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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.

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Deutschland und England in Afrika

Die jetzige völlig willkürliche Nordwestgrenze Kameruns liegt am Westhange
der Kamerunberge bereits im Gebiet des Nigerbeckens. Da sie einmal über
den Hauptzug des Gebirges hinausverlegt ist, wodurch der Wunsch der Anteil¬
nahme am Nigergebiet gekennzeichnet ist, so müßte sie folgerichtig noch weiter
nach Westen vorgeschoben werden, mindestens bis an das linke Ufer des Kro߬
flusses und des Berne. wenn nicht bis an den Niger selbst. Die jetzt bestehende
Abtrennung von Jola und die politische Teilung des einheitlichen Bornu am
Tsadsee ist vom geographischen Standpunkt völlig ungerechtfertigt.

Die "Kongobecken-Fühler" sind gänzlich ungeographische Gebilde; sowohl
das zwischen beiden als auch das zwischen dem westlichen "Fühler", dem Meere
und dem Kongo gelegene Gebiet gehört landschaftlich zu ihnen, ebenso wie das
willkürliche mathematisch umrissene Spanisch-Guinea.

Deutsch-Südwestafrika hat durch den Caprivizipfel Anteil an dem ihm völlig
wesensfremden Sambesigebiet. Da dieses Gebiet heute politisch ohne Bedeutung
ist, wirtschaftlich aber ganz andern Charakter trägt als die Kolonie selbst, würde
ein gänzlicher Verlust dieses Zipfels von keiner Bedeutung sein. Gibt man
aber dem nach Osten verlangenden Drängen nach, so dürste das gesamte Njamisee-
becken mit voller Berechtigung dem Caprivizipfel angeschlossen werden. Daß
die politische Selbständigkeit eines so kleinen Gebietes wie das der Walfischbai
und die der küstennahen Jnselchen allen geographischen Grundsätzen widerspricht,
ist zweifellos. Ähnlich liegen die Dinge bei Deutsch-Ostafrika. Auch hier ge¬
hören die jetzt politisch vom Küstengebiet gelösten Inseln zu diesem, während
sonst die Kolonie in ihren heutigen Grenzen ein ziemlich einheitliches Bild
darbietet.

Ich habe oben bereits angedeutet, daß es England in Afrika geglückt ist,
einen ziemlich ganz von ihm abhängigen Wirtschaftsbund zusammenzubringen.
Die den südenglischen Kolonien benachbarten portugiesischen Besitzungen sind
durch englisches Geld und englische wirtschaftliche Erschließung bei der gleich¬
zeitigen politischen und finanziellen Abhängigkeit ihres Mutterlandes von Eng¬
land so völlig anglisiert, daß man sie heilte ruhig als englische Schutzgebiete,
ähnlich etwa wie das vergewaltigte Ägypten, ansehen kann. Wenn auch im
Kongostaat französische Gesellschaften einen erheblichen Anteil der wirtschaftlichen
Ausbeutung in Händen haben, so kann doch der dem Seengebiet benachbarte
Teil unbedingt diesem zwar völkerrechtlich nicht sanktionierten, aber doch in der
Tat bestehenden britisch-afrikanischen Wirtschaftsbunde angegliedert werden. Auf
diese Weise hat England doch schon im gewissen Sinne die territorialen Voraus¬
setzungen seines Planes einer innerafrikanischen Verbindung vom Kap zum Nil
erreicht. Wie stark die Abhängigkeit des Kongostaates von England ist. zeigt
der Bau der großen britischen Überlandbahn vom Kap zum Nil, die bereits die
britisch-belgische Grenze überschritten hat. in Katanga bis mitten ins Herz Afrikas
eingedrungen ist und bei Bukama ihren Anschluß an den Kongo erreicht hat.
Von Norden her reckt sich der Schienenstrang bis in das Gebiet des mittleren


Deutschland und England in Afrika

Die jetzige völlig willkürliche Nordwestgrenze Kameruns liegt am Westhange
der Kamerunberge bereits im Gebiet des Nigerbeckens. Da sie einmal über
den Hauptzug des Gebirges hinausverlegt ist, wodurch der Wunsch der Anteil¬
nahme am Nigergebiet gekennzeichnet ist, so müßte sie folgerichtig noch weiter
nach Westen vorgeschoben werden, mindestens bis an das linke Ufer des Kro߬
flusses und des Berne. wenn nicht bis an den Niger selbst. Die jetzt bestehende
Abtrennung von Jola und die politische Teilung des einheitlichen Bornu am
Tsadsee ist vom geographischen Standpunkt völlig ungerechtfertigt.

Die „Kongobecken-Fühler" sind gänzlich ungeographische Gebilde; sowohl
das zwischen beiden als auch das zwischen dem westlichen „Fühler", dem Meere
und dem Kongo gelegene Gebiet gehört landschaftlich zu ihnen, ebenso wie das
willkürliche mathematisch umrissene Spanisch-Guinea.

Deutsch-Südwestafrika hat durch den Caprivizipfel Anteil an dem ihm völlig
wesensfremden Sambesigebiet. Da dieses Gebiet heute politisch ohne Bedeutung
ist, wirtschaftlich aber ganz andern Charakter trägt als die Kolonie selbst, würde
ein gänzlicher Verlust dieses Zipfels von keiner Bedeutung sein. Gibt man
aber dem nach Osten verlangenden Drängen nach, so dürste das gesamte Njamisee-
becken mit voller Berechtigung dem Caprivizipfel angeschlossen werden. Daß
die politische Selbständigkeit eines so kleinen Gebietes wie das der Walfischbai
und die der küstennahen Jnselchen allen geographischen Grundsätzen widerspricht,
ist zweifellos. Ähnlich liegen die Dinge bei Deutsch-Ostafrika. Auch hier ge¬
hören die jetzt politisch vom Küstengebiet gelösten Inseln zu diesem, während
sonst die Kolonie in ihren heutigen Grenzen ein ziemlich einheitliches Bild
darbietet.

Ich habe oben bereits angedeutet, daß es England in Afrika geglückt ist,
einen ziemlich ganz von ihm abhängigen Wirtschaftsbund zusammenzubringen.
Die den südenglischen Kolonien benachbarten portugiesischen Besitzungen sind
durch englisches Geld und englische wirtschaftliche Erschließung bei der gleich¬
zeitigen politischen und finanziellen Abhängigkeit ihres Mutterlandes von Eng¬
land so völlig anglisiert, daß man sie heilte ruhig als englische Schutzgebiete,
ähnlich etwa wie das vergewaltigte Ägypten, ansehen kann. Wenn auch im
Kongostaat französische Gesellschaften einen erheblichen Anteil der wirtschaftlichen
Ausbeutung in Händen haben, so kann doch der dem Seengebiet benachbarte
Teil unbedingt diesem zwar völkerrechtlich nicht sanktionierten, aber doch in der
Tat bestehenden britisch-afrikanischen Wirtschaftsbunde angegliedert werden. Auf
diese Weise hat England doch schon im gewissen Sinne die territorialen Voraus¬
setzungen seines Planes einer innerafrikanischen Verbindung vom Kap zum Nil
erreicht. Wie stark die Abhängigkeit des Kongostaates von England ist. zeigt
der Bau der großen britischen Überlandbahn vom Kap zum Nil, die bereits die
britisch-belgische Grenze überschritten hat. in Katanga bis mitten ins Herz Afrikas
eingedrungen ist und bei Bukama ihren Anschluß an den Kongo erreicht hat.
Von Norden her reckt sich der Schienenstrang bis in das Gebiet des mittleren


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[0352] Deutschland und England in Afrika Die jetzige völlig willkürliche Nordwestgrenze Kameruns liegt am Westhange der Kamerunberge bereits im Gebiet des Nigerbeckens. Da sie einmal über den Hauptzug des Gebirges hinausverlegt ist, wodurch der Wunsch der Anteil¬ nahme am Nigergebiet gekennzeichnet ist, so müßte sie folgerichtig noch weiter nach Westen vorgeschoben werden, mindestens bis an das linke Ufer des Kro߬ flusses und des Berne. wenn nicht bis an den Niger selbst. Die jetzt bestehende Abtrennung von Jola und die politische Teilung des einheitlichen Bornu am Tsadsee ist vom geographischen Standpunkt völlig ungerechtfertigt. Die „Kongobecken-Fühler" sind gänzlich ungeographische Gebilde; sowohl das zwischen beiden als auch das zwischen dem westlichen „Fühler", dem Meere und dem Kongo gelegene Gebiet gehört landschaftlich zu ihnen, ebenso wie das willkürliche mathematisch umrissene Spanisch-Guinea. Deutsch-Südwestafrika hat durch den Caprivizipfel Anteil an dem ihm völlig wesensfremden Sambesigebiet. Da dieses Gebiet heute politisch ohne Bedeutung ist, wirtschaftlich aber ganz andern Charakter trägt als die Kolonie selbst, würde ein gänzlicher Verlust dieses Zipfels von keiner Bedeutung sein. Gibt man aber dem nach Osten verlangenden Drängen nach, so dürste das gesamte Njamisee- becken mit voller Berechtigung dem Caprivizipfel angeschlossen werden. Daß die politische Selbständigkeit eines so kleinen Gebietes wie das der Walfischbai und die der küstennahen Jnselchen allen geographischen Grundsätzen widerspricht, ist zweifellos. Ähnlich liegen die Dinge bei Deutsch-Ostafrika. Auch hier ge¬ hören die jetzt politisch vom Küstengebiet gelösten Inseln zu diesem, während sonst die Kolonie in ihren heutigen Grenzen ein ziemlich einheitliches Bild darbietet. Ich habe oben bereits angedeutet, daß es England in Afrika geglückt ist, einen ziemlich ganz von ihm abhängigen Wirtschaftsbund zusammenzubringen. Die den südenglischen Kolonien benachbarten portugiesischen Besitzungen sind durch englisches Geld und englische wirtschaftliche Erschließung bei der gleich¬ zeitigen politischen und finanziellen Abhängigkeit ihres Mutterlandes von Eng¬ land so völlig anglisiert, daß man sie heilte ruhig als englische Schutzgebiete, ähnlich etwa wie das vergewaltigte Ägypten, ansehen kann. Wenn auch im Kongostaat französische Gesellschaften einen erheblichen Anteil der wirtschaftlichen Ausbeutung in Händen haben, so kann doch der dem Seengebiet benachbarte Teil unbedingt diesem zwar völkerrechtlich nicht sanktionierten, aber doch in der Tat bestehenden britisch-afrikanischen Wirtschaftsbunde angegliedert werden. Auf diese Weise hat England doch schon im gewissen Sinne die territorialen Voraus¬ setzungen seines Planes einer innerafrikanischen Verbindung vom Kap zum Nil erreicht. Wie stark die Abhängigkeit des Kongostaates von England ist. zeigt der Bau der großen britischen Überlandbahn vom Kap zum Nil, die bereits die britisch-belgische Grenze überschritten hat. in Katanga bis mitten ins Herz Afrikas eingedrungen ist und bei Bukama ihren Anschluß an den Kongo erreicht hat. Von Norden her reckt sich der Schienenstrang bis in das Gebiet des mittleren

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Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409/352>, abgerufen am 23.07.2024.