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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr.

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uoch nicht so weit, daß man an eine Verwirklichung der Forderung denken könne.
Die Dinge sind in der Tat noch nicht so weit. Vorläufig verbaut sich das
"Berliner Tageblatt" die eigene Straße, indem es den Bogen in anderer Weise
überspannt. l)r. Friedberg hielt es nicht für bedauerlich, wenn "die konservative
Einseitigkeit in der Verwaltung verschwinden" würde. Das "Berliner Tageblatt"
kommentiert: Der Minister habe damit ebenso wie der Vizekanzler im Reich alle
Brücken zu den Konservativen abgebrochen und auf ihre "positive" Mitarbeit
verzichtet. Das hat der Stellvertreter des Grafen Hertling in Preußen ebenso¬
wenig getan, wie dieser selbst') in seinem berichtigenden und beschwichtigenden
Nachtrag zur Polemik des Herrn von Payer. Wohl aber ist es der Wunsch des
Berliner Blattes (anscheinend ebenso des Vizekanzlers), und eben hier legt man-
sich selber Fallstricke. Denn gerade den hinkenden Parlamentarismus einer all¬
mächtigen Partei ohne die Möglichkeit des Wechsels, wie ihn die Liberalen in
Preußen und Bayern gegenüber Konservativen und Zentrum bekämpft hatten,
Mehl man jetzt mit verteilten Rollen fortzusetzen. Durch diese Versteifung des
Parlamentarischen Systems bewirkt man aber nnr, daß es bei uns in absehbarer
Zeit nie auf die Beine kommt!

Das Verhalten des Vizekanzlers in seiner großen Antrittsrede wirkt in der¬
selben Richtung. Er muß sich vom "Bayerischen Courier", dem führenden Zentrums¬
blatte des Königreiches, vorwerfen lassen, die Bedeutung des Reichstages im ent¬
scheidenden Augenblick auf den Wert einer politischen Fechterschule herabgedrückt
M haben! Und zwar nicht ohne Grund, denn die Konservativen haben dem
Minister keineswegs "den Fehdehandschuh hingeworfen" oder sogar "ins Gesicht
geworfen", wie ein Leitartikel der "Berliner Börsen-Zeitung" behauptet, sondern
sie haben nur den ihnen selbst wirklich geradezu ius Gesicht geschleuderten auf¬
genommen. Eine Partei von solchen Überlieferungen und Verdiensten wie die
ihrige mußte es in der Tat als Schimpf ansehen, mit den Ultras bolschewistischer
Färbung über einen Kamin geschoren zu werden"").

Herrn von Payer mag das parlamentarische Ideal, einen möglichst klaren,
einheitlichen Mehrheitswillcn nnter Ausschluß aller störenden Elemente herzustellen,
Zu seinem Vorgehen bewogen haben (das glaubt die "Vossische Zeitung"), weit¬
blickend war es, wie gesagt, nicht- denn wenn jetzt die Konservativen gleichsam
aus dem Staatsleben ausgeschaltet werden sollen, wie ehedem die Sozialdemokratie,
so kehrt die alte Schwierigkeit wieder, daß nämlich die auf diese Weise zurecht¬
gemachte Maschine des deutschen Parlamentarismus nicht zu arbeiten vermag.
Das "Zweiparteiensystem", von dein Friedrich Naumann seit Bethmanns Sturze
auch bei uns reden möchte, ist nichts weiter als eine Fiktion. Wir haben eine
"Opposition", die von der Mehrheit verfemt wird, insbesondere durch Aberkennung
M-er Regieruugssäyigkeit. Und wir haben eine "Regierungspartei", in deren
Leiden die Opposition gegen die eigenen Führer (vgl. oben die Äußerung des
"Bayerischen Couriers") nicht unterdrückt werden kann, die überhaupt an allen
schwächen einer Koalition krankt.

Nach dem weiter oben Ausgeführten lassen sich die deutschen Anschauungen
5'ber "Parlamentarismus" (wenn von der völlig ablehnenden Haltung der Kor-
^rvcitiven abgesehen wird) in eine extreme und eine gemäßigte Gruppe sondern,
xwr Gesichtsfeld der "exaltAcios" liegt nicht weniger als eine radikale Umwand¬
lung unserer Regierung und zugleich'auch unserer Staatsform. Hier erheben sich
^e von den Befürwortern des Wechsels begreiflicherweise allzu leicht genommenen
-Probleme eines neuen Reichs- und Fürstenrechies. Einiges davon wurde vor
"^erzehn Tagen an dieser Stelle angedeutet. Die .Mocteraclas" (vgl. die er¬
ahnden Vorschläge der "Germania", des nationalliberalen Zentralvorstandes, des
Münsters Friedberg) wollen sich mit gewissen Verbesserungen des herrschenden




*) Graf Hertling appellierte im Gegenteil an die Mitarbeit der konservativen Partei.
"kU- .Kreuzzeitung" vom 3 März 1918.
b.,,> Auch hier verleitete die Bequemlichkeit des Formeldenkens den Minister zu un-
enunnierter Umwendung des "pscs pro toto".

uoch nicht so weit, daß man an eine Verwirklichung der Forderung denken könne.
Die Dinge sind in der Tat noch nicht so weit. Vorläufig verbaut sich das
»Berliner Tageblatt" die eigene Straße, indem es den Bogen in anderer Weise
überspannt. l)r. Friedberg hielt es nicht für bedauerlich, wenn „die konservative
Einseitigkeit in der Verwaltung verschwinden" würde. Das „Berliner Tageblatt"
kommentiert: Der Minister habe damit ebenso wie der Vizekanzler im Reich alle
Brücken zu den Konservativen abgebrochen und auf ihre „positive" Mitarbeit
verzichtet. Das hat der Stellvertreter des Grafen Hertling in Preußen ebenso¬
wenig getan, wie dieser selbst') in seinem berichtigenden und beschwichtigenden
Nachtrag zur Polemik des Herrn von Payer. Wohl aber ist es der Wunsch des
Berliner Blattes (anscheinend ebenso des Vizekanzlers), und eben hier legt man-
sich selber Fallstricke. Denn gerade den hinkenden Parlamentarismus einer all¬
mächtigen Partei ohne die Möglichkeit des Wechsels, wie ihn die Liberalen in
Preußen und Bayern gegenüber Konservativen und Zentrum bekämpft hatten,
Mehl man jetzt mit verteilten Rollen fortzusetzen. Durch diese Versteifung des
Parlamentarischen Systems bewirkt man aber nnr, daß es bei uns in absehbarer
Zeit nie auf die Beine kommt!

Das Verhalten des Vizekanzlers in seiner großen Antrittsrede wirkt in der¬
selben Richtung. Er muß sich vom „Bayerischen Courier", dem führenden Zentrums¬
blatte des Königreiches, vorwerfen lassen, die Bedeutung des Reichstages im ent¬
scheidenden Augenblick auf den Wert einer politischen Fechterschule herabgedrückt
M haben! Und zwar nicht ohne Grund, denn die Konservativen haben dem
Minister keineswegs „den Fehdehandschuh hingeworfen" oder sogar „ins Gesicht
geworfen", wie ein Leitartikel der „Berliner Börsen-Zeitung" behauptet, sondern
sie haben nur den ihnen selbst wirklich geradezu ius Gesicht geschleuderten auf¬
genommen. Eine Partei von solchen Überlieferungen und Verdiensten wie die
ihrige mußte es in der Tat als Schimpf ansehen, mit den Ultras bolschewistischer
Färbung über einen Kamin geschoren zu werden"").

Herrn von Payer mag das parlamentarische Ideal, einen möglichst klaren,
einheitlichen Mehrheitswillcn nnter Ausschluß aller störenden Elemente herzustellen,
Zu seinem Vorgehen bewogen haben (das glaubt die „Vossische Zeitung"), weit¬
blickend war es, wie gesagt, nicht- denn wenn jetzt die Konservativen gleichsam
aus dem Staatsleben ausgeschaltet werden sollen, wie ehedem die Sozialdemokratie,
so kehrt die alte Schwierigkeit wieder, daß nämlich die auf diese Weise zurecht¬
gemachte Maschine des deutschen Parlamentarismus nicht zu arbeiten vermag.
Das „Zweiparteiensystem", von dein Friedrich Naumann seit Bethmanns Sturze
auch bei uns reden möchte, ist nichts weiter als eine Fiktion. Wir haben eine
»Opposition", die von der Mehrheit verfemt wird, insbesondere durch Aberkennung
M-er Regieruugssäyigkeit. Und wir haben eine „Regierungspartei", in deren
Leiden die Opposition gegen die eigenen Führer (vgl. oben die Äußerung des
»Bayerischen Couriers") nicht unterdrückt werden kann, die überhaupt an allen
schwächen einer Koalition krankt.

Nach dem weiter oben Ausgeführten lassen sich die deutschen Anschauungen
5'ber „Parlamentarismus" (wenn von der völlig ablehnenden Haltung der Kor-
^rvcitiven abgesehen wird) in eine extreme und eine gemäßigte Gruppe sondern,
xwr Gesichtsfeld der „exaltAcios" liegt nicht weniger als eine radikale Umwand¬
lung unserer Regierung und zugleich'auch unserer Staatsform. Hier erheben sich
^e von den Befürwortern des Wechsels begreiflicherweise allzu leicht genommenen
-Probleme eines neuen Reichs- und Fürstenrechies. Einiges davon wurde vor
"^erzehn Tagen an dieser Stelle angedeutet. Die .Mocteraclas" (vgl. die er¬
ahnden Vorschläge der „Germania", des nationalliberalen Zentralvorstandes, des
Münsters Friedberg) wollen sich mit gewissen Verbesserungen des herrschenden




*) Graf Hertling appellierte im Gegenteil an die Mitarbeit der konservativen Partei.
"kU- .Kreuzzeitung" vom 3 März 1918.
b.,,> Auch hier verleitete die Bequemlichkeit des Formeldenkens den Minister zu un-
enunnierter Umwendung des „pscs pro toto".
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[0323] uoch nicht so weit, daß man an eine Verwirklichung der Forderung denken könne. Die Dinge sind in der Tat noch nicht so weit. Vorläufig verbaut sich das »Berliner Tageblatt" die eigene Straße, indem es den Bogen in anderer Weise überspannt. l)r. Friedberg hielt es nicht für bedauerlich, wenn „die konservative Einseitigkeit in der Verwaltung verschwinden" würde. Das „Berliner Tageblatt" kommentiert: Der Minister habe damit ebenso wie der Vizekanzler im Reich alle Brücken zu den Konservativen abgebrochen und auf ihre „positive" Mitarbeit verzichtet. Das hat der Stellvertreter des Grafen Hertling in Preußen ebenso¬ wenig getan, wie dieser selbst') in seinem berichtigenden und beschwichtigenden Nachtrag zur Polemik des Herrn von Payer. Wohl aber ist es der Wunsch des Berliner Blattes (anscheinend ebenso des Vizekanzlers), und eben hier legt man- sich selber Fallstricke. Denn gerade den hinkenden Parlamentarismus einer all¬ mächtigen Partei ohne die Möglichkeit des Wechsels, wie ihn die Liberalen in Preußen und Bayern gegenüber Konservativen und Zentrum bekämpft hatten, Mehl man jetzt mit verteilten Rollen fortzusetzen. Durch diese Versteifung des Parlamentarischen Systems bewirkt man aber nnr, daß es bei uns in absehbarer Zeit nie auf die Beine kommt! Das Verhalten des Vizekanzlers in seiner großen Antrittsrede wirkt in der¬ selben Richtung. Er muß sich vom „Bayerischen Courier", dem führenden Zentrums¬ blatte des Königreiches, vorwerfen lassen, die Bedeutung des Reichstages im ent¬ scheidenden Augenblick auf den Wert einer politischen Fechterschule herabgedrückt M haben! Und zwar nicht ohne Grund, denn die Konservativen haben dem Minister keineswegs „den Fehdehandschuh hingeworfen" oder sogar „ins Gesicht geworfen", wie ein Leitartikel der „Berliner Börsen-Zeitung" behauptet, sondern sie haben nur den ihnen selbst wirklich geradezu ius Gesicht geschleuderten auf¬ genommen. Eine Partei von solchen Überlieferungen und Verdiensten wie die ihrige mußte es in der Tat als Schimpf ansehen, mit den Ultras bolschewistischer Färbung über einen Kamin geschoren zu werden""). Herrn von Payer mag das parlamentarische Ideal, einen möglichst klaren, einheitlichen Mehrheitswillcn nnter Ausschluß aller störenden Elemente herzustellen, Zu seinem Vorgehen bewogen haben (das glaubt die „Vossische Zeitung"), weit¬ blickend war es, wie gesagt, nicht- denn wenn jetzt die Konservativen gleichsam aus dem Staatsleben ausgeschaltet werden sollen, wie ehedem die Sozialdemokratie, so kehrt die alte Schwierigkeit wieder, daß nämlich die auf diese Weise zurecht¬ gemachte Maschine des deutschen Parlamentarismus nicht zu arbeiten vermag. Das „Zweiparteiensystem", von dein Friedrich Naumann seit Bethmanns Sturze auch bei uns reden möchte, ist nichts weiter als eine Fiktion. Wir haben eine »Opposition", die von der Mehrheit verfemt wird, insbesondere durch Aberkennung M-er Regieruugssäyigkeit. Und wir haben eine „Regierungspartei", in deren Leiden die Opposition gegen die eigenen Führer (vgl. oben die Äußerung des »Bayerischen Couriers") nicht unterdrückt werden kann, die überhaupt an allen schwächen einer Koalition krankt. Nach dem weiter oben Ausgeführten lassen sich die deutschen Anschauungen 5'ber „Parlamentarismus" (wenn von der völlig ablehnenden Haltung der Kor- ^rvcitiven abgesehen wird) in eine extreme und eine gemäßigte Gruppe sondern, xwr Gesichtsfeld der „exaltAcios" liegt nicht weniger als eine radikale Umwand¬ lung unserer Regierung und zugleich'auch unserer Staatsform. Hier erheben sich ^e von den Befürwortern des Wechsels begreiflicherweise allzu leicht genommenen -Probleme eines neuen Reichs- und Fürstenrechies. Einiges davon wurde vor "^erzehn Tagen an dieser Stelle angedeutet. Die .Mocteraclas" (vgl. die er¬ ahnden Vorschläge der „Germania", des nationalliberalen Zentralvorstandes, des Münsters Friedberg) wollen sich mit gewissen Verbesserungen des herrschenden *) Graf Hertling appellierte im Gegenteil an die Mitarbeit der konservativen Partei. "kU- .Kreuzzeitung" vom 3 März 1918. b.,,> Auch hier verleitete die Bequemlichkeit des Formeldenkens den Minister zu un- enunnierter Umwendung des „pscs pro toto".

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333095/323>, abgerufen am 22.07.2024.