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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr.

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Nationalliberale Auffassung der ZVahlrechtsfrage

wandelt. Südlich davon folge als preußische Provinz Südpreußen, der nicht
Zur Ukraine gehörige Teil des Gouvernements Grodno, Lomsha und Plock, be¬
grenzt im Süden durch Bug und Weichsel. Dies Gebiet sei deutsches Koloni¬
sationsland, ebenso wie westliche Teile des Gouvernements Warschau, Kalisch und
Petrikau. Das Siedelungsland wäre in erster Linie den Donationsgütern, dann
dem Großgrundbesitz zu entnehmen. Etwa auszusiedelnde Bevölkerung wäre nach
Weißrußland zu leiten, wo genügend Großgrundbesitz zur Besiedlung durch
Bauern vorhanden ist, und die geringe Bevölkerungsdichte auch sonst noch Hundert¬
tausenden Raum bietet. Ob es zweckmäßig wäre, dies Gebiet an Rußland zurück¬
zugeben, mag späterer Erörterung vorbehalten bleiben. Der Rest von Polen
könnte zu einem vollständig selbständigen Staate gemacht werden, schon aus dem
einem Gesichtspunkte, weil auch ein unselbständiges Gebilde niemals aufhören würde
in der ganzen Welt gegen Deutschland zu intrigieren.

Ich meine die hier vorgetragene Skizze einer Neuordnung unserer Ver¬
hältnisse im Osten kommt dem, was wir uns nur wünschen können zu erreichen,
am nächsten. Sie verteilt die Last des Baues auf viele Pfeiler zu entsprechenden
Teilen. Der schwächste Punkt ist die polnische Ecke. Dort wird wegen des un¬
sichern Baugrundes die Gefahr des Zusammensturzes bestehen bleiben, so¬
lange die deutsche Neichsregierung sich zu durchgreifenden Maßnahmen nicht zu
entschließen vermag. Zu solchen Maßnahmen gehört das Recht der Aussiedlung
polnischer Bevölkerungsteile aus den uns besonders gefährdenden Kreisen von
Russisch-Polen.

Finden wir jetzt im Anschluß an den Krieg nicht den Mut diejenigen
Positionen auf dem gewonnenen Schlachtfelde zu beziehn, die jedes Anrennen
gegen unsere Gesamtstellung von vornherein aussichtslos machen würden, so müssen
wir darauf gefaßt sein, daß der Kampf um den Boden auf preußischem Gebiet
fortab in für uns nachteiligen Stellungen wird geführt werden müssen.

Was du ererbt von deinen Vätern hast.
Erwirb es, um es zu besitzen!




Nationalliberale Auffassung der Wahlrechtsfrage
Justizrat Dr. Marwitz von

er Kampf um das gleiche Wahlrecht ist entbrannt. Nicht leicht
wird es der nationalliberalen Partei, Stellung in ihm zu nehmen.
Zu oft hatten sich die entscheidenden Instanzen gegen die Über¬
tragung des Reichstagswahlrechts auf Preußen ausgesprochen, aus
zu verschiedenartigen Schichten setzt sich die Gefolgschaft der Partei
zusammen, als daß eine einheitliche Stellungnahme zu erwarten
gewesen wäre.

So verständlich es daher auch sein mochte, daß der Wortführer der Fraktion
un Abgeordnetenhause es bei der ersten Lesung ablehnen mußte, für seine Partei


Nationalliberale Auffassung der ZVahlrechtsfrage

wandelt. Südlich davon folge als preußische Provinz Südpreußen, der nicht
Zur Ukraine gehörige Teil des Gouvernements Grodno, Lomsha und Plock, be¬
grenzt im Süden durch Bug und Weichsel. Dies Gebiet sei deutsches Koloni¬
sationsland, ebenso wie westliche Teile des Gouvernements Warschau, Kalisch und
Petrikau. Das Siedelungsland wäre in erster Linie den Donationsgütern, dann
dem Großgrundbesitz zu entnehmen. Etwa auszusiedelnde Bevölkerung wäre nach
Weißrußland zu leiten, wo genügend Großgrundbesitz zur Besiedlung durch
Bauern vorhanden ist, und die geringe Bevölkerungsdichte auch sonst noch Hundert¬
tausenden Raum bietet. Ob es zweckmäßig wäre, dies Gebiet an Rußland zurück¬
zugeben, mag späterer Erörterung vorbehalten bleiben. Der Rest von Polen
könnte zu einem vollständig selbständigen Staate gemacht werden, schon aus dem
einem Gesichtspunkte, weil auch ein unselbständiges Gebilde niemals aufhören würde
in der ganzen Welt gegen Deutschland zu intrigieren.

Ich meine die hier vorgetragene Skizze einer Neuordnung unserer Ver¬
hältnisse im Osten kommt dem, was wir uns nur wünschen können zu erreichen,
am nächsten. Sie verteilt die Last des Baues auf viele Pfeiler zu entsprechenden
Teilen. Der schwächste Punkt ist die polnische Ecke. Dort wird wegen des un¬
sichern Baugrundes die Gefahr des Zusammensturzes bestehen bleiben, so¬
lange die deutsche Neichsregierung sich zu durchgreifenden Maßnahmen nicht zu
entschließen vermag. Zu solchen Maßnahmen gehört das Recht der Aussiedlung
polnischer Bevölkerungsteile aus den uns besonders gefährdenden Kreisen von
Russisch-Polen.

Finden wir jetzt im Anschluß an den Krieg nicht den Mut diejenigen
Positionen auf dem gewonnenen Schlachtfelde zu beziehn, die jedes Anrennen
gegen unsere Gesamtstellung von vornherein aussichtslos machen würden, so müssen
wir darauf gefaßt sein, daß der Kampf um den Boden auf preußischem Gebiet
fortab in für uns nachteiligen Stellungen wird geführt werden müssen.

Was du ererbt von deinen Vätern hast.
Erwirb es, um es zu besitzen!




Nationalliberale Auffassung der Wahlrechtsfrage
Justizrat Dr. Marwitz von

er Kampf um das gleiche Wahlrecht ist entbrannt. Nicht leicht
wird es der nationalliberalen Partei, Stellung in ihm zu nehmen.
Zu oft hatten sich die entscheidenden Instanzen gegen die Über¬
tragung des Reichstagswahlrechts auf Preußen ausgesprochen, aus
zu verschiedenartigen Schichten setzt sich die Gefolgschaft der Partei
zusammen, als daß eine einheitliche Stellungnahme zu erwarten
gewesen wäre.

So verständlich es daher auch sein mochte, daß der Wortführer der Fraktion
un Abgeordnetenhause es bei der ersten Lesung ablehnen mußte, für seine Partei


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[0305] Nationalliberale Auffassung der ZVahlrechtsfrage wandelt. Südlich davon folge als preußische Provinz Südpreußen, der nicht Zur Ukraine gehörige Teil des Gouvernements Grodno, Lomsha und Plock, be¬ grenzt im Süden durch Bug und Weichsel. Dies Gebiet sei deutsches Koloni¬ sationsland, ebenso wie westliche Teile des Gouvernements Warschau, Kalisch und Petrikau. Das Siedelungsland wäre in erster Linie den Donationsgütern, dann dem Großgrundbesitz zu entnehmen. Etwa auszusiedelnde Bevölkerung wäre nach Weißrußland zu leiten, wo genügend Großgrundbesitz zur Besiedlung durch Bauern vorhanden ist, und die geringe Bevölkerungsdichte auch sonst noch Hundert¬ tausenden Raum bietet. Ob es zweckmäßig wäre, dies Gebiet an Rußland zurück¬ zugeben, mag späterer Erörterung vorbehalten bleiben. Der Rest von Polen könnte zu einem vollständig selbständigen Staate gemacht werden, schon aus dem einem Gesichtspunkte, weil auch ein unselbständiges Gebilde niemals aufhören würde in der ganzen Welt gegen Deutschland zu intrigieren. Ich meine die hier vorgetragene Skizze einer Neuordnung unserer Ver¬ hältnisse im Osten kommt dem, was wir uns nur wünschen können zu erreichen, am nächsten. Sie verteilt die Last des Baues auf viele Pfeiler zu entsprechenden Teilen. Der schwächste Punkt ist die polnische Ecke. Dort wird wegen des un¬ sichern Baugrundes die Gefahr des Zusammensturzes bestehen bleiben, so¬ lange die deutsche Neichsregierung sich zu durchgreifenden Maßnahmen nicht zu entschließen vermag. Zu solchen Maßnahmen gehört das Recht der Aussiedlung polnischer Bevölkerungsteile aus den uns besonders gefährdenden Kreisen von Russisch-Polen. Finden wir jetzt im Anschluß an den Krieg nicht den Mut diejenigen Positionen auf dem gewonnenen Schlachtfelde zu beziehn, die jedes Anrennen gegen unsere Gesamtstellung von vornherein aussichtslos machen würden, so müssen wir darauf gefaßt sein, daß der Kampf um den Boden auf preußischem Gebiet fortab in für uns nachteiligen Stellungen wird geführt werden müssen. Was du ererbt von deinen Vätern hast. Erwirb es, um es zu besitzen! Nationalliberale Auffassung der Wahlrechtsfrage Justizrat Dr. Marwitz von er Kampf um das gleiche Wahlrecht ist entbrannt. Nicht leicht wird es der nationalliberalen Partei, Stellung in ihm zu nehmen. Zu oft hatten sich die entscheidenden Instanzen gegen die Über¬ tragung des Reichstagswahlrechts auf Preußen ausgesprochen, aus zu verschiedenartigen Schichten setzt sich die Gefolgschaft der Partei zusammen, als daß eine einheitliche Stellungnahme zu erwarten gewesen wäre. So verständlich es daher auch sein mochte, daß der Wortführer der Fraktion un Abgeordnetenhause es bei der ersten Lesung ablehnen mußte, für seine Partei

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333095/305>, abgerufen am 22.07.2024.