Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Viertes Vierteljahr.Erbrecht des Reiches uiid Erbschaftssteuer Bundesstaat erfolgen, da das Reich eigene Behörden für den Zweck nicht besitzt. Was die Besteuerung privater Erbschaften anlangt, so sind die steuer¬ Erbrecht des Reiches uiid Erbschaftssteuer Bundesstaat erfolgen, da das Reich eigene Behörden für den Zweck nicht besitzt. Was die Besteuerung privater Erbschaften anlangt, so sind die steuer¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0210" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/332925"/> <fw type="header" place="top"> Erbrecht des Reiches uiid Erbschaftssteuer</fw><lb/> <p xml:id="ID_690" prev="#ID_689"> Bundesstaat erfolgen, da das Reich eigene Behörden für den Zweck nicht besitzt.<lb/> Aber auch die Erbschaftsämter der Bundesstaaten können die Aufgabe unmittelbar<lb/> nicht zweckmäßig lösen. Die Gemeinde, in der der Verstorbene gewohnt hat, die<lb/> seinen Familien- und Vermögensverhältnissen viel näher steht, ist besser dazu ge¬<lb/> eignet, als das entfernte Erbschaftsamt. Ihre Aufgabe ist es, nachdem der<lb/> Sterbefall gemeldet ist, unverzüglich die nötigen Schritte zur Ermittlung und<lb/> Sicherstellung des Nachlasses zu tun, namentlich ein amtliches Verzeichnis des<lb/> Nachlasses aufzunehmen. Soll der Zweck der Reform erreicht werden, so muß bei<lb/> jedem Sterbefall ohne Ausnahme ein amtliches Verzeichnis aufgenommen werden.<lb/> So ergibt sich für die Einziehung heimfallender Erbschaften folgende Gliederung :<lb/> Erbe ist das Reich, gesetzlicher Vertreter des Reiches der Bundesstaat, dem der<lb/> Verstorbene angehörte, gesetzlicher Vertreter des Bundesstaates die Gemeinde, der<lb/> d»r Verstorbene angehörte. Der Schwerpunkt bei der Durchführung des öffent¬<lb/> lichen Erbrechtes fällt mithin in die Gemeinde. Dafür gebührt ihr eine Vergütung,<lb/> die auf 5 Prozent des reinen Nachlasses zu bemessen sein dürfte. In der Aussicht auf<lb/> die Vergütung liegt gleichzeitig ein Ansporn zur Tätigkeit im gemeinsamen Interesse<lb/> des Reiches und der Gemeinde. Es könnte sich auch empfehlen, wenn die Gemeinde<lb/> ihrerseits dem von ihr beauftragten Beamten einen Anteil an der ihr zufallenden Ver¬<lb/> gütung gewährte. Bei dem Nachlaß handelt es sich entweder um bewegliche oder<lb/> unbewegliche Gegenstände. Grund und Boden geht ohne weiteres in das Eigen¬<lb/> tum des Reiches über und sollte sein unveräußerliches Eigentum bleiben, mag<lb/> die Nutzung im Wege der Verpachtung, Vermietung oder sonstwie geschehen. Nie<lb/> sollte er dazu dienen, die Bodenpreise und damit die Wohnungsmieten weiter in<lb/> die Höhe zu treiben. Geschäftliche industrielle Unternehmungen sind nach den<lb/> Grundsätzen einer kaufnmnnisch-zweckmäßigen VerWallung vorläufig weiter zu<lb/> führen und baldmöglichst zu veräußern. Bewegliche Sachen sind nach Lage des<lb/> Falles öffentlich meistbietend oder freihändig zu verkaufen. Auf Antrag der Ge¬<lb/> meindeverwaltung, in geeigneten Fällen aber auch von Amts wegen ist ein sach¬<lb/> kundiger Pfleger des Nachlasses zu bestellen, um die Regelung der Verlassenschaft<lb/> unter Aufsicht des Gerichts zu besorgen.</p><lb/> <p xml:id="ID_691" next="#ID_692"> Was die Besteuerung privater Erbschaften anlangt, so sind die steuer¬<lb/> pflichtigen Personen, außer den Kindern und Ehegatten, in zwei Gruppen geteilt.<lb/> Die erste umfaßt die Eltern und Großeltern des Erblassers, seine Geschwister und<lb/> deren Kinder. Sie haben den achten Teil des Nachlasses, wenn es sich um eine<lb/> Million oder mehr handelt, den vierten Teil des Nachlasses als Steuer zu ent¬<lb/> richten. Die zweite Gruppe bilden die entfernteren Verwandten und fremde Per¬<lb/> sonen. Sie geben den doppelten Betrag, nämlich ein Viertel bis zur Hälfte des<lb/> Nachlasses ab. Die Kinder des Erblassers entrichten, und zwar auch mit Rücksicht<lb/> auf die Forderungen der Bevölkerungspolitik, um so höhere Sätze, je geringer ihre<lb/> Anzahl ist. Grundsätzlich ist für sie eine Abgabe von 1—10 Prozent bei Ver¬<lb/> mögensmassen von 3000 Mark bis 300000 Mark aufsteigend in Aussicht genommen,<lb/> und zwar dergestalt, daß das etwa vorhandene Vermögen zugerechnet, die Abgabe<lb/> aber nur von dem ererbten erhoben wird. Denn es ist nicht gleichgültig, ob die<lb/> Erbschaft einem unbemittelten oder einem ohnehin schon vermögenden Klubs zu¬<lb/> fällt. Diese Sätze erscheinen mir für die Regelfälle, wenn der Erblasser wenigstens<lb/> vier Kinder hinterläßt, ausreichend. Sind dagegen weniger Kinder vorhanden,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0210]
Erbrecht des Reiches uiid Erbschaftssteuer
Bundesstaat erfolgen, da das Reich eigene Behörden für den Zweck nicht besitzt.
Aber auch die Erbschaftsämter der Bundesstaaten können die Aufgabe unmittelbar
nicht zweckmäßig lösen. Die Gemeinde, in der der Verstorbene gewohnt hat, die
seinen Familien- und Vermögensverhältnissen viel näher steht, ist besser dazu ge¬
eignet, als das entfernte Erbschaftsamt. Ihre Aufgabe ist es, nachdem der
Sterbefall gemeldet ist, unverzüglich die nötigen Schritte zur Ermittlung und
Sicherstellung des Nachlasses zu tun, namentlich ein amtliches Verzeichnis des
Nachlasses aufzunehmen. Soll der Zweck der Reform erreicht werden, so muß bei
jedem Sterbefall ohne Ausnahme ein amtliches Verzeichnis aufgenommen werden.
So ergibt sich für die Einziehung heimfallender Erbschaften folgende Gliederung :
Erbe ist das Reich, gesetzlicher Vertreter des Reiches der Bundesstaat, dem der
Verstorbene angehörte, gesetzlicher Vertreter des Bundesstaates die Gemeinde, der
d»r Verstorbene angehörte. Der Schwerpunkt bei der Durchführung des öffent¬
lichen Erbrechtes fällt mithin in die Gemeinde. Dafür gebührt ihr eine Vergütung,
die auf 5 Prozent des reinen Nachlasses zu bemessen sein dürfte. In der Aussicht auf
die Vergütung liegt gleichzeitig ein Ansporn zur Tätigkeit im gemeinsamen Interesse
des Reiches und der Gemeinde. Es könnte sich auch empfehlen, wenn die Gemeinde
ihrerseits dem von ihr beauftragten Beamten einen Anteil an der ihr zufallenden Ver¬
gütung gewährte. Bei dem Nachlaß handelt es sich entweder um bewegliche oder
unbewegliche Gegenstände. Grund und Boden geht ohne weiteres in das Eigen¬
tum des Reiches über und sollte sein unveräußerliches Eigentum bleiben, mag
die Nutzung im Wege der Verpachtung, Vermietung oder sonstwie geschehen. Nie
sollte er dazu dienen, die Bodenpreise und damit die Wohnungsmieten weiter in
die Höhe zu treiben. Geschäftliche industrielle Unternehmungen sind nach den
Grundsätzen einer kaufnmnnisch-zweckmäßigen VerWallung vorläufig weiter zu
führen und baldmöglichst zu veräußern. Bewegliche Sachen sind nach Lage des
Falles öffentlich meistbietend oder freihändig zu verkaufen. Auf Antrag der Ge¬
meindeverwaltung, in geeigneten Fällen aber auch von Amts wegen ist ein sach¬
kundiger Pfleger des Nachlasses zu bestellen, um die Regelung der Verlassenschaft
unter Aufsicht des Gerichts zu besorgen.
Was die Besteuerung privater Erbschaften anlangt, so sind die steuer¬
pflichtigen Personen, außer den Kindern und Ehegatten, in zwei Gruppen geteilt.
Die erste umfaßt die Eltern und Großeltern des Erblassers, seine Geschwister und
deren Kinder. Sie haben den achten Teil des Nachlasses, wenn es sich um eine
Million oder mehr handelt, den vierten Teil des Nachlasses als Steuer zu ent¬
richten. Die zweite Gruppe bilden die entfernteren Verwandten und fremde Per¬
sonen. Sie geben den doppelten Betrag, nämlich ein Viertel bis zur Hälfte des
Nachlasses ab. Die Kinder des Erblassers entrichten, und zwar auch mit Rücksicht
auf die Forderungen der Bevölkerungspolitik, um so höhere Sätze, je geringer ihre
Anzahl ist. Grundsätzlich ist für sie eine Abgabe von 1—10 Prozent bei Ver¬
mögensmassen von 3000 Mark bis 300000 Mark aufsteigend in Aussicht genommen,
und zwar dergestalt, daß das etwa vorhandene Vermögen zugerechnet, die Abgabe
aber nur von dem ererbten erhoben wird. Denn es ist nicht gleichgültig, ob die
Erbschaft einem unbemittelten oder einem ohnehin schon vermögenden Klubs zu¬
fällt. Diese Sätze erscheinen mir für die Regelfälle, wenn der Erblasser wenigstens
vier Kinder hinterläßt, ausreichend. Sind dagegen weniger Kinder vorhanden,
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