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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr.

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Unser weg zum Frieden
Georg Lleinoro von

> it tausend Versprechungen und den schönsten Ausblicken hat das alte
Jahr sich angeschickt von uns zu scheiden. Doch ehe es wirklich ging,
l hat es noch schnell alle Horizonte verdüstert und uns in eine Stimmung
voll banger Unsicherheit und Nervenanspannung geworfen. Unsere
! Diplomatie, die in Brest-Litowsk unser Geschick aus der Hand der
Armee in Verwahrung bekommen hat, gibt uns Rätsel zu raten, die an starke
Zumutungen grenzen. Lesen wir die amtlichen Berichte über den Stand der Ver¬
handlungen und hören wir daneben, daß nun auch tatsächlich den Polen die
Möglichkeit gegeben ist, direkt auf die Verhandlungen zu wirken, so müssen wir
uns immer wieder fragen, ob unsere Einbildung Sieger zu sein nicht doch nur
ein schöner Traum sei, der uns narrte und uns auch wachend nicht aus seiner
Umklammerung freigeben will. Was seit Eintreffen Herrn von Kühlmanns in
Brest-Litowsk geschieht, sieht aus, als diktierten uns die Russen den Frieden, nicht
aber hat es den Anschein, als verhandelten zwei zum Frieden geneigte Mächte
über dessen Bedingungen. Es scheint, als werde die Idee unserer Feinde von
jenseits des Kanals triumphieren, wonach ein Frieden ohne Gebietserwerb und
Entschädigung Deutschlands Kraft zugunsten seiner Nachbarn für ein Jahrhundert
binden soll. Vielleicht sehen diejenigen zu schwarz, die solch ein Ende voraus¬
sehen, -- vielleicht ist es auch die Unkenntnis gewisser, den Unterhändlern allein zu¬
gänglicher Tatsachen, die uns alles schwärzer erscheinen läßt. Nicht zu leugnen ist,
daß unser Mißtrauen gegen die Diplomatie seit Jahr und Tag geschärft wurde, da
sie mit vollen Händen hinauswarf, was das Volk, sei es in unermüdlicher Friedens¬
arbeit, sei es im gewaltigen, blutigen Ringen sich erworben hatte. Unsere Di¬
plomatie hat immer schon sehr teuer gearbeitet, -- nun scheint ihr der Frieden
ein solch erstrebenswerter Zustand, daß es keinen Preis gibt, den zu zahlen sie
nicht bereit wäre. Der Widerspruch, der zwischen unseren Leistungen auf dem
Erdball und den Ergebnissen unserer Diplomatie von jeher vorhanden ist, das ist
die Quelle des Mißtrauens auch jetzt: wollen wir einen lohnenden sicheren Frieden
haben, so muß der Widerspruch verschwinden.


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Unser weg zum Frieden
Georg Lleinoro von

> it tausend Versprechungen und den schönsten Ausblicken hat das alte
Jahr sich angeschickt von uns zu scheiden. Doch ehe es wirklich ging,
l hat es noch schnell alle Horizonte verdüstert und uns in eine Stimmung
voll banger Unsicherheit und Nervenanspannung geworfen. Unsere
! Diplomatie, die in Brest-Litowsk unser Geschick aus der Hand der
Armee in Verwahrung bekommen hat, gibt uns Rätsel zu raten, die an starke
Zumutungen grenzen. Lesen wir die amtlichen Berichte über den Stand der Ver¬
handlungen und hören wir daneben, daß nun auch tatsächlich den Polen die
Möglichkeit gegeben ist, direkt auf die Verhandlungen zu wirken, so müssen wir
uns immer wieder fragen, ob unsere Einbildung Sieger zu sein nicht doch nur
ein schöner Traum sei, der uns narrte und uns auch wachend nicht aus seiner
Umklammerung freigeben will. Was seit Eintreffen Herrn von Kühlmanns in
Brest-Litowsk geschieht, sieht aus, als diktierten uns die Russen den Frieden, nicht
aber hat es den Anschein, als verhandelten zwei zum Frieden geneigte Mächte
über dessen Bedingungen. Es scheint, als werde die Idee unserer Feinde von
jenseits des Kanals triumphieren, wonach ein Frieden ohne Gebietserwerb und
Entschädigung Deutschlands Kraft zugunsten seiner Nachbarn für ein Jahrhundert
binden soll. Vielleicht sehen diejenigen zu schwarz, die solch ein Ende voraus¬
sehen, — vielleicht ist es auch die Unkenntnis gewisser, den Unterhändlern allein zu¬
gänglicher Tatsachen, die uns alles schwärzer erscheinen läßt. Nicht zu leugnen ist,
daß unser Mißtrauen gegen die Diplomatie seit Jahr und Tag geschärft wurde, da
sie mit vollen Händen hinauswarf, was das Volk, sei es in unermüdlicher Friedens¬
arbeit, sei es im gewaltigen, blutigen Ringen sich erworben hatte. Unsere Di¬
plomatie hat immer schon sehr teuer gearbeitet, — nun scheint ihr der Frieden
ein solch erstrebenswerter Zustand, daß es keinen Preis gibt, den zu zahlen sie
nicht bereit wäre. Der Widerspruch, der zwischen unseren Leistungen auf dem
Erdball und den Ergebnissen unserer Diplomatie von jeher vorhanden ist, das ist
die Quelle des Mißtrauens auch jetzt: wollen wir einen lohnenden sicheren Frieden
haben, so muß der Widerspruch verschwinden.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333095/13>, abgerufen am 01.07.2024.