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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr.

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Lateinisch oder Katholisch I

Das vom Rektor der Pariser katholischen Universität Baudrillart herausgegebene
Sammelwerk "l^a Zuerre allenmncie et le LÄtnolicisme" (1915) bemüht sich
krampfhaft, den Krieg als einen Kreuzzug der echten Katholiken gegen die ketzerisch
verseuchten Deutschen hinzustellen: angesichts der Tatsache, daß in allen romanischen
Ländern das antikatholische Freimaurertum im Regiments sitzt und notorisch den
Krieg im Namen der "Völkerfreiheit und Demokratie" entfesselt hat, ein mehr als
kühnes Unternehmen! Das wissenschaftliche katholische Deutschland fand sich
seinerseits in dem Sammelband "Deutsche Kultur, Katholizismus und Weltkrieg"
(191(>) zu einer würdigen Abwehr zusammen. Aber drüben verstummten die An¬
griffe nicht. Leider ist Georges Goyau, der französische Geschichtsschreiber des
"religiösen Deutschland", dem man eine wirklich gute Kenntnis der geistigen Zu¬
stände unseres Vaterlandes nicht wohl abstreiten kann, einer der lautesten Rufer
im Streit und einer der geschäftigsten Verleumder des deutschen Katholizismus
geworden. Der Franzose benutzt das verkehrte Schlagwort vom "evangelischen
Kaisertum", um die deutschen Katholiken als abtrünnig von der angeblich allein
echt katholischen politischen Stellungnahme in der Kulturkampfzeit und als Schritt¬
macher jeuer protestantisch-deutschen Gewaltpolitik hinzustellen, die das Kaisertum
nach französischer Einbildung betreibt. Der Abwehr dieser Verdächtigungen dient
das jüngste Buch des im Kampfe gegen derartige französische Angriffe schon be¬
währten Bonner katholischen Theologen Heinrich Schrörs*). Der Verfasser führt
die Verteidigung sehr gründlich und wirksam durch einen vergleichenden geschicht¬
lichen überblick über die Entwicklung des deutschen und französischen Katholi¬
zismus, auf Grund dessen ihm die Rechtfertigung der kirchlichen Treue der Deutschen
und der Nachweis ihrer bewährten glaubensbrüderlichen Gesinnung gegen andere
Glieder der Gesamtkirche nicht schwer fällt. Für den nichtkatholischen Teil der
deutschen Öffentlichkeit ist dieser Nachweis im einzelnen natürlich nicht so wichtig,
wie für den Verfasser. Auf ihn kommt es mir darum auch nicht weiter an.
Dagegen hat Anspruch auf das volle Interesse jedes politisch denkenden Deutschen
ohne Unterschied der Konfession ein Hinweis daraus, was unsere Politik vom
Katholizismus zu erwarten hat, ob freundliche oder feindliche Strömungen, ge¬
fährliche oder günstige Stimmungen sich in ihm regen. Die katholische Kirche ist
uach wie vor eine politisch.kulturelle Großmacht in Europa, mit der jeder Staat
unseres Erbteiles rechnen muß, einer aber, der sich anschickt, eine ganz neue Ära
europäischer Politik anzufangen, wie jetzt eben unser deutscher, natürlich ganz be¬
sonders. Jene protestantische politische Betrachtungsweise, die sich um katholische
Dinge nicht kümmerte, unter dem bequemen, schnell fertigen Vorwande, konfessionelle
Mächte seien keine berechtigten Faktoren moderner nationaler Politik, muß über¬
wunden werden. Freilich haben wir eine spezifisch kleindeutsche Zeit hinter uns,
eine Zeit, die die Ziele deutscher Politik weit jenseits der Meere suchte, weil
sie sich an die Lösung der europäischen Fragen um des geheiligten Status puo
willen nicht heranwagte. Um das Schicksal der deutschen Millionen in Österreich-
Ungarn glaubten wir uns nicht kümmern zu dürfen, die Wege der östlichen
Kolonisation, die unsere Vorfahren gebahnt, ließen wir mit Gestrüpp verwachsen,
und von den politischen Bahnen unseres alten heiligen Reiches nach dem blauen
Mittelmeer im Süden, dem Herzen der alten Welt, sagten unsere Historiker:
VestiZm terrene! Aber der Krieg zwingt uns, die Augen wieder aufzumachen,
er gestattet uns nicht mehr, Deutschlands Zukunft lediglich jenseits des Ozeans
Su suchen, wir müssen wieder mit den politischen Problemen ringen, mit denen
die Jahrhunderte unserer Geschichte gerungen haben. Wir müssen eine Lösung
der Frage finden, wie die Existenz und Selbstbestimmung der Völker des Ostens
mit der Erhaltung deutscher Macht und Kultur in Einklang zu bringen sei. Wir
begreifen auch wieder, daß es nicht gleichgültig ist, ob ein feindseliges Italien



*) "Deutschor und französischer Katholizismus in den letzten Jahrzehnten." Von
^r. Heinrich Schrörs, Professor der rath. Theologie an der Universität Bonn. 8° (XVI und
228 S,). Freiburq 1917, Herder. M. 4, in Pappband M. 4,60.
Lateinisch oder Katholisch I

Das vom Rektor der Pariser katholischen Universität Baudrillart herausgegebene
Sammelwerk „l^a Zuerre allenmncie et le LÄtnolicisme" (1915) bemüht sich
krampfhaft, den Krieg als einen Kreuzzug der echten Katholiken gegen die ketzerisch
verseuchten Deutschen hinzustellen: angesichts der Tatsache, daß in allen romanischen
Ländern das antikatholische Freimaurertum im Regiments sitzt und notorisch den
Krieg im Namen der „Völkerfreiheit und Demokratie" entfesselt hat, ein mehr als
kühnes Unternehmen! Das wissenschaftliche katholische Deutschland fand sich
seinerseits in dem Sammelband „Deutsche Kultur, Katholizismus und Weltkrieg"
(191(>) zu einer würdigen Abwehr zusammen. Aber drüben verstummten die An¬
griffe nicht. Leider ist Georges Goyau, der französische Geschichtsschreiber des
»religiösen Deutschland", dem man eine wirklich gute Kenntnis der geistigen Zu¬
stände unseres Vaterlandes nicht wohl abstreiten kann, einer der lautesten Rufer
im Streit und einer der geschäftigsten Verleumder des deutschen Katholizismus
geworden. Der Franzose benutzt das verkehrte Schlagwort vom „evangelischen
Kaisertum", um die deutschen Katholiken als abtrünnig von der angeblich allein
echt katholischen politischen Stellungnahme in der Kulturkampfzeit und als Schritt¬
macher jeuer protestantisch-deutschen Gewaltpolitik hinzustellen, die das Kaisertum
nach französischer Einbildung betreibt. Der Abwehr dieser Verdächtigungen dient
das jüngste Buch des im Kampfe gegen derartige französische Angriffe schon be¬
währten Bonner katholischen Theologen Heinrich Schrörs*). Der Verfasser führt
die Verteidigung sehr gründlich und wirksam durch einen vergleichenden geschicht¬
lichen überblick über die Entwicklung des deutschen und französischen Katholi¬
zismus, auf Grund dessen ihm die Rechtfertigung der kirchlichen Treue der Deutschen
und der Nachweis ihrer bewährten glaubensbrüderlichen Gesinnung gegen andere
Glieder der Gesamtkirche nicht schwer fällt. Für den nichtkatholischen Teil der
deutschen Öffentlichkeit ist dieser Nachweis im einzelnen natürlich nicht so wichtig,
wie für den Verfasser. Auf ihn kommt es mir darum auch nicht weiter an.
Dagegen hat Anspruch auf das volle Interesse jedes politisch denkenden Deutschen
ohne Unterschied der Konfession ein Hinweis daraus, was unsere Politik vom
Katholizismus zu erwarten hat, ob freundliche oder feindliche Strömungen, ge¬
fährliche oder günstige Stimmungen sich in ihm regen. Die katholische Kirche ist
uach wie vor eine politisch.kulturelle Großmacht in Europa, mit der jeder Staat
unseres Erbteiles rechnen muß, einer aber, der sich anschickt, eine ganz neue Ära
europäischer Politik anzufangen, wie jetzt eben unser deutscher, natürlich ganz be¬
sonders. Jene protestantische politische Betrachtungsweise, die sich um katholische
Dinge nicht kümmerte, unter dem bequemen, schnell fertigen Vorwande, konfessionelle
Mächte seien keine berechtigten Faktoren moderner nationaler Politik, muß über¬
wunden werden. Freilich haben wir eine spezifisch kleindeutsche Zeit hinter uns,
eine Zeit, die die Ziele deutscher Politik weit jenseits der Meere suchte, weil
sie sich an die Lösung der europäischen Fragen um des geheiligten Status puo
willen nicht heranwagte. Um das Schicksal der deutschen Millionen in Österreich-
Ungarn glaubten wir uns nicht kümmern zu dürfen, die Wege der östlichen
Kolonisation, die unsere Vorfahren gebahnt, ließen wir mit Gestrüpp verwachsen,
und von den politischen Bahnen unseres alten heiligen Reiches nach dem blauen
Mittelmeer im Süden, dem Herzen der alten Welt, sagten unsere Historiker:
VestiZm terrene! Aber der Krieg zwingt uns, die Augen wieder aufzumachen,
er gestattet uns nicht mehr, Deutschlands Zukunft lediglich jenseits des Ozeans
Su suchen, wir müssen wieder mit den politischen Problemen ringen, mit denen
die Jahrhunderte unserer Geschichte gerungen haben. Wir müssen eine Lösung
der Frage finden, wie die Existenz und Selbstbestimmung der Völker des Ostens
mit der Erhaltung deutscher Macht und Kultur in Einklang zu bringen sei. Wir
begreifen auch wieder, daß es nicht gleichgültig ist, ob ein feindseliges Italien



*) „Deutschor und französischer Katholizismus in den letzten Jahrzehnten." Von
^r. Heinrich Schrörs, Professor der rath. Theologie an der Universität Bonn. 8° (XVI und
228 S,). Freiburq 1917, Herder. M. 4, in Pappband M. 4,60.
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[0253] Lateinisch oder Katholisch I Das vom Rektor der Pariser katholischen Universität Baudrillart herausgegebene Sammelwerk „l^a Zuerre allenmncie et le LÄtnolicisme" (1915) bemüht sich krampfhaft, den Krieg als einen Kreuzzug der echten Katholiken gegen die ketzerisch verseuchten Deutschen hinzustellen: angesichts der Tatsache, daß in allen romanischen Ländern das antikatholische Freimaurertum im Regiments sitzt und notorisch den Krieg im Namen der „Völkerfreiheit und Demokratie" entfesselt hat, ein mehr als kühnes Unternehmen! Das wissenschaftliche katholische Deutschland fand sich seinerseits in dem Sammelband „Deutsche Kultur, Katholizismus und Weltkrieg" (191(>) zu einer würdigen Abwehr zusammen. Aber drüben verstummten die An¬ griffe nicht. Leider ist Georges Goyau, der französische Geschichtsschreiber des »religiösen Deutschland", dem man eine wirklich gute Kenntnis der geistigen Zu¬ stände unseres Vaterlandes nicht wohl abstreiten kann, einer der lautesten Rufer im Streit und einer der geschäftigsten Verleumder des deutschen Katholizismus geworden. Der Franzose benutzt das verkehrte Schlagwort vom „evangelischen Kaisertum", um die deutschen Katholiken als abtrünnig von der angeblich allein echt katholischen politischen Stellungnahme in der Kulturkampfzeit und als Schritt¬ macher jeuer protestantisch-deutschen Gewaltpolitik hinzustellen, die das Kaisertum nach französischer Einbildung betreibt. Der Abwehr dieser Verdächtigungen dient das jüngste Buch des im Kampfe gegen derartige französische Angriffe schon be¬ währten Bonner katholischen Theologen Heinrich Schrörs*). Der Verfasser führt die Verteidigung sehr gründlich und wirksam durch einen vergleichenden geschicht¬ lichen überblick über die Entwicklung des deutschen und französischen Katholi¬ zismus, auf Grund dessen ihm die Rechtfertigung der kirchlichen Treue der Deutschen und der Nachweis ihrer bewährten glaubensbrüderlichen Gesinnung gegen andere Glieder der Gesamtkirche nicht schwer fällt. Für den nichtkatholischen Teil der deutschen Öffentlichkeit ist dieser Nachweis im einzelnen natürlich nicht so wichtig, wie für den Verfasser. Auf ihn kommt es mir darum auch nicht weiter an. Dagegen hat Anspruch auf das volle Interesse jedes politisch denkenden Deutschen ohne Unterschied der Konfession ein Hinweis daraus, was unsere Politik vom Katholizismus zu erwarten hat, ob freundliche oder feindliche Strömungen, ge¬ fährliche oder günstige Stimmungen sich in ihm regen. Die katholische Kirche ist uach wie vor eine politisch.kulturelle Großmacht in Europa, mit der jeder Staat unseres Erbteiles rechnen muß, einer aber, der sich anschickt, eine ganz neue Ära europäischer Politik anzufangen, wie jetzt eben unser deutscher, natürlich ganz be¬ sonders. Jene protestantische politische Betrachtungsweise, die sich um katholische Dinge nicht kümmerte, unter dem bequemen, schnell fertigen Vorwande, konfessionelle Mächte seien keine berechtigten Faktoren moderner nationaler Politik, muß über¬ wunden werden. Freilich haben wir eine spezifisch kleindeutsche Zeit hinter uns, eine Zeit, die die Ziele deutscher Politik weit jenseits der Meere suchte, weil sie sich an die Lösung der europäischen Fragen um des geheiligten Status puo willen nicht heranwagte. Um das Schicksal der deutschen Millionen in Österreich- Ungarn glaubten wir uns nicht kümmern zu dürfen, die Wege der östlichen Kolonisation, die unsere Vorfahren gebahnt, ließen wir mit Gestrüpp verwachsen, und von den politischen Bahnen unseres alten heiligen Reiches nach dem blauen Mittelmeer im Süden, dem Herzen der alten Welt, sagten unsere Historiker: VestiZm terrene! Aber der Krieg zwingt uns, die Augen wieder aufzumachen, er gestattet uns nicht mehr, Deutschlands Zukunft lediglich jenseits des Ozeans Su suchen, wir müssen wieder mit den politischen Problemen ringen, mit denen die Jahrhunderte unserer Geschichte gerungen haben. Wir müssen eine Lösung der Frage finden, wie die Existenz und Selbstbestimmung der Völker des Ostens mit der Erhaltung deutscher Macht und Kultur in Einklang zu bringen sei. Wir begreifen auch wieder, daß es nicht gleichgültig ist, ob ein feindseliges Italien *) „Deutschor und französischer Katholizismus in den letzten Jahrzehnten." Von ^r. Heinrich Schrörs, Professor der rath. Theologie an der Universität Bonn. 8° (XVI und 228 S,). Freiburq 1917, Herder. M. 4, in Pappband M. 4,60.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333095/253>, abgerufen am 22.07.2024.