Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Viertes Vierteljahr.Die Dona""- und Meerongenfrage österreichischen. Denn auch der Entwicklung des englischen Handels bereitete der Die Pariser Kongreßakte von 1856 hat wenigstens äußerlich die beiden Rußland war nach zwei Seiten entschieden zurückgedrängt worden, von der Der Berliner Bertrag enthält keine neue Ordnung der Pontus- und Meer¬ Rußland hat seitdem wiederholt an der bestehenden Ordnung der Dinge Die Dona»«- und Meerongenfrage österreichischen. Denn auch der Entwicklung des englischen Handels bereitete der Die Pariser Kongreßakte von 1856 hat wenigstens äußerlich die beiden Rußland war nach zwei Seiten entschieden zurückgedrängt worden, von der Der Berliner Bertrag enthält keine neue Ordnung der Pontus- und Meer¬ Rußland hat seitdem wiederholt an der bestehenden Ordnung der Dinge <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0180" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/332895"/> <fw type="header" place="top"> Die Dona»«- und Meerongenfrage</fw><lb/> <p xml:id="ID_600" prev="#ID_599"> österreichischen. Denn auch der Entwicklung des englischen Handels bereitete der<lb/> Zustand der unteren Donau die ernstlichsten Hindernisse. Hier hat erst der Krim¬<lb/> krieg einen Wandel der Dinge herbeigeführt.</p><lb/> <p xml:id="ID_601"> Die Pariser Kongreßakte von 1856 hat wenigstens äußerlich die beiden<lb/> Fragen einer gemeinsamen völkerrechtlichen Regelung unterworfen. Rußland<lb/> wurde zunächst durch die Abtretung des südlichen Bessarabien an das unter tür¬<lb/> kischer Oberhoheit stehende Fürstentum Moldau von der unteren Donau abge¬<lb/> drängt. Sodann wurde die Donau einer völkerrechtlichen Regelung unterworfen,<lb/> wie sie der Wiener Kongreß für die internationalen Ströme aufgestellt hatte. Die<lb/> freie Donauschiffahrt wurde allen Nationen gewährleistet. Zu ihrer Durchführung<lb/> wurde eine zeitlich beschränkte „Europäische Donankommission" eingesetzt, um die<lb/> nötigen Arbeiten zur Freimachung der Donaumündungen zu bewirken. Daneben<lb/> sollte eine Kommission der Uferstaaten die freie Schiffahrt regeln und überwachen,<lb/> auch später die Aufgaben der Europäischen Kommission übernehmen. Die Meer¬<lb/> engenkonvention von 1841 wurde im wesentlichen erneuert. Dagegen sollte das<lb/> Schwarze Meer dauernd den Kriegsflaggen sowohl der Uferstaaten wie anderer<lb/> Mächte verboten bleiben, abgesehen von leichten Streitkräften zur polizeilichen<lb/> Überwachung. WederRußland noch die Türkei dürfen ein militärisch-maritinles Arsenal<lb/> am Schwarzen Meere errichten. Doch bleibt es denHandelsschiffen aller Nationen offen.</p><lb/> <p xml:id="ID_602"> Rußland war nach zwei Seiten entschieden zurückgedrängt worden, von der<lb/> Donaumündung und von der militärischen Beherrschung des Schwarzen Meeres.<lb/> Beides wurde russischerseits als nationale Demütigung empfunden. So benutzte<lb/> es die militärische Niederlage Frankreichs von 1870/71, um sich unter der tat<lb/> kräftigen Unterstützung Deutschlands von der Neutralisation des Schwarzen Meeres<lb/> loszusagen. Der Londoner Vertrag vom 13. März 1871 erkannte die Aufhebung<lb/> der betreffenden Beschränkungen der Uferstaaten an unter Aufrechterhaltung der<lb/> Schließung der Meerengen für Kriegsschiffe in Friedenszeiten vorbehaltlich der<lb/> Befugnis des Sultans, die Meerengen den Schiffen befreundeter und verbündeter<lb/> Mächte zu öffnen zur Sicherstellung der Ausführung des Pariser Vertrages. Der<lb/> russisch-türkische Krieg von 1877/78 bot dann Rußland Gelegenheit, dem verbün¬<lb/> deten Rumänien Bessarabien, soweit es 18S0 an die Moldau abgetreten war,<lb/> wieder abzunehmen, jedoch bloß bis zum Kiliaarme ohne das Delta. Damit<lb/> wurde Rußland wieder Donauuferstaat.</p><lb/> <p xml:id="ID_603"> Der Berliner Bertrag enthält keine neue Ordnung der Pontus- und Meer¬<lb/> engenfrage, sondern hat sich im wesentlichen darauf beschränkt, den bestehenden<lb/> Zustand, wie er seit 1836 geworden war, zu bestätigen.</p><lb/> <p xml:id="ID_604"> Rußland hat seitdem wiederholt an der bestehenden Ordnung der Dinge<lb/> gerüttelt, indem es mehrfach Schiffe der sogenannten freiwilligen Flotte, zum Teil<lb/> mit Soldaten die Meerengen durchfahren ließ. Im russisch-japanischen Kriege<lb/> drohte daraus 1904 sogar ein Zusammenstoß mit England, indem Schiffe der<lb/> freiwilligen Flotte unter Handelsflagge die Meerengen durchfuhren und sich dann<lb/> in Kreuzer verwandelten und englische Handelsschiffe nach Bannware durchsuchten.<lb/> Der Drang Rußlands nach dem offenen Meere führte schließlich zum erneuten<lb/> Kriege mit der Türkei. Nunmehr gestand auch England dem russischen Verbün¬<lb/> deten den Besitz der Meerengen zu, indem es selbst die davor liegenden griechi<lb/> schen Inseln besetzte.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0180]
Die Dona»«- und Meerongenfrage
österreichischen. Denn auch der Entwicklung des englischen Handels bereitete der
Zustand der unteren Donau die ernstlichsten Hindernisse. Hier hat erst der Krim¬
krieg einen Wandel der Dinge herbeigeführt.
Die Pariser Kongreßakte von 1856 hat wenigstens äußerlich die beiden
Fragen einer gemeinsamen völkerrechtlichen Regelung unterworfen. Rußland
wurde zunächst durch die Abtretung des südlichen Bessarabien an das unter tür¬
kischer Oberhoheit stehende Fürstentum Moldau von der unteren Donau abge¬
drängt. Sodann wurde die Donau einer völkerrechtlichen Regelung unterworfen,
wie sie der Wiener Kongreß für die internationalen Ströme aufgestellt hatte. Die
freie Donauschiffahrt wurde allen Nationen gewährleistet. Zu ihrer Durchführung
wurde eine zeitlich beschränkte „Europäische Donankommission" eingesetzt, um die
nötigen Arbeiten zur Freimachung der Donaumündungen zu bewirken. Daneben
sollte eine Kommission der Uferstaaten die freie Schiffahrt regeln und überwachen,
auch später die Aufgaben der Europäischen Kommission übernehmen. Die Meer¬
engenkonvention von 1841 wurde im wesentlichen erneuert. Dagegen sollte das
Schwarze Meer dauernd den Kriegsflaggen sowohl der Uferstaaten wie anderer
Mächte verboten bleiben, abgesehen von leichten Streitkräften zur polizeilichen
Überwachung. WederRußland noch die Türkei dürfen ein militärisch-maritinles Arsenal
am Schwarzen Meere errichten. Doch bleibt es denHandelsschiffen aller Nationen offen.
Rußland war nach zwei Seiten entschieden zurückgedrängt worden, von der
Donaumündung und von der militärischen Beherrschung des Schwarzen Meeres.
Beides wurde russischerseits als nationale Demütigung empfunden. So benutzte
es die militärische Niederlage Frankreichs von 1870/71, um sich unter der tat
kräftigen Unterstützung Deutschlands von der Neutralisation des Schwarzen Meeres
loszusagen. Der Londoner Vertrag vom 13. März 1871 erkannte die Aufhebung
der betreffenden Beschränkungen der Uferstaaten an unter Aufrechterhaltung der
Schließung der Meerengen für Kriegsschiffe in Friedenszeiten vorbehaltlich der
Befugnis des Sultans, die Meerengen den Schiffen befreundeter und verbündeter
Mächte zu öffnen zur Sicherstellung der Ausführung des Pariser Vertrages. Der
russisch-türkische Krieg von 1877/78 bot dann Rußland Gelegenheit, dem verbün¬
deten Rumänien Bessarabien, soweit es 18S0 an die Moldau abgetreten war,
wieder abzunehmen, jedoch bloß bis zum Kiliaarme ohne das Delta. Damit
wurde Rußland wieder Donauuferstaat.
Der Berliner Bertrag enthält keine neue Ordnung der Pontus- und Meer¬
engenfrage, sondern hat sich im wesentlichen darauf beschränkt, den bestehenden
Zustand, wie er seit 1836 geworden war, zu bestätigen.
Rußland hat seitdem wiederholt an der bestehenden Ordnung der Dinge
gerüttelt, indem es mehrfach Schiffe der sogenannten freiwilligen Flotte, zum Teil
mit Soldaten die Meerengen durchfahren ließ. Im russisch-japanischen Kriege
drohte daraus 1904 sogar ein Zusammenstoß mit England, indem Schiffe der
freiwilligen Flotte unter Handelsflagge die Meerengen durchfuhren und sich dann
in Kreuzer verwandelten und englische Handelsschiffe nach Bannware durchsuchten.
Der Drang Rußlands nach dem offenen Meere führte schließlich zum erneuten
Kriege mit der Türkei. Nunmehr gestand auch England dem russischen Verbün¬
deten den Besitz der Meerengen zu, indem es selbst die davor liegenden griechi
schen Inseln besetzte.
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