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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.

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Auslandsstudium und Kulturpolitik

erhält." Dazu ist die Dezentralisation notwendig, d. h. an allen Universitäten
soll es gelehrt werden, es soll nicht das Vorzugsrecht weniger Bildungsstätten
sein. Darüber hinaus sollen an einigen Hochschulen besondere Kulturkreise ge¬
pflegt werden, wobei man an Traditionen und dergleichen anknüpfen wird.
Kiel soll sich den überseeischen Fragen widmen, Bonn dem romanischen Kultur¬
kreis, Königsberg i. Pr. und Breslau der slawischen Welt und Münster i. W.
dem christlichen Orient. Für Berlin wird keine "Sonder-Note" verlangt.
Hier sollen die gesamten Gebiete der Auslandsstudien umfaßt werden. Mit
Recht hat schon öl-. Grothe in Ur. 144 der "Kölnischen Zeitung" vom
11. Februar 1916 darauf hingewiesen, daß in Berlin als dem Endpunkt der
Strecke Berlin--Bagdad die Türkei und Vorderasien, sowie die Mittelmeer¬
länder besondere Berücksichtigung finden sollen. Dieser Wunsch ist durchaus
berechtigt; er wird aber bereits erfüllt. Ebenso ist in Berlin das Studium
der deutschen Kolonien und der Verhältnisse des britischen Weltreiches besonders
gut ausgebildet.

Das Kultusministerium weist darauf hin, daß schon früher ein gemein¬
sames Vorlesungsverzeichnis aller in Berlin gehaltenen kolonialwissenschaft-
lichen Vorlesungen herausgegeben wurde. Dieses Verzeichnis bildete stets für
die Studierenden eine wertvolle Information. Es enthielt die Vorlesungen an
der Universität, am Orientalischen Seminar, an der Handelshochschule, der
staatswissenschaftlicher Vereinigung, der früheren Bergakademie usw. Dabei
waren aufgeführt unter den weltwirtschaftlichen und kolonialpolitischen Vor¬
lesungen die Kollegien und Seminare von Prof. Zoepfl, die Vorlesungen über
Kolonialpolitik von Prof. Kohner; ferner die verschiedenen Vorlesungen am
Orientalischen Seminar über den Orient, die Religion, Kultur- und Missions¬
fragen der Professoren Mittwoch, Hartmann, Kompffmeyer, Westermann,
Richter usw.. ferner die Vorlesungen über die Rechtswissenschaft von List,
Kaufmann, Triepel, Preuß, Gerstmeyer und schließlich geographische Vorlesungen
von Perk, Wegner usw. Schon dieses umfangreiche Verzeichnis, das sicherlich
demnächst ausgebaut wird, zeigt, wie zahlreich in Berlin die Möglichkeiten,
Auslandsstudien zu treiben, vorhanden sind.

Im einzelnen werden alsdann besondere Anträge gestellt, so die Beschaffung
der notwendigen Auslandsliteratur und die Errichtung' eines Orientalischen
Seminars an der Universität Münster i. W. Eine Neuerung gegenüber dem
bisherigen bedeuten die Sonderlehraufträge, die in Zukunft an einzelnen Uni¬
versitäten erteilt werden sollen und für die 50000 M. angefordert werden.
Hier ist in Aussicht genommen, die bisherige bewährte Tradition der Univer¬
sitäten zu verlassen und Männer der Praxis, sei es aus dem Wirtschaftsleben,
sei es aus dem Außendienst des Reiches zu Lehrzwecken heranzuziehen. Diese
sollen zunächst als "beauftragte Dozenten" Vorlesungen halten. Man wird
hierbei davon absehen, eine Promotion oder Habilitation vorzuschreiben, und
das ist auch durchaus zu begrüßen. Denn man kann von einem Generalkonsul,


Auslandsstudium und Kulturpolitik

erhält." Dazu ist die Dezentralisation notwendig, d. h. an allen Universitäten
soll es gelehrt werden, es soll nicht das Vorzugsrecht weniger Bildungsstätten
sein. Darüber hinaus sollen an einigen Hochschulen besondere Kulturkreise ge¬
pflegt werden, wobei man an Traditionen und dergleichen anknüpfen wird.
Kiel soll sich den überseeischen Fragen widmen, Bonn dem romanischen Kultur¬
kreis, Königsberg i. Pr. und Breslau der slawischen Welt und Münster i. W.
dem christlichen Orient. Für Berlin wird keine „Sonder-Note" verlangt.
Hier sollen die gesamten Gebiete der Auslandsstudien umfaßt werden. Mit
Recht hat schon öl-. Grothe in Ur. 144 der „Kölnischen Zeitung" vom
11. Februar 1916 darauf hingewiesen, daß in Berlin als dem Endpunkt der
Strecke Berlin—Bagdad die Türkei und Vorderasien, sowie die Mittelmeer¬
länder besondere Berücksichtigung finden sollen. Dieser Wunsch ist durchaus
berechtigt; er wird aber bereits erfüllt. Ebenso ist in Berlin das Studium
der deutschen Kolonien und der Verhältnisse des britischen Weltreiches besonders
gut ausgebildet.

Das Kultusministerium weist darauf hin, daß schon früher ein gemein¬
sames Vorlesungsverzeichnis aller in Berlin gehaltenen kolonialwissenschaft-
lichen Vorlesungen herausgegeben wurde. Dieses Verzeichnis bildete stets für
die Studierenden eine wertvolle Information. Es enthielt die Vorlesungen an
der Universität, am Orientalischen Seminar, an der Handelshochschule, der
staatswissenschaftlicher Vereinigung, der früheren Bergakademie usw. Dabei
waren aufgeführt unter den weltwirtschaftlichen und kolonialpolitischen Vor¬
lesungen die Kollegien und Seminare von Prof. Zoepfl, die Vorlesungen über
Kolonialpolitik von Prof. Kohner; ferner die verschiedenen Vorlesungen am
Orientalischen Seminar über den Orient, die Religion, Kultur- und Missions¬
fragen der Professoren Mittwoch, Hartmann, Kompffmeyer, Westermann,
Richter usw.. ferner die Vorlesungen über die Rechtswissenschaft von List,
Kaufmann, Triepel, Preuß, Gerstmeyer und schließlich geographische Vorlesungen
von Perk, Wegner usw. Schon dieses umfangreiche Verzeichnis, das sicherlich
demnächst ausgebaut wird, zeigt, wie zahlreich in Berlin die Möglichkeiten,
Auslandsstudien zu treiben, vorhanden sind.

Im einzelnen werden alsdann besondere Anträge gestellt, so die Beschaffung
der notwendigen Auslandsliteratur und die Errichtung' eines Orientalischen
Seminars an der Universität Münster i. W. Eine Neuerung gegenüber dem
bisherigen bedeuten die Sonderlehraufträge, die in Zukunft an einzelnen Uni¬
versitäten erteilt werden sollen und für die 50000 M. angefordert werden.
Hier ist in Aussicht genommen, die bisherige bewährte Tradition der Univer¬
sitäten zu verlassen und Männer der Praxis, sei es aus dem Wirtschaftsleben,
sei es aus dem Außendienst des Reiches zu Lehrzwecken heranzuziehen. Diese
sollen zunächst als „beauftragte Dozenten" Vorlesungen halten. Man wird
hierbei davon absehen, eine Promotion oder Habilitation vorzuschreiben, und
das ist auch durchaus zu begrüßen. Denn man kann von einem Generalkonsul,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409/374>, abgerufen am 23.07.2024.