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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr.

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Deutsche Selbstbesinnung

kommt, daß unsere eigenen Beobachtungen über die Natur unseres Volkes auch
deshalb den Vorzug verdienen, "weil den Ausländern, namentlich den nicht¬
germanischen, unser innerstes Wesen ein Buch mit sieben Siegeln ist und stets
bleiben wird". Aus diesem Grunde sollte die prächtige Materialsammlung vor¬
wiegend deutscher Urteile über deutsches Wesen, deutsche Tugenden und Laster, die
der stattliche Band von Hanns Floeike*) bietet, zu Ständigem Gebrauche im Bücher¬
schrank jedes Mannes stehen, der sich gedrungen fühlt, deutscher Art nachzuforschen
und nachzuleben, wobei zum Nachleben neben der Klärung begrifflicher Art natürlich
die gefühlsmäßige Unterlage nicht zu entbehren wäre.

Wer nun aber versucht, unser Wesen nicht wie ein Mosaik aus vielen
Einzelligen zusammenzusetzen, sondern in seinem organischen Zusammenhang zu
begreifen, in seinen Wurzeln aufzusuchen**), der pflegt auf den deutschen Idealismus
oder die deutsche Innerlichkeit hinzuweisen. Aus der Fülle der Schriften, die je
nach der Artung der Verfasser diesen Gegenstand aufzuzeigen versuchen, sind vor¬
weg die kleinen Bücher von Heinrich Scholz***) und Ernst Bergmann s-) zu nennen.
Besonders dem 'scholzschen Buche ist eine Klarheit der Gedankenführung eigen,
die klassisch genannt werden kann. Beide Verfasser müssen sich natürlich mit dem
Problem auseinandersetzen, wie sich Idealismus und Realismus in uns vereinen,
wie Weimar und Potsdam, Innerlichkeit und Expansion, "die dynamische und die
inhaltliche Linie" ff) miteinandergehen können. Deutscher Tutwille ist aus dem
Geiste des Idealismus im Kreise Fichtes geboren, also keine Abkehr vom Geiste
Weimars. Und Bismarck, der Realist in der Politik, ist doch auch der Verwirk¬
liche! und Ermöglicher idealistischen Strebens, der Staat unserer Zeit aber gewinnt
immer mehr die Bedeutung eines Trägers geistiger Interessen. Also wir sind
Idealisten, auch wo wir Realisten sind, unser Realismus ist idealistisch in Wurzel
und Ziel. Denn Deutschland erstrebt ja nicht politische Macht um der Herrschaft
willen oder des materiellen Wohlseins, sondern, wie Humboldt schon 1813 vor-
ahnend sagte, "es nutz frei und stark sein, um das notwendige Selbstgefühl zu
nähren, seiner Naüonalentwicklung ruhig und ungestört nachzugehen und die
wohltätige Stelle, die es in der Mitte der europäischen Nationen einnimmt,
dauernd behaupten zu können."

In diesem Zusammenhange muß auch auf ein Büchlein hingewiesen werden,
das unsere Wesensart von anderem Gesichtspunkte zu klären sucht und hierbei
in der Tat einen Generalnenner findet, unter dem sich unsere und der anderen
Wesensart vergleichen läßt; ich meine die Schrift von Wilhelm Teudifff). Der
Grad der Sachlichkeit, mit dem wir den Gegenständen entgegenzutreten pflegen,
ist größer als der bei anderen Nationen. Und indem wir dies nicht erkannten
und den Gegnern mundeten, daß sie. Tatsachenbeweise anerkennen würden, haben
wir uns getäuscht. Offenbar ist unsere Gewöhnung, im Namen der Sachlichkeit
gegen jedes Übermatz selbstischen Strebens zu polemisieren, der Grund, weshalb
wir so oft "allzugerecht" zu Verfechtern fremder Interessen werden. So ist unser
sachliches Denken, wodurch wir den Nachbarn an Wert überlegen sind, zugleich
zu einem Feind unseres politischen VorschreiienS geworden.








*) "Deutsches Wesen im Spiegel der Zeiten". Berlin 1916. Reicht.
**'
) Um Irrtum auszuschließen, sei erwähnt, daß es sich bei dem Buche "Die Seele
deines Volkes, ein deutscher Charakterspiegel" von Kurt Engelbrecht (Halle 19l6, Mühl¬
mann) um diese Absicht nicht handelt. Ein Erziehungs- und Lebensbuch von hohem sittlichem
Ernst und insofern auch ein deutsches Buch, aber ohneTendenz aus Erziehung zum Deutschtum,
zumal ja in unserem Wesen durchaus nicht lauter sittlich gute Eigenschaften wohnen.
"**"
) "Das Wesen des deutschen Geistes (Schriften zur Zeit und Geschichte 6), Berlin
1917, Grote.
-'"
s) "Die weltgeschichtliche Mission der deutschen Bildung (Perthes Schriften zum
Weltkrieg 1), Gotha 1916, Perthes.
ff) So Reinhold Buchwald in einer eben bei Diederichs in Jena erscheinenden Schrift
über den deutschen Nationalcharakter."
fff) "Die deutsche Sachlichkeit und der Weltkrieg. Godesberg 1917, naturwissen¬
schaftlicher Verlag.
Deutsche Selbstbesinnung

kommt, daß unsere eigenen Beobachtungen über die Natur unseres Volkes auch
deshalb den Vorzug verdienen, „weil den Ausländern, namentlich den nicht¬
germanischen, unser innerstes Wesen ein Buch mit sieben Siegeln ist und stets
bleiben wird". Aus diesem Grunde sollte die prächtige Materialsammlung vor¬
wiegend deutscher Urteile über deutsches Wesen, deutsche Tugenden und Laster, die
der stattliche Band von Hanns Floeike*) bietet, zu Ständigem Gebrauche im Bücher¬
schrank jedes Mannes stehen, der sich gedrungen fühlt, deutscher Art nachzuforschen
und nachzuleben, wobei zum Nachleben neben der Klärung begrifflicher Art natürlich
die gefühlsmäßige Unterlage nicht zu entbehren wäre.

Wer nun aber versucht, unser Wesen nicht wie ein Mosaik aus vielen
Einzelligen zusammenzusetzen, sondern in seinem organischen Zusammenhang zu
begreifen, in seinen Wurzeln aufzusuchen**), der pflegt auf den deutschen Idealismus
oder die deutsche Innerlichkeit hinzuweisen. Aus der Fülle der Schriften, die je
nach der Artung der Verfasser diesen Gegenstand aufzuzeigen versuchen, sind vor¬
weg die kleinen Bücher von Heinrich Scholz***) und Ernst Bergmann s-) zu nennen.
Besonders dem 'scholzschen Buche ist eine Klarheit der Gedankenführung eigen,
die klassisch genannt werden kann. Beide Verfasser müssen sich natürlich mit dem
Problem auseinandersetzen, wie sich Idealismus und Realismus in uns vereinen,
wie Weimar und Potsdam, Innerlichkeit und Expansion, „die dynamische und die
inhaltliche Linie" ff) miteinandergehen können. Deutscher Tutwille ist aus dem
Geiste des Idealismus im Kreise Fichtes geboren, also keine Abkehr vom Geiste
Weimars. Und Bismarck, der Realist in der Politik, ist doch auch der Verwirk¬
liche! und Ermöglicher idealistischen Strebens, der Staat unserer Zeit aber gewinnt
immer mehr die Bedeutung eines Trägers geistiger Interessen. Also wir sind
Idealisten, auch wo wir Realisten sind, unser Realismus ist idealistisch in Wurzel
und Ziel. Denn Deutschland erstrebt ja nicht politische Macht um der Herrschaft
willen oder des materiellen Wohlseins, sondern, wie Humboldt schon 1813 vor-
ahnend sagte, „es nutz frei und stark sein, um das notwendige Selbstgefühl zu
nähren, seiner Naüonalentwicklung ruhig und ungestört nachzugehen und die
wohltätige Stelle, die es in der Mitte der europäischen Nationen einnimmt,
dauernd behaupten zu können."

In diesem Zusammenhange muß auch auf ein Büchlein hingewiesen werden,
das unsere Wesensart von anderem Gesichtspunkte zu klären sucht und hierbei
in der Tat einen Generalnenner findet, unter dem sich unsere und der anderen
Wesensart vergleichen läßt; ich meine die Schrift von Wilhelm Teudifff). Der
Grad der Sachlichkeit, mit dem wir den Gegenständen entgegenzutreten pflegen,
ist größer als der bei anderen Nationen. Und indem wir dies nicht erkannten
und den Gegnern mundeten, daß sie. Tatsachenbeweise anerkennen würden, haben
wir uns getäuscht. Offenbar ist unsere Gewöhnung, im Namen der Sachlichkeit
gegen jedes Übermatz selbstischen Strebens zu polemisieren, der Grund, weshalb
wir so oft „allzugerecht" zu Verfechtern fremder Interessen werden. So ist unser
sachliches Denken, wodurch wir den Nachbarn an Wert überlegen sind, zugleich
zu einem Feind unseres politischen VorschreiienS geworden.








*) „Deutsches Wesen im Spiegel der Zeiten". Berlin 1916. Reicht.
**'
) Um Irrtum auszuschließen, sei erwähnt, daß es sich bei dem Buche „Die Seele
deines Volkes, ein deutscher Charakterspiegel" von Kurt Engelbrecht (Halle 19l6, Mühl¬
mann) um diese Absicht nicht handelt. Ein Erziehungs- und Lebensbuch von hohem sittlichem
Ernst und insofern auch ein deutsches Buch, aber ohneTendenz aus Erziehung zum Deutschtum,
zumal ja in unserem Wesen durchaus nicht lauter sittlich gute Eigenschaften wohnen.
"**"
) „Das Wesen des deutschen Geistes (Schriften zur Zeit und Geschichte 6), Berlin
1917, Grote.
-'"
s) „Die weltgeschichtliche Mission der deutschen Bildung (Perthes Schriften zum
Weltkrieg 1), Gotha 1916, Perthes.
ff) So Reinhold Buchwald in einer eben bei Diederichs in Jena erscheinenden Schrift
über den deutschen Nationalcharakter."
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schaftlicher Verlag.
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[0358] Deutsche Selbstbesinnung kommt, daß unsere eigenen Beobachtungen über die Natur unseres Volkes auch deshalb den Vorzug verdienen, „weil den Ausländern, namentlich den nicht¬ germanischen, unser innerstes Wesen ein Buch mit sieben Siegeln ist und stets bleiben wird". Aus diesem Grunde sollte die prächtige Materialsammlung vor¬ wiegend deutscher Urteile über deutsches Wesen, deutsche Tugenden und Laster, die der stattliche Band von Hanns Floeike*) bietet, zu Ständigem Gebrauche im Bücher¬ schrank jedes Mannes stehen, der sich gedrungen fühlt, deutscher Art nachzuforschen und nachzuleben, wobei zum Nachleben neben der Klärung begrifflicher Art natürlich die gefühlsmäßige Unterlage nicht zu entbehren wäre. Wer nun aber versucht, unser Wesen nicht wie ein Mosaik aus vielen Einzelligen zusammenzusetzen, sondern in seinem organischen Zusammenhang zu begreifen, in seinen Wurzeln aufzusuchen**), der pflegt auf den deutschen Idealismus oder die deutsche Innerlichkeit hinzuweisen. Aus der Fülle der Schriften, die je nach der Artung der Verfasser diesen Gegenstand aufzuzeigen versuchen, sind vor¬ weg die kleinen Bücher von Heinrich Scholz***) und Ernst Bergmann s-) zu nennen. Besonders dem 'scholzschen Buche ist eine Klarheit der Gedankenführung eigen, die klassisch genannt werden kann. Beide Verfasser müssen sich natürlich mit dem Problem auseinandersetzen, wie sich Idealismus und Realismus in uns vereinen, wie Weimar und Potsdam, Innerlichkeit und Expansion, „die dynamische und die inhaltliche Linie" ff) miteinandergehen können. Deutscher Tutwille ist aus dem Geiste des Idealismus im Kreise Fichtes geboren, also keine Abkehr vom Geiste Weimars. Und Bismarck, der Realist in der Politik, ist doch auch der Verwirk¬ liche! und Ermöglicher idealistischen Strebens, der Staat unserer Zeit aber gewinnt immer mehr die Bedeutung eines Trägers geistiger Interessen. Also wir sind Idealisten, auch wo wir Realisten sind, unser Realismus ist idealistisch in Wurzel und Ziel. Denn Deutschland erstrebt ja nicht politische Macht um der Herrschaft willen oder des materiellen Wohlseins, sondern, wie Humboldt schon 1813 vor- ahnend sagte, „es nutz frei und stark sein, um das notwendige Selbstgefühl zu nähren, seiner Naüonalentwicklung ruhig und ungestört nachzugehen und die wohltätige Stelle, die es in der Mitte der europäischen Nationen einnimmt, dauernd behaupten zu können." In diesem Zusammenhange muß auch auf ein Büchlein hingewiesen werden, das unsere Wesensart von anderem Gesichtspunkte zu klären sucht und hierbei in der Tat einen Generalnenner findet, unter dem sich unsere und der anderen Wesensart vergleichen läßt; ich meine die Schrift von Wilhelm Teudifff). Der Grad der Sachlichkeit, mit dem wir den Gegenständen entgegenzutreten pflegen, ist größer als der bei anderen Nationen. Und indem wir dies nicht erkannten und den Gegnern mundeten, daß sie. Tatsachenbeweise anerkennen würden, haben wir uns getäuscht. Offenbar ist unsere Gewöhnung, im Namen der Sachlichkeit gegen jedes Übermatz selbstischen Strebens zu polemisieren, der Grund, weshalb wir so oft „allzugerecht" zu Verfechtern fremder Interessen werden. So ist unser sachliches Denken, wodurch wir den Nachbarn an Wert überlegen sind, zugleich zu einem Feind unseres politischen VorschreiienS geworden. *) „Deutsches Wesen im Spiegel der Zeiten". Berlin 1916. Reicht. **' ) Um Irrtum auszuschließen, sei erwähnt, daß es sich bei dem Buche „Die Seele deines Volkes, ein deutscher Charakterspiegel" von Kurt Engelbrecht (Halle 19l6, Mühl¬ mann) um diese Absicht nicht handelt. Ein Erziehungs- und Lebensbuch von hohem sittlichem Ernst und insofern auch ein deutsches Buch, aber ohneTendenz aus Erziehung zum Deutschtum, zumal ja in unserem Wesen durchaus nicht lauter sittlich gute Eigenschaften wohnen. "**" ) „Das Wesen des deutschen Geistes (Schriften zur Zeit und Geschichte 6), Berlin 1917, Grote. -'" s) „Die weltgeschichtliche Mission der deutschen Bildung (Perthes Schriften zum Weltkrieg 1), Gotha 1916, Perthes. ff) So Reinhold Buchwald in einer eben bei Diederichs in Jena erscheinenden Schrift über den deutschen Nationalcharakter." fff) „Die deutsche Sachlichkeit und der Weltkrieg. Godesberg 1917, naturwissen¬ schaftlicher Verlag.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333095/358>, abgerufen am 24.08.2024.