locken, damit der Ausländer den Deutschen ja kennen lerne!
Deutsche Selbstbesinnung

Gesamtprüfung hingestellt erweisen sollte. Für Einzelheiten scheint dies ja der
Fall zu sein*). Als dringende Aufgabe ergibt sich ledenfalls. daß die Wissenschaft
für Mittelalter und Neuzeit und zwar für alle Lebenserscheinungen die Frage
„was ist deutsch?" aufwirft und zu beantworten sucht. Dann werden wir auch
über die kühne Behauptung Burdachs Klarheit gewinnen, daß ohne die Impulse
der Renaissance die deutsche Kultur untergegangen wäre.

Ich möchte also die Kontroverse, die sich hier angebahnt hat. hoch werten
als den Beginn der dringend nötigen Erörterung über deutsches Wesen, die den
Grundstein unserer künftigen Deutschwissenschaft bilden muß. Und diese wieder,
durch das Medium kräftiger Persönlichkeiten hindurchgegangen, wird die Erziehung
zu deutschem Selbstgefühl in weite Kreise tragen. Die Deutschwissenschaft oder
Deutschkunde (vgl. meinen Aufsatz in den ..Grenzboten" 1917 II Seite 137 ff,) wird
das vorhandene Wissensmaterial unter dem Gesichtspunkt neuordnen und nach
der Richtung weiter ausbauen, daß sie fragt: Inwiefern gewinnen wir daraus neue
Erkenntnis deutscher Art und fördern deutsches Leben? „Festigung des Bandes, das
als stolzes Bewußtsein der Volkszugehörigkeit alle Deutschen zusammenhält, flösse
aus dieser Darzeigung deutschen Wesens, in denen der ganze Menschheitswert
unserer Art zu volkstümlicher Offenbarung wird, und die in diesem Wert gelegene
Kraft würde über den Kreis der deutschen Gemeinschaft werben unter allen Völkern
der Erde, die guten Willens sind". So formuliert Walter Schmied-Kowarzik
in einem empfehlenswerten kleinen Buch'*) den Zukunftsausblick. Er zeigt, wie
der Gedanke einer „Gesellschaft der Deutschwissenschaften" seit der Humanistenzeit
immer wieder auftaucht, und man sieht aus seiner Darlegung, wie er sich geklärt
hat und immer deutlicher als Inhalt die oben umschriebene Aufgabe vor sich stellt.

Aber sollen wir nun warten, bis die wissenschaftlichen Grundlagen alle
bombenfest stehen? Nein, tausendmal nein! Wo die Überzeugung gewisse Ziele
für die Erziehung unseres Volkes als heilsam setzt, soll ste steh freudig aussprechen
und auswirken dürfen. So haben denn auch die nicht geschwiegen, die sich
berufenglaubten. Wege zu deutscher Zukunft zu weisen. Freilich wird hier kritische
Auseinandersetzung nötig. ^

Eine dringende Forderung scheint es zu sem, die Seutsche Kunst als un¬
mittelbarste Wesensäußerung unserer völkischen Art gegen das Überwuchern des
Volksfremden zu schützen. Wenn irgendwo, muß hier auf den Eigenwuchs der
Hauptwert gelegt werden, die deutsche Kunst als Auswirkung des deutschen Be¬
wußtseins erscheinen und ohne Blicke nach rechts und links auf ihren Weg gestellt
werden. Deshalb muß es zurückgewiesen werden, wenn Hermann Muthesius
der Kunst durchaus exzentrische Motive für ihre Betätigung zuweist.*") Wie ihm
französische Aufschriften an den Geschäften nicht deshalb abzulehnen sind, weil
unser unwürdig, sondern weil dieser Zug „im Gesicht unseres Volkscharakters"
uns bei den Nachbarn Geringschätzung einträgt, so erscheint ihm als Ziel deutscher
Kunst nach dem Kriege: Anerkennung in der ganzen Welt, „führend auch aus
diesem Gebiets zu werden, der Zukunft ihren Stil zu geben". Es ist merkwürdig,
wie bei Muthesius der Begriff der Kunst sich nach der wirtschaftlichen Seite





*) Konrad Burdach, „Deutsche Renaissance", Heft 4 der „Deutschen Abende" (Vortraq
im Zentralinstitut für Erziehung und Unterricht), Berlin 1916, Mittler.
**) „Die Gesamtwissenschaft vom Deutschtum und ihre Organisation, ein Sehnsuchtsruf
dreier Jahrhunderte" (Bucher der Fichte-Gesellschaft, Band I), Hamburg 1918 (Deutsch-
nationale Verlagsanstalt A-G,), Im Anhang der Aufruf Ndalvert Luntvwskis „Fichte-
Hochschulen als deutschwissenschaftliche Bildungsstätten". Schmied-Kowarzik betonte
früher in „Ein Weltbund des Deutschtums" (Leipzig 1917, Welcher) die organisatorische
Zusammenfassung des Auslandsdeutschtums mit dem heimischen Volk.
"
^Die Zukunft der deutschen Form (Der deutsche Krieg, herausgegeben von Jacks,
Heft 60), Stuttgart, De, Verl.-Aust. Die andere hierher gehörige Schrift „Der Deutsche nach dem
Kriege" (Weltkultur und Weltpolitik, herausgegeben von Jacks. Deutsche Folge Heft 4)
München 1916, Bruckmann, ist ebenso einseitig orientiert. Aufdringlich will man dem Ausland
sich nähern, nötigenfalls durch das Tamtam einer Weltausstellung Hunderttausende nach
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[0361] Deutsche Selbstbesinnung Gesamtprüfung hingestellt erweisen sollte. Für Einzelheiten scheint dies ja der Fall zu sein*). Als dringende Aufgabe ergibt sich ledenfalls. daß die Wissenschaft für Mittelalter und Neuzeit und zwar für alle Lebenserscheinungen die Frage „was ist deutsch?" aufwirft und zu beantworten sucht. Dann werden wir auch über die kühne Behauptung Burdachs Klarheit gewinnen, daß ohne die Impulse der Renaissance die deutsche Kultur untergegangen wäre. Ich möchte also die Kontroverse, die sich hier angebahnt hat. hoch werten als den Beginn der dringend nötigen Erörterung über deutsches Wesen, die den Grundstein unserer künftigen Deutschwissenschaft bilden muß. Und diese wieder, durch das Medium kräftiger Persönlichkeiten hindurchgegangen, wird die Erziehung zu deutschem Selbstgefühl in weite Kreise tragen. Die Deutschwissenschaft oder Deutschkunde (vgl. meinen Aufsatz in den ..Grenzboten" 1917 II Seite 137 ff,) wird das vorhandene Wissensmaterial unter dem Gesichtspunkt neuordnen und nach der Richtung weiter ausbauen, daß sie fragt: Inwiefern gewinnen wir daraus neue Erkenntnis deutscher Art und fördern deutsches Leben? „Festigung des Bandes, das als stolzes Bewußtsein der Volkszugehörigkeit alle Deutschen zusammenhält, flösse aus dieser Darzeigung deutschen Wesens, in denen der ganze Menschheitswert unserer Art zu volkstümlicher Offenbarung wird, und die in diesem Wert gelegene Kraft würde über den Kreis der deutschen Gemeinschaft werben unter allen Völkern der Erde, die guten Willens sind". So formuliert Walter Schmied-Kowarzik in einem empfehlenswerten kleinen Buch'*) den Zukunftsausblick. Er zeigt, wie der Gedanke einer „Gesellschaft der Deutschwissenschaften" seit der Humanistenzeit immer wieder auftaucht, und man sieht aus seiner Darlegung, wie er sich geklärt hat und immer deutlicher als Inhalt die oben umschriebene Aufgabe vor sich stellt. Aber sollen wir nun warten, bis die wissenschaftlichen Grundlagen alle bombenfest stehen? Nein, tausendmal nein! Wo die Überzeugung gewisse Ziele für die Erziehung unseres Volkes als heilsam setzt, soll ste steh freudig aussprechen und auswirken dürfen. So haben denn auch die nicht geschwiegen, die sich berufenglaubten. Wege zu deutscher Zukunft zu weisen. Freilich wird hier kritische Auseinandersetzung nötig. ^ Eine dringende Forderung scheint es zu sem, die Seutsche Kunst als un¬ mittelbarste Wesensäußerung unserer völkischen Art gegen das Überwuchern des Volksfremden zu schützen. Wenn irgendwo, muß hier auf den Eigenwuchs der Hauptwert gelegt werden, die deutsche Kunst als Auswirkung des deutschen Be¬ wußtseins erscheinen und ohne Blicke nach rechts und links auf ihren Weg gestellt werden. Deshalb muß es zurückgewiesen werden, wenn Hermann Muthesius der Kunst durchaus exzentrische Motive für ihre Betätigung zuweist.*") Wie ihm französische Aufschriften an den Geschäften nicht deshalb abzulehnen sind, weil unser unwürdig, sondern weil dieser Zug „im Gesicht unseres Volkscharakters" uns bei den Nachbarn Geringschätzung einträgt, so erscheint ihm als Ziel deutscher Kunst nach dem Kriege: Anerkennung in der ganzen Welt, „führend auch aus diesem Gebiets zu werden, der Zukunft ihren Stil zu geben". Es ist merkwürdig, wie bei Muthesius der Begriff der Kunst sich nach der wirtschaftlichen Seite *) Konrad Burdach, „Deutsche Renaissance", Heft 4 der „Deutschen Abende" (Vortraq im Zentralinstitut für Erziehung und Unterricht), Berlin 1916, Mittler. **) „Die Gesamtwissenschaft vom Deutschtum und ihre Organisation, ein Sehnsuchtsruf dreier Jahrhunderte" (Bucher der Fichte-Gesellschaft, Band I), Hamburg 1918 (Deutsch- nationale Verlagsanstalt A-G,), Im Anhang der Aufruf Ndalvert Luntvwskis „Fichte- Hochschulen als deutschwissenschaftliche Bildungsstätten". Schmied-Kowarzik betonte früher in „Ein Weltbund des Deutschtums" (Leipzig 1917, Welcher) die organisatorische Zusammenfassung des Auslandsdeutschtums mit dem heimischen Volk. " ^Die Zukunft der deutschen Form (Der deutsche Krieg, herausgegeben von Jacks, Heft 60), Stuttgart, De, Verl.-Aust. Die andere hierher gehörige Schrift „Der Deutsche nach dem Kriege" (Weltkultur und Weltpolitik, herausgegeben von Jacks. Deutsche Folge Heft 4) München 1916, Bruckmann, ist ebenso einseitig orientiert. Aufdringlich will man dem Ausland sich nähern, nötigenfalls durch das Tamtam einer Weltausstellung Hunderttausende nach Berlin locken, damit der Ausländer den Deutschen ja kennen lerne!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333095/361>, abgerufen am 22.07.2024.