Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Deutschlands wirtschaftliche und finanzielle Kraftquellen

Auch unsere Gegner würden gern den Grundsatz einer soliden Finanzpolitik be¬
folgen, wenn nicht ihre wirtschaftliche Kraft geschwächt wäre; dazu kommt, daß
sich ihr Patriotismus mehr in Worten als in Taten äußert.

Die Gesamtkriegskosten wird man heute bei der Entente aus etwa
280 Milliarden, bei den Zentralmächten auf rund 130 Milliarden Mark
schätzen können. England hat von 100 Milliarden Kriegskrediten im ganzen
nur etwa 42 Milliarden durch fundierte Anleihen decken können, steht also
hinsichtlich der Konsolidierung weit hinter Deutschland zurück. Wie stark seine
Vermögensbildung bereits beeinträchtigt ist, beweist die Tatsache, daß es die
Kriegsgewinne mit drei Viertel ihres Ertrages und die Einkommensteuer
bis auf 40 Prozent des Einkommens besteuert hat. Die Passivität der eng¬
lischen Handelsbilanz belief sich in den ersten sieben Monaten dieses Jahres
auf 8 Milliarden Mark und konnte nur ausgeglichen werden durch Wertkäufe,
Verpfändung ausländischer Wertpapiere, Aufnahme von Anleihen im Auslande
und Goldverschiffungen. Nur mit größten Anstrengungen hält England die
Parität seines Wechselkurses aufrecht und der Kurs des einst weltbeherrschenden
Pfund Sterling weist heute schon ein erhebliches Disagio auf. In Frankreich
sind von 62 Milliarden Mark rund 16 Milliarden, mithin nur 27 Prozent
durch zwei Kriegsanleihen gedeckt, obgleich die letzte Anleihe zu 88 Prozent,
also 10 Prozent unter dem Kurse der deutschen ausgegeben wurde. Rußland,
dessen Kriegskosten sich auf 60 Milliarden Mark belaufen dürften, hat, nur
20 Milliarden durch feste Anleihen aufgebracht, die zum größten Teil von den
Banken und Sparkassen zwangsweise übernommen werden mußten. Abgesehen
von diesen Anleihen erfolgt die gesamte russische Kriegsfinanzierung durch die
Ausgabe von Noten und Papiergeld; infolge der enormen Preissteigerungen
hat der Rubel heute nur noch eine Kaufkraft von 15 Kopeken! Italiens
Kriegskosten, die 20 Milliarden Mark betragen, stehen zu seinem Volksvermögen
in einem krassen Mißverhältnis und sind durch vier Kriegsanleihen mit
6,4 Milliarden gedeckt.

England und Frankreich hatten vor dem Kriege einen nur ^ Prozent
billigeren langfristigen Kredit als Deutschland und folgerten hieraus die Über¬
legenheit ihrer staatlichen Finanzkraft. Dagegen ist der langfristige Kredit
Deutschlands im Laufe des Krieges gegenüber diesen Staaten immer billiger
geworden und der Zeichnungskurs hat nur sehr geringen Schwankungen unter¬
legen. In England hat Bonar Law bereits bei der Auflage der dritten Kriegs¬
anleihe im Falle eines unbefriedigender Ergebnisses Zwangsanleihen mit
niedrigerem Zinsfuß angekündigt, während man in Frankreich zu einer Prämien-
oder Losanleihe seine Zuflucht nehmen will. In Deutschland dagegen wird
bei dem seit der Ausgabe der sechsten Kriegsanleihe weiter entwickelten Fort¬
schreiten unserer militärischen Lage zu Lande und zur See auch die jetzt auf¬
gelegte siebente Kriegsanleihe einen großen Erfolg haben. Darauf deutet die
herrschende große Geldflüssigkeit, die ganze Lage unseres Geldmarktes hin,


Deutschlands wirtschaftliche und finanzielle Kraftquellen

Auch unsere Gegner würden gern den Grundsatz einer soliden Finanzpolitik be¬
folgen, wenn nicht ihre wirtschaftliche Kraft geschwächt wäre; dazu kommt, daß
sich ihr Patriotismus mehr in Worten als in Taten äußert.

Die Gesamtkriegskosten wird man heute bei der Entente aus etwa
280 Milliarden, bei den Zentralmächten auf rund 130 Milliarden Mark
schätzen können. England hat von 100 Milliarden Kriegskrediten im ganzen
nur etwa 42 Milliarden durch fundierte Anleihen decken können, steht also
hinsichtlich der Konsolidierung weit hinter Deutschland zurück. Wie stark seine
Vermögensbildung bereits beeinträchtigt ist, beweist die Tatsache, daß es die
Kriegsgewinne mit drei Viertel ihres Ertrages und die Einkommensteuer
bis auf 40 Prozent des Einkommens besteuert hat. Die Passivität der eng¬
lischen Handelsbilanz belief sich in den ersten sieben Monaten dieses Jahres
auf 8 Milliarden Mark und konnte nur ausgeglichen werden durch Wertkäufe,
Verpfändung ausländischer Wertpapiere, Aufnahme von Anleihen im Auslande
und Goldverschiffungen. Nur mit größten Anstrengungen hält England die
Parität seines Wechselkurses aufrecht und der Kurs des einst weltbeherrschenden
Pfund Sterling weist heute schon ein erhebliches Disagio auf. In Frankreich
sind von 62 Milliarden Mark rund 16 Milliarden, mithin nur 27 Prozent
durch zwei Kriegsanleihen gedeckt, obgleich die letzte Anleihe zu 88 Prozent,
also 10 Prozent unter dem Kurse der deutschen ausgegeben wurde. Rußland,
dessen Kriegskosten sich auf 60 Milliarden Mark belaufen dürften, hat, nur
20 Milliarden durch feste Anleihen aufgebracht, die zum größten Teil von den
Banken und Sparkassen zwangsweise übernommen werden mußten. Abgesehen
von diesen Anleihen erfolgt die gesamte russische Kriegsfinanzierung durch die
Ausgabe von Noten und Papiergeld; infolge der enormen Preissteigerungen
hat der Rubel heute nur noch eine Kaufkraft von 15 Kopeken! Italiens
Kriegskosten, die 20 Milliarden Mark betragen, stehen zu seinem Volksvermögen
in einem krassen Mißverhältnis und sind durch vier Kriegsanleihen mit
6,4 Milliarden gedeckt.

England und Frankreich hatten vor dem Kriege einen nur ^ Prozent
billigeren langfristigen Kredit als Deutschland und folgerten hieraus die Über¬
legenheit ihrer staatlichen Finanzkraft. Dagegen ist der langfristige Kredit
Deutschlands im Laufe des Krieges gegenüber diesen Staaten immer billiger
geworden und der Zeichnungskurs hat nur sehr geringen Schwankungen unter¬
legen. In England hat Bonar Law bereits bei der Auflage der dritten Kriegs¬
anleihe im Falle eines unbefriedigender Ergebnisses Zwangsanleihen mit
niedrigerem Zinsfuß angekündigt, während man in Frankreich zu einer Prämien-
oder Losanleihe seine Zuflucht nehmen will. In Deutschland dagegen wird
bei dem seit der Ausgabe der sechsten Kriegsanleihe weiter entwickelten Fort¬
schreiten unserer militärischen Lage zu Lande und zur See auch die jetzt auf¬
gelegte siebente Kriegsanleihe einen großen Erfolg haben. Darauf deutet die
herrschende große Geldflüssigkeit, die ganze Lage unseres Geldmarktes hin,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0035" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/332748"/>
          <fw type="header" place="top"> Deutschlands wirtschaftliche und finanzielle Kraftquellen</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_122" prev="#ID_121"> Auch unsere Gegner würden gern den Grundsatz einer soliden Finanzpolitik be¬<lb/>
folgen, wenn nicht ihre wirtschaftliche Kraft geschwächt wäre; dazu kommt, daß<lb/>
sich ihr Patriotismus mehr in Worten als in Taten äußert.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_123"> Die Gesamtkriegskosten wird man heute bei der Entente aus etwa<lb/>
280 Milliarden, bei den Zentralmächten auf rund 130 Milliarden Mark<lb/>
schätzen können. England hat von 100 Milliarden Kriegskrediten im ganzen<lb/>
nur etwa 42 Milliarden durch fundierte Anleihen decken können, steht also<lb/>
hinsichtlich der Konsolidierung weit hinter Deutschland zurück. Wie stark seine<lb/>
Vermögensbildung bereits beeinträchtigt ist, beweist die Tatsache, daß es die<lb/>
Kriegsgewinne mit drei Viertel ihres Ertrages und die Einkommensteuer<lb/>
bis auf 40 Prozent des Einkommens besteuert hat. Die Passivität der eng¬<lb/>
lischen Handelsbilanz belief sich in den ersten sieben Monaten dieses Jahres<lb/>
auf 8 Milliarden Mark und konnte nur ausgeglichen werden durch Wertkäufe,<lb/>
Verpfändung ausländischer Wertpapiere, Aufnahme von Anleihen im Auslande<lb/>
und Goldverschiffungen. Nur mit größten Anstrengungen hält England die<lb/>
Parität seines Wechselkurses aufrecht und der Kurs des einst weltbeherrschenden<lb/>
Pfund Sterling weist heute schon ein erhebliches Disagio auf. In Frankreich<lb/>
sind von 62 Milliarden Mark rund 16 Milliarden, mithin nur 27 Prozent<lb/>
durch zwei Kriegsanleihen gedeckt, obgleich die letzte Anleihe zu 88 Prozent,<lb/>
also 10 Prozent unter dem Kurse der deutschen ausgegeben wurde. Rußland,<lb/>
dessen Kriegskosten sich auf 60 Milliarden Mark belaufen dürften, hat, nur<lb/>
20 Milliarden durch feste Anleihen aufgebracht, die zum größten Teil von den<lb/>
Banken und Sparkassen zwangsweise übernommen werden mußten. Abgesehen<lb/>
von diesen Anleihen erfolgt die gesamte russische Kriegsfinanzierung durch die<lb/>
Ausgabe von Noten und Papiergeld; infolge der enormen Preissteigerungen<lb/>
hat der Rubel heute nur noch eine Kaufkraft von 15 Kopeken! Italiens<lb/>
Kriegskosten, die 20 Milliarden Mark betragen, stehen zu seinem Volksvermögen<lb/>
in einem krassen Mißverhältnis und sind durch vier Kriegsanleihen mit<lb/>
6,4 Milliarden gedeckt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_124" next="#ID_125"> England und Frankreich hatten vor dem Kriege einen nur ^ Prozent<lb/>
billigeren langfristigen Kredit als Deutschland und folgerten hieraus die Über¬<lb/>
legenheit ihrer staatlichen Finanzkraft. Dagegen ist der langfristige Kredit<lb/>
Deutschlands im Laufe des Krieges gegenüber diesen Staaten immer billiger<lb/>
geworden und der Zeichnungskurs hat nur sehr geringen Schwankungen unter¬<lb/>
legen. In England hat Bonar Law bereits bei der Auflage der dritten Kriegs¬<lb/>
anleihe im Falle eines unbefriedigender Ergebnisses Zwangsanleihen mit<lb/>
niedrigerem Zinsfuß angekündigt, während man in Frankreich zu einer Prämien-<lb/>
oder Losanleihe seine Zuflucht nehmen will. In Deutschland dagegen wird<lb/>
bei dem seit der Ausgabe der sechsten Kriegsanleihe weiter entwickelten Fort¬<lb/>
schreiten unserer militärischen Lage zu Lande und zur See auch die jetzt auf¬<lb/>
gelegte siebente Kriegsanleihe einen großen Erfolg haben. Darauf deutet die<lb/>
herrschende große Geldflüssigkeit, die ganze Lage unseres Geldmarktes hin,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0035] Deutschlands wirtschaftliche und finanzielle Kraftquellen Auch unsere Gegner würden gern den Grundsatz einer soliden Finanzpolitik be¬ folgen, wenn nicht ihre wirtschaftliche Kraft geschwächt wäre; dazu kommt, daß sich ihr Patriotismus mehr in Worten als in Taten äußert. Die Gesamtkriegskosten wird man heute bei der Entente aus etwa 280 Milliarden, bei den Zentralmächten auf rund 130 Milliarden Mark schätzen können. England hat von 100 Milliarden Kriegskrediten im ganzen nur etwa 42 Milliarden durch fundierte Anleihen decken können, steht also hinsichtlich der Konsolidierung weit hinter Deutschland zurück. Wie stark seine Vermögensbildung bereits beeinträchtigt ist, beweist die Tatsache, daß es die Kriegsgewinne mit drei Viertel ihres Ertrages und die Einkommensteuer bis auf 40 Prozent des Einkommens besteuert hat. Die Passivität der eng¬ lischen Handelsbilanz belief sich in den ersten sieben Monaten dieses Jahres auf 8 Milliarden Mark und konnte nur ausgeglichen werden durch Wertkäufe, Verpfändung ausländischer Wertpapiere, Aufnahme von Anleihen im Auslande und Goldverschiffungen. Nur mit größten Anstrengungen hält England die Parität seines Wechselkurses aufrecht und der Kurs des einst weltbeherrschenden Pfund Sterling weist heute schon ein erhebliches Disagio auf. In Frankreich sind von 62 Milliarden Mark rund 16 Milliarden, mithin nur 27 Prozent durch zwei Kriegsanleihen gedeckt, obgleich die letzte Anleihe zu 88 Prozent, also 10 Prozent unter dem Kurse der deutschen ausgegeben wurde. Rußland, dessen Kriegskosten sich auf 60 Milliarden Mark belaufen dürften, hat, nur 20 Milliarden durch feste Anleihen aufgebracht, die zum größten Teil von den Banken und Sparkassen zwangsweise übernommen werden mußten. Abgesehen von diesen Anleihen erfolgt die gesamte russische Kriegsfinanzierung durch die Ausgabe von Noten und Papiergeld; infolge der enormen Preissteigerungen hat der Rubel heute nur noch eine Kaufkraft von 15 Kopeken! Italiens Kriegskosten, die 20 Milliarden Mark betragen, stehen zu seinem Volksvermögen in einem krassen Mißverhältnis und sind durch vier Kriegsanleihen mit 6,4 Milliarden gedeckt. England und Frankreich hatten vor dem Kriege einen nur ^ Prozent billigeren langfristigen Kredit als Deutschland und folgerten hieraus die Über¬ legenheit ihrer staatlichen Finanzkraft. Dagegen ist der langfristige Kredit Deutschlands im Laufe des Krieges gegenüber diesen Staaten immer billiger geworden und der Zeichnungskurs hat nur sehr geringen Schwankungen unter¬ legen. In England hat Bonar Law bereits bei der Auflage der dritten Kriegs¬ anleihe im Falle eines unbefriedigender Ergebnisses Zwangsanleihen mit niedrigerem Zinsfuß angekündigt, während man in Frankreich zu einer Prämien- oder Losanleihe seine Zuflucht nehmen will. In Deutschland dagegen wird bei dem seit der Ausgabe der sechsten Kriegsanleihe weiter entwickelten Fort¬ schreiten unserer militärischen Lage zu Lande und zur See auch die jetzt auf¬ gelegte siebente Kriegsanleihe einen großen Erfolg haben. Darauf deutet die herrschende große Geldflüssigkeit, die ganze Lage unseres Geldmarktes hin,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332712
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332712/35
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332712/35>, abgerufen am 01.09.2024.