Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr.Der Aufbau ini Osten nachdem wir selbst aus Millionen Wunden geblutet und unsere Frauen und Kinder Friedrich Wilhelm der Erste sagte einst seinem Sohne, dem nachmaligen In der deutschen Presse hat man bisher die Fragen des Ostfriedens zu¬ Der Aufbau ini Osten nachdem wir selbst aus Millionen Wunden geblutet und unsere Frauen und Kinder Friedrich Wilhelm der Erste sagte einst seinem Sohne, dem nachmaligen In der deutschen Presse hat man bisher die Fragen des Ostfriedens zu¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0302" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/333399"/> <fw type="header" place="top"> Der Aufbau ini Osten</fw><lb/> <p xml:id="ID_1109" prev="#ID_1108"> nachdem wir selbst aus Millionen Wunden geblutet und unsere Frauen und Kinder<lb/> drei lange Jahre hindurch gedarbt haben, nachdem wir Hunderttausende edler<lb/> Männer der Habgier unserer Feinde opfern mußten, nur um selbst leben und<lb/> wirken zu können, kann es nie und nimmer unmoralisch sein, wenn wir unsere<lb/> Feinde von den Einfallstellungen vor unserer Burg vertreiben. Die Frage der<lb/> Aussiedlung polnischer Bevölkerungsteile aus Gebieten des ehemaligen Nußland —<lb/> nur um diese kann es sich handeln, nicht um die alten preußischen Gebiete —,<lb/> um daselbst deutschen Flüchtlingen aus aller Welt eine neue Heimstätte zu schaffen,<lb/> ist keine Frage der Moral, sondern ausschließlich eine solche politischer und wirt¬<lb/> schaftlicher Technik. Und welche technische Aufgabe gäbe es. die wir mit unseren<lb/> Machtmitteln der Wissenschaft und des Schwertes nicht zu lösen imstande wären?!<lb/> Wir sind vom Geschick berufen, den deutschen Reichsbau auszubauen, ihn zunächst<lb/> im Osten den neueren Ansprüchen der Kontinental- und Weltpolitik anzupassen.<lb/> Es hieße das Blut der gefallenen deutschen Männer verleugnen, wollten wir vor<lb/> den praktischen Konsequenzen dieser Berufung, die durch unsere Siege verbrieft<lb/> ist, bebend zurückweichen. Was zwischen unseren alten Ostgrenzen und den öst¬<lb/> lichsten Vorposten des Besetzungsheeres liegt, ist das Material zum Bau, zum<lb/> Teil vorbereitet, zum Teil in der Vorbereitung erprobt, zum Teil schon als un¬<lb/> tauglich erkannt. Durch die Friedensschlüsse von Brest-Litowsk ist der Bauzaun<lb/> gezögert</p><lb/> <p xml:id="ID_1110"> Friedrich Wilhelm der Erste sagte einst seinem Sohne, dem nachmaligen<lb/> großen König: „Dein größter Reichtum sein die MenscherI" Das Wort gilt auch<lb/> in unseren Tagen; doch haben wir hinzugelernt, daß es weniger das Einzel-<lb/> individuum ist, als vielmehr die um den Staatsgedanken herum organisierte Masse<lb/> der Individuen, die diesen Reichtum ausmacht. Eine den deutschen Reichs- und<lb/> preußischen Staatsgedanken bekämpfende organische Masse macht das Einzelindi-<lb/> vidium, aus dem sie besteht, zu unserem Feinde, macht es untauglich, als Material<lb/> für unsern staatlichen Umbau verwendet zu werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1111" next="#ID_1112"> In der deutschen Presse hat man bisher die Fragen des Ostfriedens zu¬<lb/> sammenhanglos einzeln behandelt. Man hat das polnische, das littauische, weiß-<lb/> russische, ukrainische und neben dem baltischen auch das kurländische Problem in<lb/> mündlicher und schriftlicher Aussprache in entsprechenden Vereinen, Gesellschaften<lb/> und Konventikeln behandelt, hat sich brav herum gestritten und sich gegenseitig<lb/> Fehde und Kampf angesagt. Mit deutscher Gründlichkeit und Engherzigkeit wurden<lb/> polnische, littauische, baltische und die dazugehörigen Neben- und Unterinteressen<lb/> vertreten, als ginge es um diese und nicht das große Gesamtinteresse der Deutschen.<lb/> Wer aber wagte daran zu erinnern, daß Deutschland doch auch noch da sei, wurde<lb/> von allen diesen Spezialgruppen mit Haß und übler Nachrede begeifert, und war<lb/> er gar amtlich tätig, möglichst aus seiner Stellung hinausintrigiert. Die Polen<lb/> waren in dieser Richtung besonders glücklich und erfolgreich. Die Bestimmungen<lb/> des Friedensvertrages mit der Ukraine haben sie indessen nachdenklich gestimmt,<lb/> wenn auch nicht über ihre eigene Schuld daran. Nun scheint bei uns ein Streit<lb/> über Litauen anzuheben. Die „Deutsche Zeitung", die kürzlich auf die Bestrebungen,<lb/> eine sächsische Sekundogenitur in Litauen einzurichten, hinwies, hat durchaus Recht,<lb/> wenn sie sagt, es ginge ja gar nicht um Litauen. Nein, es geht wirklich weder<lb/> um Polen, noch um Litauen, noch um Estland, Livland, Kurland, sondern aus-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0302]
Der Aufbau ini Osten
nachdem wir selbst aus Millionen Wunden geblutet und unsere Frauen und Kinder
drei lange Jahre hindurch gedarbt haben, nachdem wir Hunderttausende edler
Männer der Habgier unserer Feinde opfern mußten, nur um selbst leben und
wirken zu können, kann es nie und nimmer unmoralisch sein, wenn wir unsere
Feinde von den Einfallstellungen vor unserer Burg vertreiben. Die Frage der
Aussiedlung polnischer Bevölkerungsteile aus Gebieten des ehemaligen Nußland —
nur um diese kann es sich handeln, nicht um die alten preußischen Gebiete —,
um daselbst deutschen Flüchtlingen aus aller Welt eine neue Heimstätte zu schaffen,
ist keine Frage der Moral, sondern ausschließlich eine solche politischer und wirt¬
schaftlicher Technik. Und welche technische Aufgabe gäbe es. die wir mit unseren
Machtmitteln der Wissenschaft und des Schwertes nicht zu lösen imstande wären?!
Wir sind vom Geschick berufen, den deutschen Reichsbau auszubauen, ihn zunächst
im Osten den neueren Ansprüchen der Kontinental- und Weltpolitik anzupassen.
Es hieße das Blut der gefallenen deutschen Männer verleugnen, wollten wir vor
den praktischen Konsequenzen dieser Berufung, die durch unsere Siege verbrieft
ist, bebend zurückweichen. Was zwischen unseren alten Ostgrenzen und den öst¬
lichsten Vorposten des Besetzungsheeres liegt, ist das Material zum Bau, zum
Teil vorbereitet, zum Teil in der Vorbereitung erprobt, zum Teil schon als un¬
tauglich erkannt. Durch die Friedensschlüsse von Brest-Litowsk ist der Bauzaun
gezögert
Friedrich Wilhelm der Erste sagte einst seinem Sohne, dem nachmaligen
großen König: „Dein größter Reichtum sein die MenscherI" Das Wort gilt auch
in unseren Tagen; doch haben wir hinzugelernt, daß es weniger das Einzel-
individuum ist, als vielmehr die um den Staatsgedanken herum organisierte Masse
der Individuen, die diesen Reichtum ausmacht. Eine den deutschen Reichs- und
preußischen Staatsgedanken bekämpfende organische Masse macht das Einzelindi-
vidium, aus dem sie besteht, zu unserem Feinde, macht es untauglich, als Material
für unsern staatlichen Umbau verwendet zu werden.
In der deutschen Presse hat man bisher die Fragen des Ostfriedens zu¬
sammenhanglos einzeln behandelt. Man hat das polnische, das littauische, weiß-
russische, ukrainische und neben dem baltischen auch das kurländische Problem in
mündlicher und schriftlicher Aussprache in entsprechenden Vereinen, Gesellschaften
und Konventikeln behandelt, hat sich brav herum gestritten und sich gegenseitig
Fehde und Kampf angesagt. Mit deutscher Gründlichkeit und Engherzigkeit wurden
polnische, littauische, baltische und die dazugehörigen Neben- und Unterinteressen
vertreten, als ginge es um diese und nicht das große Gesamtinteresse der Deutschen.
Wer aber wagte daran zu erinnern, daß Deutschland doch auch noch da sei, wurde
von allen diesen Spezialgruppen mit Haß und übler Nachrede begeifert, und war
er gar amtlich tätig, möglichst aus seiner Stellung hinausintrigiert. Die Polen
waren in dieser Richtung besonders glücklich und erfolgreich. Die Bestimmungen
des Friedensvertrages mit der Ukraine haben sie indessen nachdenklich gestimmt,
wenn auch nicht über ihre eigene Schuld daran. Nun scheint bei uns ein Streit
über Litauen anzuheben. Die „Deutsche Zeitung", die kürzlich auf die Bestrebungen,
eine sächsische Sekundogenitur in Litauen einzurichten, hinwies, hat durchaus Recht,
wenn sie sagt, es ginge ja gar nicht um Litauen. Nein, es geht wirklich weder
um Polen, noch um Litauen, noch um Estland, Livland, Kurland, sondern aus-
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