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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr.

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dienst züchten, wenn man sie bestenfalls in engen Winkeln herumhocken ließe?
Würde aber diese Reform durchgeführt, dann würde sich auch eine eigene Fakultät,
oder doch eine gesonderte Abzweigung der juristischen wohl lohnen. Bis sich diese
Erkenntnis Bahn gebrochen hat. jedoch in Vorbereitung einer solchen, wäre der
Platz der Nationalökonomie möglichst dicht bei den Juristen. Doch dann, wohl¬
gemerkt, als gleichberechtigtes und vollgültiges Fach, das durch die Studienordnung
so gestellt wird, daß jeder spätere Verwaltungsjurist es als ein Hauptfach bestehen
muß! Wohl mögen sich mannigfachere Anregungen aus den engen Beziehungen
zu den historisch-philosophischen Fächern für die stille Forschungstätigkeit ergeben;
und die Volkswirtschaftslehre ist, wie gesagt, in dieser Hinsicht nicht schlecht
gefahren unter dem Dach der Philosophen. Allein zur Vorbereitung ihrer
Jünger für die praktische Betätigung im heiß pulsierenden Leben draußen wäre
die Annäherung an juristische Fachbildung ungleich zuträglicher. Insoweit deshalb
die Errichtung von Sonderfakultäten noch untunlich erscheint, ist die gegebene
Unterkunft der Wirtschaftswissenschaften die juristische Fakultät. Beide Teile
würden, bei völlig paritätischem Ausgleich in der Prüfungs- und Studien¬
ord mung für angehende Verwaltungsleute, in gleicher Weise Nutzen voreilt-
"über ziehen.

Die Staatswissenschaften, vornehmlich die Volkswirtschaftslehre gehört zu¬
nächst zur Juristerei, wie die .Kontrapunktlehre zur Musik, wie Anatomie und
Physiologie zur Medizin. Die bisherige Trennung ist für beide Teile vom libet.
Der Volkswirt bedarf, sobald ihn die Erkenntnis von der Notwendigkeit irgend¬
welcher Eingriffe in das Wirtschaftsleben zum Vorgehen veranlaßt, stets des
Rechts als des Werkzeuges zur Herbeifüh/ung solcher Neugestaltung-, daher eine
gehörige Vertrautheit mit der Handhabung des Rechts ihm unumgänglich ist.
Andernfalls stände er, ungeachtet seiner erleuchtetsten Erkenntnis, hilflos den
diagnostizierten Schäden, ohnmächtig den kühn konzipierten Neuschöpfungen gegen¬
über. In der Tat macht sich auch heute die bisherige Entlegenheit von der
Rechtswissenschaft bei den meisten Volkswirten hindernd bemerkbar. -- Der Jurist
dagegen, und möge er das Werkzeug seiner Einwirkung noch so virtuos hand¬
haben, ermißt meist die wirtschaftliche Tragweite seiner noch so schön formulierten
Erlasse, noch so sauber subsummierten Begriffe nicht. So wenig wie der tüchtigste
Schiffsbauer etwa ein tüchtiger Seefahrer ist, wenn er das Element nicht kennt,
das seine Werke trägt. Die engste Wechselwirkung besteht eben zwischen Rechts¬
wissenschaft und den Staatswissenschaften im weiteren Sinne, in erster Linie der
Volkswirtschaftslehre. Und daher gehören beide zusammengerückt zu einheitlichem
Studium. Daraus ergäben sich erst wirklich vollwertige Verwaltungsbeamte --
vielleicht gar Staatsmänner. Dem Juristen würden die Ereignisse des praktischen
Lebens, das er im Interesse des Gemeinwohls zu meistern berufen ist, erläutert,
während jetzt der Strom der Ereignisse fernab von ihm vorbeiflutet. Dem Volks-
w re aber würde bei seiner regulierende" Tätigkeit ein Zugreifen erleichtert; nicht
wehr würde er, wie heute so oft, trotz klarer Erkenntnis der Bedürfnisse, mit
einer gewissen Unbeholfenheit den Dingen gegenüberstehen. Beide Wissenschaften^
ergänzen sich; sie gehören nebeneinander gelehrt, zusammen ausgeübt.

Heute dagegen finden wir, wie gesagt, die Wirtschaftswissenschaft stief-
wütterlich in eine entlegene Ecke gerückt, und nur gelegentlich als Aschenbrödel zu
wichen Arbeiten herangezogen, die andere nicht erfüllen mögen oder nicht zu be¬
wältigen verstehen. Auf der Hochschule ist sie nur ein Nebengleis. Der Jurist
befährt es kaum und nur so weit, als es notdürftig erforderlich ist, um nicht im
Examen durchzufallen. Die Mehrzahl derer, die mit wirklicher Hingebung die
-Lahn verfolgen, sind Leute mit bereits anderweit erwählten Lebensberuf, denen
ernsthaft um ihre eigene Vervollkommnung zu tun ist und eine Prüfung als
leere Formalität gilt. Mit der ganzen Frische und dem unmittelbaren Schwung
unternehmender Jugend wenden sich verhältnismüßig wenig zahlreiche Leute dieser
^ssenschaft zu mit der Absicht, sich ihr ganz zu widmen. Eben weil dem Gleis
ewe Endstation, der Übertritt in einen festen Beruf und schönen Wirkungskreis


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dienst züchten, wenn man sie bestenfalls in engen Winkeln herumhocken ließe?
Würde aber diese Reform durchgeführt, dann würde sich auch eine eigene Fakultät,
oder doch eine gesonderte Abzweigung der juristischen wohl lohnen. Bis sich diese
Erkenntnis Bahn gebrochen hat. jedoch in Vorbereitung einer solchen, wäre der
Platz der Nationalökonomie möglichst dicht bei den Juristen. Doch dann, wohl¬
gemerkt, als gleichberechtigtes und vollgültiges Fach, das durch die Studienordnung
so gestellt wird, daß jeder spätere Verwaltungsjurist es als ein Hauptfach bestehen
muß! Wohl mögen sich mannigfachere Anregungen aus den engen Beziehungen
zu den historisch-philosophischen Fächern für die stille Forschungstätigkeit ergeben;
und die Volkswirtschaftslehre ist, wie gesagt, in dieser Hinsicht nicht schlecht
gefahren unter dem Dach der Philosophen. Allein zur Vorbereitung ihrer
Jünger für die praktische Betätigung im heiß pulsierenden Leben draußen wäre
die Annäherung an juristische Fachbildung ungleich zuträglicher. Insoweit deshalb
die Errichtung von Sonderfakultäten noch untunlich erscheint, ist die gegebene
Unterkunft der Wirtschaftswissenschaften die juristische Fakultät. Beide Teile
würden, bei völlig paritätischem Ausgleich in der Prüfungs- und Studien¬
ord mung für angehende Verwaltungsleute, in gleicher Weise Nutzen voreilt-
«über ziehen.

Die Staatswissenschaften, vornehmlich die Volkswirtschaftslehre gehört zu¬
nächst zur Juristerei, wie die .Kontrapunktlehre zur Musik, wie Anatomie und
Physiologie zur Medizin. Die bisherige Trennung ist für beide Teile vom libet.
Der Volkswirt bedarf, sobald ihn die Erkenntnis von der Notwendigkeit irgend¬
welcher Eingriffe in das Wirtschaftsleben zum Vorgehen veranlaßt, stets des
Rechts als des Werkzeuges zur Herbeifüh/ung solcher Neugestaltung-, daher eine
gehörige Vertrautheit mit der Handhabung des Rechts ihm unumgänglich ist.
Andernfalls stände er, ungeachtet seiner erleuchtetsten Erkenntnis, hilflos den
diagnostizierten Schäden, ohnmächtig den kühn konzipierten Neuschöpfungen gegen¬
über. In der Tat macht sich auch heute die bisherige Entlegenheit von der
Rechtswissenschaft bei den meisten Volkswirten hindernd bemerkbar. — Der Jurist
dagegen, und möge er das Werkzeug seiner Einwirkung noch so virtuos hand¬
haben, ermißt meist die wirtschaftliche Tragweite seiner noch so schön formulierten
Erlasse, noch so sauber subsummierten Begriffe nicht. So wenig wie der tüchtigste
Schiffsbauer etwa ein tüchtiger Seefahrer ist, wenn er das Element nicht kennt,
das seine Werke trägt. Die engste Wechselwirkung besteht eben zwischen Rechts¬
wissenschaft und den Staatswissenschaften im weiteren Sinne, in erster Linie der
Volkswirtschaftslehre. Und daher gehören beide zusammengerückt zu einheitlichem
Studium. Daraus ergäben sich erst wirklich vollwertige Verwaltungsbeamte —
vielleicht gar Staatsmänner. Dem Juristen würden die Ereignisse des praktischen
Lebens, das er im Interesse des Gemeinwohls zu meistern berufen ist, erläutert,
während jetzt der Strom der Ereignisse fernab von ihm vorbeiflutet. Dem Volks-
w re aber würde bei seiner regulierende» Tätigkeit ein Zugreifen erleichtert; nicht
wehr würde er, wie heute so oft, trotz klarer Erkenntnis der Bedürfnisse, mit
einer gewissen Unbeholfenheit den Dingen gegenüberstehen. Beide Wissenschaften^
ergänzen sich; sie gehören nebeneinander gelehrt, zusammen ausgeübt.

Heute dagegen finden wir, wie gesagt, die Wirtschaftswissenschaft stief-
wütterlich in eine entlegene Ecke gerückt, und nur gelegentlich als Aschenbrödel zu
wichen Arbeiten herangezogen, die andere nicht erfüllen mögen oder nicht zu be¬
wältigen verstehen. Auf der Hochschule ist sie nur ein Nebengleis. Der Jurist
befährt es kaum und nur so weit, als es notdürftig erforderlich ist, um nicht im
Examen durchzufallen. Die Mehrzahl derer, die mit wirklicher Hingebung die
-Lahn verfolgen, sind Leute mit bereits anderweit erwählten Lebensberuf, denen
ernsthaft um ihre eigene Vervollkommnung zu tun ist und eine Prüfung als
leere Formalität gilt. Mit der ganzen Frische und dem unmittelbaren Schwung
unternehmender Jugend wenden sich verhältnismüßig wenig zahlreiche Leute dieser
^ssenschaft zu mit der Absicht, sich ihr ganz zu widmen. Eben weil dem Gleis
ewe Endstation, der Übertritt in einen festen Beruf und schönen Wirkungskreis


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[0263] !Vir brauchen Volkswirte I dienst züchten, wenn man sie bestenfalls in engen Winkeln herumhocken ließe? Würde aber diese Reform durchgeführt, dann würde sich auch eine eigene Fakultät, oder doch eine gesonderte Abzweigung der juristischen wohl lohnen. Bis sich diese Erkenntnis Bahn gebrochen hat. jedoch in Vorbereitung einer solchen, wäre der Platz der Nationalökonomie möglichst dicht bei den Juristen. Doch dann, wohl¬ gemerkt, als gleichberechtigtes und vollgültiges Fach, das durch die Studienordnung so gestellt wird, daß jeder spätere Verwaltungsjurist es als ein Hauptfach bestehen muß! Wohl mögen sich mannigfachere Anregungen aus den engen Beziehungen zu den historisch-philosophischen Fächern für die stille Forschungstätigkeit ergeben; und die Volkswirtschaftslehre ist, wie gesagt, in dieser Hinsicht nicht schlecht gefahren unter dem Dach der Philosophen. Allein zur Vorbereitung ihrer Jünger für die praktische Betätigung im heiß pulsierenden Leben draußen wäre die Annäherung an juristische Fachbildung ungleich zuträglicher. Insoweit deshalb die Errichtung von Sonderfakultäten noch untunlich erscheint, ist die gegebene Unterkunft der Wirtschaftswissenschaften die juristische Fakultät. Beide Teile würden, bei völlig paritätischem Ausgleich in der Prüfungs- und Studien¬ ord mung für angehende Verwaltungsleute, in gleicher Weise Nutzen voreilt- «über ziehen. Die Staatswissenschaften, vornehmlich die Volkswirtschaftslehre gehört zu¬ nächst zur Juristerei, wie die .Kontrapunktlehre zur Musik, wie Anatomie und Physiologie zur Medizin. Die bisherige Trennung ist für beide Teile vom libet. Der Volkswirt bedarf, sobald ihn die Erkenntnis von der Notwendigkeit irgend¬ welcher Eingriffe in das Wirtschaftsleben zum Vorgehen veranlaßt, stets des Rechts als des Werkzeuges zur Herbeifüh/ung solcher Neugestaltung-, daher eine gehörige Vertrautheit mit der Handhabung des Rechts ihm unumgänglich ist. Andernfalls stände er, ungeachtet seiner erleuchtetsten Erkenntnis, hilflos den diagnostizierten Schäden, ohnmächtig den kühn konzipierten Neuschöpfungen gegen¬ über. In der Tat macht sich auch heute die bisherige Entlegenheit von der Rechtswissenschaft bei den meisten Volkswirten hindernd bemerkbar. — Der Jurist dagegen, und möge er das Werkzeug seiner Einwirkung noch so virtuos hand¬ haben, ermißt meist die wirtschaftliche Tragweite seiner noch so schön formulierten Erlasse, noch so sauber subsummierten Begriffe nicht. So wenig wie der tüchtigste Schiffsbauer etwa ein tüchtiger Seefahrer ist, wenn er das Element nicht kennt, das seine Werke trägt. Die engste Wechselwirkung besteht eben zwischen Rechts¬ wissenschaft und den Staatswissenschaften im weiteren Sinne, in erster Linie der Volkswirtschaftslehre. Und daher gehören beide zusammengerückt zu einheitlichem Studium. Daraus ergäben sich erst wirklich vollwertige Verwaltungsbeamte — vielleicht gar Staatsmänner. Dem Juristen würden die Ereignisse des praktischen Lebens, das er im Interesse des Gemeinwohls zu meistern berufen ist, erläutert, während jetzt der Strom der Ereignisse fernab von ihm vorbeiflutet. Dem Volks- w re aber würde bei seiner regulierende» Tätigkeit ein Zugreifen erleichtert; nicht wehr würde er, wie heute so oft, trotz klarer Erkenntnis der Bedürfnisse, mit einer gewissen Unbeholfenheit den Dingen gegenüberstehen. Beide Wissenschaften^ ergänzen sich; sie gehören nebeneinander gelehrt, zusammen ausgeübt. Heute dagegen finden wir, wie gesagt, die Wirtschaftswissenschaft stief- wütterlich in eine entlegene Ecke gerückt, und nur gelegentlich als Aschenbrödel zu wichen Arbeiten herangezogen, die andere nicht erfüllen mögen oder nicht zu be¬ wältigen verstehen. Auf der Hochschule ist sie nur ein Nebengleis. Der Jurist befährt es kaum und nur so weit, als es notdürftig erforderlich ist, um nicht im Examen durchzufallen. Die Mehrzahl derer, die mit wirklicher Hingebung die -Lahn verfolgen, sind Leute mit bereits anderweit erwählten Lebensberuf, denen ernsthaft um ihre eigene Vervollkommnung zu tun ist und eine Prüfung als leere Formalität gilt. Mit der ganzen Frische und dem unmittelbaren Schwung unternehmender Jugend wenden sich verhältnismüßig wenig zahlreiche Leute dieser ^ssenschaft zu mit der Absicht, sich ihr ganz zu widmen. Eben weil dem Gleis ewe Endstation, der Übertritt in einen festen Beruf und schönen Wirkungskreis 13«

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333095/263>, abgerufen am 24.08.2024.