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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr.

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Friedcnsrcden, ein diplomatisches Terzett

politischen Bewegungskrieg geht man zum Stellungskampfe über, indem die leichten
staatlichen Sandhaufen zu starken Schützengrabensystemen ausgebaut werden. In
Litauen und Baillant sehr am Platze, in Polen ein schwerer Fehler, der sich an
der ganzen Front rächen muß.

Das mag Herr von Kühlmann bei seinen Sorgen um die Sicherung unserer
Ostgrenzen mehr einsehen und auf Schritt und Tritt unangenehmer empfinden,
als jeder andere. Wir sitzen in unseren eigenen Sicherheitsvorrichtungen gefangen,
weil wir zuviel sichern wollten I Um so verdienstlicher wäre es, wenn Herr
von Kühlmann dennoch einen Weg nachweisen könnte, der uns aus der üblen
Lage heraufzuführen geeignet wäre. Aus seiner Rede läßt sich nicht entnehmen,
daß der Weg schon gefunden ist. Die Frage ist noch nicht zu irgendeinem "mit¬
teilungsreifen" Zustande gediehen.

Soweit sich die Verhältnisse übersehen lassen, beschließen wir also den Krieg
im Osten in einer militärisch zwar glänzenden, aber politisch erheblich ungünstigeren
Stellung als wir in ihn eintraten. Wir haben Rußland wenigstens für lange
Jahre verloren und keinen entsprechend starken Freund dafür unter den "befreiten"
Völkern gewonnen. Wohl aber sind wir im Begriff, an unserer Grenze ein
zweites Serbien zu schaffen, bei dem scheinbar unsere Provinzen Westpreutzen und
Posen die Rolle Mazedoniens spielen sollen, als es noch zur Türkei gehörte und
Bestrebungen im Gange waren, seine christliche Bevölkerung unter internationalen
Schutz zu stellen. Die Parallele wird dem Abgeordneten Herrn von Trompczynsti
vorgeschwebt haben, als er im preußischen Abgeordnetenhause bei Gelegenheit der
Wahlrechtsbesprechung wagte, die Stellung preußischer Provinzen unter inter¬
nationale Aufsicht zu fordern. Diese Forderung wird, wir sind davon überzeugt,
wiederkehren!




Friedcnsrcden, ein diplomatisches Terzett

politischen Bewegungskrieg geht man zum Stellungskampfe über, indem die leichten
staatlichen Sandhaufen zu starken Schützengrabensystemen ausgebaut werden. In
Litauen und Baillant sehr am Platze, in Polen ein schwerer Fehler, der sich an
der ganzen Front rächen muß.

Das mag Herr von Kühlmann bei seinen Sorgen um die Sicherung unserer
Ostgrenzen mehr einsehen und auf Schritt und Tritt unangenehmer empfinden,
als jeder andere. Wir sitzen in unseren eigenen Sicherheitsvorrichtungen gefangen,
weil wir zuviel sichern wollten I Um so verdienstlicher wäre es, wenn Herr
von Kühlmann dennoch einen Weg nachweisen könnte, der uns aus der üblen
Lage heraufzuführen geeignet wäre. Aus seiner Rede läßt sich nicht entnehmen,
daß der Weg schon gefunden ist. Die Frage ist noch nicht zu irgendeinem „mit¬
teilungsreifen" Zustande gediehen.

Soweit sich die Verhältnisse übersehen lassen, beschließen wir also den Krieg
im Osten in einer militärisch zwar glänzenden, aber politisch erheblich ungünstigeren
Stellung als wir in ihn eintraten. Wir haben Rußland wenigstens für lange
Jahre verloren und keinen entsprechend starken Freund dafür unter den „befreiten"
Völkern gewonnen. Wohl aber sind wir im Begriff, an unserer Grenze ein
zweites Serbien zu schaffen, bei dem scheinbar unsere Provinzen Westpreutzen und
Posen die Rolle Mazedoniens spielen sollen, als es noch zur Türkei gehörte und
Bestrebungen im Gange waren, seine christliche Bevölkerung unter internationalen
Schutz zu stellen. Die Parallele wird dem Abgeordneten Herrn von Trompczynsti
vorgeschwebt haben, als er im preußischen Abgeordnetenhause bei Gelegenheit der
Wahlrechtsbesprechung wagte, die Stellung preußischer Provinzen unter inter¬
nationale Aufsicht zu fordern. Diese Forderung wird, wir sind davon überzeugt,
wiederkehren!




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[0150] Friedcnsrcden, ein diplomatisches Terzett politischen Bewegungskrieg geht man zum Stellungskampfe über, indem die leichten staatlichen Sandhaufen zu starken Schützengrabensystemen ausgebaut werden. In Litauen und Baillant sehr am Platze, in Polen ein schwerer Fehler, der sich an der ganzen Front rächen muß. Das mag Herr von Kühlmann bei seinen Sorgen um die Sicherung unserer Ostgrenzen mehr einsehen und auf Schritt und Tritt unangenehmer empfinden, als jeder andere. Wir sitzen in unseren eigenen Sicherheitsvorrichtungen gefangen, weil wir zuviel sichern wollten I Um so verdienstlicher wäre es, wenn Herr von Kühlmann dennoch einen Weg nachweisen könnte, der uns aus der üblen Lage heraufzuführen geeignet wäre. Aus seiner Rede läßt sich nicht entnehmen, daß der Weg schon gefunden ist. Die Frage ist noch nicht zu irgendeinem „mit¬ teilungsreifen" Zustande gediehen. Soweit sich die Verhältnisse übersehen lassen, beschließen wir also den Krieg im Osten in einer militärisch zwar glänzenden, aber politisch erheblich ungünstigeren Stellung als wir in ihn eintraten. Wir haben Rußland wenigstens für lange Jahre verloren und keinen entsprechend starken Freund dafür unter den „befreiten" Völkern gewonnen. Wohl aber sind wir im Begriff, an unserer Grenze ein zweites Serbien zu schaffen, bei dem scheinbar unsere Provinzen Westpreutzen und Posen die Rolle Mazedoniens spielen sollen, als es noch zur Türkei gehörte und Bestrebungen im Gange waren, seine christliche Bevölkerung unter internationalen Schutz zu stellen. Die Parallele wird dem Abgeordneten Herrn von Trompczynsti vorgeschwebt haben, als er im preußischen Abgeordnetenhause bei Gelegenheit der Wahlrechtsbesprechung wagte, die Stellung preußischer Provinzen unter inter¬ nationale Aufsicht zu fordern. Diese Forderung wird, wir sind davon überzeugt, wiederkehren!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333095/150>, abgerufen am 22.07.2024.