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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.

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Deutschland und England in Afrika

entbehren der Vorteile eines einheitlich geschlossenen Kolonialreiches,- keine
Kolonie ist mit einer andern unmittelbar verbunden; zwischen alle schieben sich
fremde Kolonialbestandteile ein, die ihrerseits dem deutschen Einflüsse oder der
deutschen wirtschaftlichen Beiätigung fast völlig fernstehen. Dieser Mangel an
Einheitlichkeit und Geschlossenheit erschwert eine einheitliche Regelung mancher
kolonialer Fragen, erschwert vor allem die wirtschaftliche Ausnutzung der
Kolonien; die von England erreichte Absperrung von allen größeren schiffbaren
Strömen, besonders von den EingangsLoren der Meere her. von den Flu߬
mündungen, macht sich für die Entwicklung des Warentransports nachteilig
bemerkbar. In einem gewissen Gegensatz steht dazu das britisch-afrikanische
Kolonialreich. Wenn auch bei ihm die Einheitlichkeit im Sinne einer unmittel¬
baren Verknüpfung aller Besitzungen nicht erreicht ist, so ist doch zweifellos
schon durch die Größe der einzelnen Teile ein starkes Übergewicht bedingt.
Dazu kommt, daß die beiden größten bereits im Bereich der gemäßigten
Zone liegende Kulturgebiete sind und ihre Erzeugnisse die aller übrigen afri¬
kanischen Gebiete überhaupt an Wert weit übertreffen. Vor allem aber ist
durch die Erschließung des mehr oder weniger von britischen Gelde abhängigen
Kongostaates wenigstens ein einheitliches britisches Wirtschaftsgebiet vom Kap
bis Kairo nahezu vollendet. Besonders hat England der wirtschaftlichen Er¬
schließung des Seengebiets, hier vor allem des reichen Bezirks Katanga, sein
Augenmerk zugewendet. Die Absicht der Nordsüdverbindung wäre vollends
erreicht, wenn England diese Gebiete dereinst auch politisch seinem Kolonial¬
reiche angliedern könnte, ein Ziel, auf das England vor dem Kriege oft genug
durch Einberufung einer neuen Kongokonferenz hinstreben wollte. Eine kleine
statistische Übersicht sei erlaubt. Deutschland besitzt in Afrika vier voneinander
völlig getrennte Besitzungen, England, wenn wir von den Inseln und kleineren
Stützpunkten absehen, deren acht, also die doppelte Zahl; der Unterschied liegt
aber nicht nur in der eben gekennzeichneten größeren Geschlossenheit der eng¬
lischen Kolonien gegenüber den deutschen, sondern auch im erheblichen Größen¬
unterschied, wie die auf der nächsten Seite folgende Zusammenstellung der Ge¬
biete, der Größe nach geordnet, zeigt.

Zieht man nur die vier größten britischen Kolonien in Betracht, so bilden
Englands afrikanische Hauptbesitzungen drei große Bruchstücke Afrikas -- denn
Ägypten hängt mit Britisch-Ostafrika unmittelbar zusammen -- von denen
jedes größer ist als die größte deutsche Kolonie. Ägypten und Südafrika
allein, jedes für sich, ist erheblich größer als die Gesamtheit aller deutschen
Kolonien zusammen.

Dazu kommt weiter, daß die englischen größeren Kolonien fast alle in
ihren Grenzen abgeschlossene Landschaftsgebiete umschließen: Ägypten und der
ägyptische Sudan das Gebiet des Nils, Nigeria das des unteren Niger und
Berne; ebenso bilden Britisch-Ost- und Südafrika in sich ein einheitliches
Ganzes. Bei den deutschen Kolonien trifft das nur für Deutsch-Ostafrika zu.


Deutschland und England in Afrika

entbehren der Vorteile eines einheitlich geschlossenen Kolonialreiches,- keine
Kolonie ist mit einer andern unmittelbar verbunden; zwischen alle schieben sich
fremde Kolonialbestandteile ein, die ihrerseits dem deutschen Einflüsse oder der
deutschen wirtschaftlichen Beiätigung fast völlig fernstehen. Dieser Mangel an
Einheitlichkeit und Geschlossenheit erschwert eine einheitliche Regelung mancher
kolonialer Fragen, erschwert vor allem die wirtschaftliche Ausnutzung der
Kolonien; die von England erreichte Absperrung von allen größeren schiffbaren
Strömen, besonders von den EingangsLoren der Meere her. von den Flu߬
mündungen, macht sich für die Entwicklung des Warentransports nachteilig
bemerkbar. In einem gewissen Gegensatz steht dazu das britisch-afrikanische
Kolonialreich. Wenn auch bei ihm die Einheitlichkeit im Sinne einer unmittel¬
baren Verknüpfung aller Besitzungen nicht erreicht ist, so ist doch zweifellos
schon durch die Größe der einzelnen Teile ein starkes Übergewicht bedingt.
Dazu kommt, daß die beiden größten bereits im Bereich der gemäßigten
Zone liegende Kulturgebiete sind und ihre Erzeugnisse die aller übrigen afri¬
kanischen Gebiete überhaupt an Wert weit übertreffen. Vor allem aber ist
durch die Erschließung des mehr oder weniger von britischen Gelde abhängigen
Kongostaates wenigstens ein einheitliches britisches Wirtschaftsgebiet vom Kap
bis Kairo nahezu vollendet. Besonders hat England der wirtschaftlichen Er¬
schließung des Seengebiets, hier vor allem des reichen Bezirks Katanga, sein
Augenmerk zugewendet. Die Absicht der Nordsüdverbindung wäre vollends
erreicht, wenn England diese Gebiete dereinst auch politisch seinem Kolonial¬
reiche angliedern könnte, ein Ziel, auf das England vor dem Kriege oft genug
durch Einberufung einer neuen Kongokonferenz hinstreben wollte. Eine kleine
statistische Übersicht sei erlaubt. Deutschland besitzt in Afrika vier voneinander
völlig getrennte Besitzungen, England, wenn wir von den Inseln und kleineren
Stützpunkten absehen, deren acht, also die doppelte Zahl; der Unterschied liegt
aber nicht nur in der eben gekennzeichneten größeren Geschlossenheit der eng¬
lischen Kolonien gegenüber den deutschen, sondern auch im erheblichen Größen¬
unterschied, wie die auf der nächsten Seite folgende Zusammenstellung der Ge¬
biete, der Größe nach geordnet, zeigt.

Zieht man nur die vier größten britischen Kolonien in Betracht, so bilden
Englands afrikanische Hauptbesitzungen drei große Bruchstücke Afrikas — denn
Ägypten hängt mit Britisch-Ostafrika unmittelbar zusammen — von denen
jedes größer ist als die größte deutsche Kolonie. Ägypten und Südafrika
allein, jedes für sich, ist erheblich größer als die Gesamtheit aller deutschen
Kolonien zusammen.

Dazu kommt weiter, daß die englischen größeren Kolonien fast alle in
ihren Grenzen abgeschlossene Landschaftsgebiete umschließen: Ägypten und der
ägyptische Sudan das Gebiet des Nils, Nigeria das des unteren Niger und
Berne; ebenso bilden Britisch-Ost- und Südafrika in sich ein einheitliches
Ganzes. Bei den deutschen Kolonien trifft das nur für Deutsch-Ostafrika zu.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409/350>, abgerufen am 23.07.2024.