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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Zweites Vierteljahr.

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Wehner hervor, die er auf eine am 22. Januar 1901 im Reichstag ein¬
gebrachte Resolution erteilte, welche eine Subventionicrung einer Zentral-
auskunftsstelle für die Fragen der Landwirtschaft, der Industrie, des Handels
und des Gewerbes erstrebte. Er äußerte sich damals folgendermaßen:

"Ich möchte aber allen, die sich für eine solche Einrichtung interessieren,
dringend empfehlen, sie so zu gestalten, daß sie möglichst wenig ein bureau¬
kratisches Geficht bekommt. Eine solche Einrichtung wird derartig frei in ihren
Bewegungen sein müssen. Auskünfte von so delikater Natur geben müssen, daß
dafür die Neichsregierung auf diplomatischem oder internationalem Gebiet
nirgends irgendwie haftbar gemacht werden kann. Wirken Sie also zunächst
dahin, daß diese Einrichtung, wenn auch eventuell mit Unterstützung des
Reiches, so doch überwiegend aus der eigenen Kraft von Industrie und Handel
hervorgeht und so frei und unabhängig wie nur irgend möglich gegenüber den
amtlichen Stellen organisiert wird."

Wir haben gesehen, daß es infolge der Widersprüche, die zwischen den
in Frage kommenden Kreisen bestehen, nicht gelang, den unerläßlichen Zusam¬
menschluß zu erreichen, und daß alle Bestrebungen, die der Gründung einer
deutscheu Welthandelsstelle galten, ohne Erfolg blieben.

Erst nach Kriegsbeginn wurde von privater Seite der Lösung der immer
noch schwebenden Frage erneut nahe getreten. Die "Deutsche Gesellschaft für
Welthandel" hatte sich unter dem Vorsitz des Generaldirektors Ballin-Hamburg
gegründet, eine industriell-kaufmännische Organisation, die sich zur Aufgabe
stellte, den internationalen Nachrichtendienst im deutschen Sinne zu beeinflussen,
und die. gestützt auf einen sorgfältig ausgebauten Auslandsmirtschafts'Nach-
richtendienst. als ein privates, nationales Zentral-Handelsförderungsburcau
wirken sollte. Aber auch dieses Unternehmen scheiterte letzten Endes an der
Rivalität zwischen Fabrikanten und Kaufmann, denn es war aufgebaut auf den
großen Organisationen der deutschen Industriellen: dem "Zentralverband denk"
scher Industrieller" und dem "Bund der Industriellen", umfaßte aber nicht die
im "Deutschen Handelstage" vereinigten Organisationen.

Inzwischen sind von privater Seite eine Reihe zwischen- oder doppelstaut-
licher Verbände gegründet worden, alle mit der Aufgabe, mit einzelnen Ländern
oder Erdteilen wirtschaftliche und kulturpolitische Beziehungen anzubahnen und
Zu pflegen und auf diese Weise dem nationalen Außenhandel Förderung ange-
deihen zu lassen. Diese Verbände, deren Zahl zurzeit über zwanzig ist, haben
sich in dem "Verband deutsch-ausländischer Wirtschaflsvereine" zusammen¬
geschlossen, von dessen Erfolgen und Wirksamkeit indessen noch wenig bekannt
geworden ist. Um die Zentralisierung des privaten deutschen Wirtschaftsnach¬
richtendienstes bemüht sich der "Deutsche Überseedienst G. in. b. H.", der
von einem größeren Kreise der deutschen Handels-, Industrie- und Bankweit
mit beträchtlichen Mitteln ausgestattet ist. und der angesehen werden möchte
uls der organische Anknüpfungspunkt für alle Auskunftserteilung und Nach-


lvelthandelsfördernug

Wehner hervor, die er auf eine am 22. Januar 1901 im Reichstag ein¬
gebrachte Resolution erteilte, welche eine Subventionicrung einer Zentral-
auskunftsstelle für die Fragen der Landwirtschaft, der Industrie, des Handels
und des Gewerbes erstrebte. Er äußerte sich damals folgendermaßen:

„Ich möchte aber allen, die sich für eine solche Einrichtung interessieren,
dringend empfehlen, sie so zu gestalten, daß sie möglichst wenig ein bureau¬
kratisches Geficht bekommt. Eine solche Einrichtung wird derartig frei in ihren
Bewegungen sein müssen. Auskünfte von so delikater Natur geben müssen, daß
dafür die Neichsregierung auf diplomatischem oder internationalem Gebiet
nirgends irgendwie haftbar gemacht werden kann. Wirken Sie also zunächst
dahin, daß diese Einrichtung, wenn auch eventuell mit Unterstützung des
Reiches, so doch überwiegend aus der eigenen Kraft von Industrie und Handel
hervorgeht und so frei und unabhängig wie nur irgend möglich gegenüber den
amtlichen Stellen organisiert wird."

Wir haben gesehen, daß es infolge der Widersprüche, die zwischen den
in Frage kommenden Kreisen bestehen, nicht gelang, den unerläßlichen Zusam¬
menschluß zu erreichen, und daß alle Bestrebungen, die der Gründung einer
deutscheu Welthandelsstelle galten, ohne Erfolg blieben.

Erst nach Kriegsbeginn wurde von privater Seite der Lösung der immer
noch schwebenden Frage erneut nahe getreten. Die „Deutsche Gesellschaft für
Welthandel" hatte sich unter dem Vorsitz des Generaldirektors Ballin-Hamburg
gegründet, eine industriell-kaufmännische Organisation, die sich zur Aufgabe
stellte, den internationalen Nachrichtendienst im deutschen Sinne zu beeinflussen,
und die. gestützt auf einen sorgfältig ausgebauten Auslandsmirtschafts'Nach-
richtendienst. als ein privates, nationales Zentral-Handelsförderungsburcau
wirken sollte. Aber auch dieses Unternehmen scheiterte letzten Endes an der
Rivalität zwischen Fabrikanten und Kaufmann, denn es war aufgebaut auf den
großen Organisationen der deutschen Industriellen: dem „Zentralverband denk»
scher Industrieller" und dem „Bund der Industriellen", umfaßte aber nicht die
im „Deutschen Handelstage" vereinigten Organisationen.

Inzwischen sind von privater Seite eine Reihe zwischen- oder doppelstaut-
licher Verbände gegründet worden, alle mit der Aufgabe, mit einzelnen Ländern
oder Erdteilen wirtschaftliche und kulturpolitische Beziehungen anzubahnen und
Zu pflegen und auf diese Weise dem nationalen Außenhandel Förderung ange-
deihen zu lassen. Diese Verbände, deren Zahl zurzeit über zwanzig ist, haben
sich in dem „Verband deutsch-ausländischer Wirtschaflsvereine" zusammen¬
geschlossen, von dessen Erfolgen und Wirksamkeit indessen noch wenig bekannt
geworden ist. Um die Zentralisierung des privaten deutschen Wirtschaftsnach¬
richtendienstes bemüht sich der „Deutsche Überseedienst G. in. b. H.", der
von einem größeren Kreise der deutschen Handels-, Industrie- und Bankweit
mit beträchtlichen Mitteln ausgestattet ist. und der angesehen werden möchte
uls der organische Anknüpfungspunkt für alle Auskunftserteilung und Nach-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331841/88>, abgerufen am 12.01.2025.