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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.

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Zum Uampfe um das Bildungsideal

gerichtet sein darf, die aber unserer Jugend die menschlichen Grund¬
lagen für eine gesunde, politische Betätigung wird geben wollen, sie schließt
die Anknüpfung an das Beste, was die "humanistische" Zeit uns gegeben
hat, nicht aus. Und ich glaube, daß gerade die Dichtung und überhaupt die
geistige Kultur des deutschen Idealismus mit allem was damit zusammenhängt,
sich unter den neuen Gesichtspunkten unserer Zeit erst recht lebendig erweisen
wird, wenn sie am rechten Ende und im rechten Geiste angefaßt wird. Auch
die Bedenken der wissenschaftlichen Historiker gegen den parteiisch gefärbten
"Gesinnungsunterricht" in der Geschichte werden schwinden, wenn die großen
Wendepunkte, wo um der "Menschheit große Gegenstände, um Herrschaft und
um Freiheit wird gerungen", im Lichte der Dichtung oder des philosophischen
Denkens eines Kant und Fichte behandelt werden. Geschichtsunterricht und
deutscher Unterricht können hier ebenso kräftig zusammengreifen, wie die Belehrung
über deutsche Sprache und Literatur durch diejenige aus fremden Kulturen
bereichert und vertieft werden muß, denen unsere eigene Gesittung so viel
verdankt. Ich denke hier an französische und englische so gut wie an die
klassische, vor allem die griechische Literatur, mit deren Geiste unsere Jugend
immer aufs neue wird vertraut gemacht werden müssen, wenn wir sie vor einer
gewissen Verödung schützen wollen. Gewiß muß bei der Bildung der Jugend
eine gewisse Gabelung beibehalten werden, wie sie sich mit innerer Notwendigkeit
herausgebildet hat, je nachdem die alten oder die neueren Sprachen oder die
"realen Fächer", jeweils unter stärkster Betätigung ihrer menschlich bildenden
Kräfte und Werte in den Vordergrund treten. Aber über dem Trennenden
darf das Einigende nicht übersehen werden, was auch für eine gesunde Betätigung
im öffentlichen Leben erst die unentbehrlichen Grundlagen legt. Der deutsche Unter¬
richt im weitesten Sinne (der auf den Realanstalten von selbst eine angemessene
Pflege auch der griechischen Dichtung einschließen muß), wird im Verein mit
Geschichte und Erdkunde diese Grundlage zu bilden haben und je gründlicher'
der Unterricht in diesen Fächern angefaßt wird,' um so kräftiger werden sich
"das humanistische und das politische Bildungsideal im heutigen Deutschland"
unter höheren Gesichtspunkten zusammenschließen.




Zum Uampfe um das Bildungsideal

gerichtet sein darf, die aber unserer Jugend die menschlichen Grund¬
lagen für eine gesunde, politische Betätigung wird geben wollen, sie schließt
die Anknüpfung an das Beste, was die „humanistische" Zeit uns gegeben
hat, nicht aus. Und ich glaube, daß gerade die Dichtung und überhaupt die
geistige Kultur des deutschen Idealismus mit allem was damit zusammenhängt,
sich unter den neuen Gesichtspunkten unserer Zeit erst recht lebendig erweisen
wird, wenn sie am rechten Ende und im rechten Geiste angefaßt wird. Auch
die Bedenken der wissenschaftlichen Historiker gegen den parteiisch gefärbten
„Gesinnungsunterricht" in der Geschichte werden schwinden, wenn die großen
Wendepunkte, wo um der „Menschheit große Gegenstände, um Herrschaft und
um Freiheit wird gerungen", im Lichte der Dichtung oder des philosophischen
Denkens eines Kant und Fichte behandelt werden. Geschichtsunterricht und
deutscher Unterricht können hier ebenso kräftig zusammengreifen, wie die Belehrung
über deutsche Sprache und Literatur durch diejenige aus fremden Kulturen
bereichert und vertieft werden muß, denen unsere eigene Gesittung so viel
verdankt. Ich denke hier an französische und englische so gut wie an die
klassische, vor allem die griechische Literatur, mit deren Geiste unsere Jugend
immer aufs neue wird vertraut gemacht werden müssen, wenn wir sie vor einer
gewissen Verödung schützen wollen. Gewiß muß bei der Bildung der Jugend
eine gewisse Gabelung beibehalten werden, wie sie sich mit innerer Notwendigkeit
herausgebildet hat, je nachdem die alten oder die neueren Sprachen oder die
„realen Fächer", jeweils unter stärkster Betätigung ihrer menschlich bildenden
Kräfte und Werte in den Vordergrund treten. Aber über dem Trennenden
darf das Einigende nicht übersehen werden, was auch für eine gesunde Betätigung
im öffentlichen Leben erst die unentbehrlichen Grundlagen legt. Der deutsche Unter¬
richt im weitesten Sinne (der auf den Realanstalten von selbst eine angemessene
Pflege auch der griechischen Dichtung einschließen muß), wird im Verein mit
Geschichte und Erdkunde diese Grundlage zu bilden haben und je gründlicher'
der Unterricht in diesen Fächern angefaßt wird,' um so kräftiger werden sich
„das humanistische und das politische Bildungsideal im heutigen Deutschland"
unter höheren Gesichtspunkten zusammenschließen.




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[0027] Zum Uampfe um das Bildungsideal gerichtet sein darf, die aber unserer Jugend die menschlichen Grund¬ lagen für eine gesunde, politische Betätigung wird geben wollen, sie schließt die Anknüpfung an das Beste, was die „humanistische" Zeit uns gegeben hat, nicht aus. Und ich glaube, daß gerade die Dichtung und überhaupt die geistige Kultur des deutschen Idealismus mit allem was damit zusammenhängt, sich unter den neuen Gesichtspunkten unserer Zeit erst recht lebendig erweisen wird, wenn sie am rechten Ende und im rechten Geiste angefaßt wird. Auch die Bedenken der wissenschaftlichen Historiker gegen den parteiisch gefärbten „Gesinnungsunterricht" in der Geschichte werden schwinden, wenn die großen Wendepunkte, wo um der „Menschheit große Gegenstände, um Herrschaft und um Freiheit wird gerungen", im Lichte der Dichtung oder des philosophischen Denkens eines Kant und Fichte behandelt werden. Geschichtsunterricht und deutscher Unterricht können hier ebenso kräftig zusammengreifen, wie die Belehrung über deutsche Sprache und Literatur durch diejenige aus fremden Kulturen bereichert und vertieft werden muß, denen unsere eigene Gesittung so viel verdankt. Ich denke hier an französische und englische so gut wie an die klassische, vor allem die griechische Literatur, mit deren Geiste unsere Jugend immer aufs neue wird vertraut gemacht werden müssen, wenn wir sie vor einer gewissen Verödung schützen wollen. Gewiß muß bei der Bildung der Jugend eine gewisse Gabelung beibehalten werden, wie sie sich mit innerer Notwendigkeit herausgebildet hat, je nachdem die alten oder die neueren Sprachen oder die „realen Fächer", jeweils unter stärkster Betätigung ihrer menschlich bildenden Kräfte und Werte in den Vordergrund treten. Aber über dem Trennenden darf das Einigende nicht übersehen werden, was auch für eine gesunde Betätigung im öffentlichen Leben erst die unentbehrlichen Grundlagen legt. Der deutsche Unter¬ richt im weitesten Sinne (der auf den Realanstalten von selbst eine angemessene Pflege auch der griechischen Dichtung einschließen muß), wird im Verein mit Geschichte und Erdkunde diese Grundlage zu bilden haben und je gründlicher' der Unterricht in diesen Fächern angefaßt wird,' um so kräftiger werden sich „das humanistische und das politische Bildungsideal im heutigen Deutschland" unter höheren Gesichtspunkten zusammenschließen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409/27>, abgerufen am 23.07.2024.