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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.

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Der rumänische Bauernstand

Die gleiche Regierung ist nun im Sommer vorigen Jahres gegen die
verbündete Donaumonarchie in den Krieg gezogen, um ihre Stammesgenossen,
die Rumänen in Siebenbürgen, zu erlösen. Ein größerer Widersinn ist kaum
auszudenken. Die wirtschaftliche Lage der siebenbürger Rumänen ist unver¬
gleichlich besser als diejenige ihrer Brüder in Rumänien. Sie haben sich
darum auch in ihrer großen Mehrzahl seit Beginn des Krieges herzlich für
diese Erlösung bedankt. Wollte die rumänische Regierung durchaus Rumänen
aus der Knechtschaft erlösen, so hätte sie das im eigenen Lande ohne Treu-
bruch und Blutvergießen tun können. Das hätte freilich auf Kosten der
Regierenden geschehen müssen, während sie für die Besorgung der Geschäfte
des Vierverbandes sich die Taschen füllen konnten. Diese Tatsachen haben für
den Patriotismus derer um Bratianu und Tale Jonescu immer eine ent¬
scheidende Rolle gespielt. Daß aber durch derartige Machenschaften das Land
vollkommen zugrunde gerichtet wird, kümmert sie weiter nicht. Sie können
ihre Tage doch besser in Paris als in Bukarest verleben.

Wenn der rumänische Bauer unseren sieggewohnten Soldaten mit tief¬
gezogener Kappe, ängstlich mit dem Ausdruck des ewig geprügelten Hundes
entgegenkommt, so ist das nicht weiter zu verwundern. Er muß aus seiner
Lage heraus sich jede obrigkeitliche Person als Unterdrücker vorstellen. Hoffent¬
lich wird aber durch diesen Krieg der rumänische Bauer über seine Lage und
seine Negierung aufgeklärt, und hoffentlich findet er in seinem Streben nach
einem menschenwürdigen Dasein die hinreichende Unterstützung. Das wäre
das Ende des alten Regimes und der Anbruch einer neuen Zeit für die alten
Donaufürstentümer.




Der rumänische Bauernstand

Die gleiche Regierung ist nun im Sommer vorigen Jahres gegen die
verbündete Donaumonarchie in den Krieg gezogen, um ihre Stammesgenossen,
die Rumänen in Siebenbürgen, zu erlösen. Ein größerer Widersinn ist kaum
auszudenken. Die wirtschaftliche Lage der siebenbürger Rumänen ist unver¬
gleichlich besser als diejenige ihrer Brüder in Rumänien. Sie haben sich
darum auch in ihrer großen Mehrzahl seit Beginn des Krieges herzlich für
diese Erlösung bedankt. Wollte die rumänische Regierung durchaus Rumänen
aus der Knechtschaft erlösen, so hätte sie das im eigenen Lande ohne Treu-
bruch und Blutvergießen tun können. Das hätte freilich auf Kosten der
Regierenden geschehen müssen, während sie für die Besorgung der Geschäfte
des Vierverbandes sich die Taschen füllen konnten. Diese Tatsachen haben für
den Patriotismus derer um Bratianu und Tale Jonescu immer eine ent¬
scheidende Rolle gespielt. Daß aber durch derartige Machenschaften das Land
vollkommen zugrunde gerichtet wird, kümmert sie weiter nicht. Sie können
ihre Tage doch besser in Paris als in Bukarest verleben.

Wenn der rumänische Bauer unseren sieggewohnten Soldaten mit tief¬
gezogener Kappe, ängstlich mit dem Ausdruck des ewig geprügelten Hundes
entgegenkommt, so ist das nicht weiter zu verwundern. Er muß aus seiner
Lage heraus sich jede obrigkeitliche Person als Unterdrücker vorstellen. Hoffent¬
lich wird aber durch diesen Krieg der rumänische Bauer über seine Lage und
seine Negierung aufgeklärt, und hoffentlich findet er in seinem Streben nach
einem menschenwürdigen Dasein die hinreichende Unterstützung. Das wäre
das Ende des alten Regimes und der Anbruch einer neuen Zeit für die alten
Donaufürstentümer.




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[0418] Der rumänische Bauernstand Die gleiche Regierung ist nun im Sommer vorigen Jahres gegen die verbündete Donaumonarchie in den Krieg gezogen, um ihre Stammesgenossen, die Rumänen in Siebenbürgen, zu erlösen. Ein größerer Widersinn ist kaum auszudenken. Die wirtschaftliche Lage der siebenbürger Rumänen ist unver¬ gleichlich besser als diejenige ihrer Brüder in Rumänien. Sie haben sich darum auch in ihrer großen Mehrzahl seit Beginn des Krieges herzlich für diese Erlösung bedankt. Wollte die rumänische Regierung durchaus Rumänen aus der Knechtschaft erlösen, so hätte sie das im eigenen Lande ohne Treu- bruch und Blutvergießen tun können. Das hätte freilich auf Kosten der Regierenden geschehen müssen, während sie für die Besorgung der Geschäfte des Vierverbandes sich die Taschen füllen konnten. Diese Tatsachen haben für den Patriotismus derer um Bratianu und Tale Jonescu immer eine ent¬ scheidende Rolle gespielt. Daß aber durch derartige Machenschaften das Land vollkommen zugrunde gerichtet wird, kümmert sie weiter nicht. Sie können ihre Tage doch besser in Paris als in Bukarest verleben. Wenn der rumänische Bauer unseren sieggewohnten Soldaten mit tief¬ gezogener Kappe, ängstlich mit dem Ausdruck des ewig geprügelten Hundes entgegenkommt, so ist das nicht weiter zu verwundern. Er muß aus seiner Lage heraus sich jede obrigkeitliche Person als Unterdrücker vorstellen. Hoffent¬ lich wird aber durch diesen Krieg der rumänische Bauer über seine Lage und seine Negierung aufgeklärt, und hoffentlich findet er in seinem Streben nach einem menschenwürdigen Dasein die hinreichende Unterstützung. Das wäre das Ende des alten Regimes und der Anbruch einer neuen Zeit für die alten Donaufürstentümer.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409/418>, abgerufen am 23.07.2024.