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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.

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Der preußisch-amerikanische Freundschaftsvertrag

Veranlassung dazu möglichst vermindert werden. Wenn Raub aufhört, so ist
auch ein Hauptreiz zum Kriege aufgehoben, und der Friede wird dann länger,
ja vielleicht immer dauern."

Diese Denkschrift verfehlte ihren Eindruck in Preußen nicht. Die anderen
Staaten standen den amerikanischen Prinzipien kühl und ablehnend gegenüber,
das englische Kabinett überhäufte die Bevollmächtigten der Union mit Hohn
und Spott, der russische Gesandte nahm sich nicht einmal die Mühe, ihnen nur
zu antworten. Dagegen ist der Preuße Thulemeier entzückt von dem dreiund¬
zwanzigsten Artikel, "der von dem reinsten Eifer für das Beste der Menschheit ein¬
gegeben sei". "Es ist zu wünschen," so schreibt er den amerikanischen Ge¬
sandten, "daß diese erhabene Gesinnung von allen Seemächten ohne Ausnahme
angenommen werde. Die Übel des Krieges werden dadurch bedeutend ge¬
mildert und Feindseligkeiten, so häufig durch Gier oder schmutzige Gewinnsucht
hervorgerufen, immer seltener werden."

Auch Finkenstein und Hertzberg, die beiden preußischen Minister, be¬
stimmten den König, unbedenklich die amerikanischen Vorschläge anzunehmen,
da sie "völlig mit den Grundsätzen übereinstimmen, welche wir jederzeit be¬
hauptet haben, nämlich, daß der Krieg nicht zum Ruin des Particuliers,
sondern zu dem großen Endzweck, einen anständigen und dauernden Frieden
zu erhalten, geführt werden müsse, und daß daher die Seekaperey vollständig
abzuschaffen oder doch möglichst einzuschränken wäre, und daß ferner, wenn
zwei Mächte Krieg führen, die dritte nicht darunter leiden müsse, noch ihr
sonst gewöhnliches Commerzium aufzugeben schuldig sey, daß folglich keiner der
kriegführenden Teile ein Recht habe, die Waaren solcher neutralen Untertanen,
wenn sie nur nicht direkte zum Kriegsgebräuche dienen, oder in einen be¬
lagerten Hafen gebracht werden sollen, so wenig aus einem feindlichen als
einem freundlichen oder einem neutralen Schiffe zu nehmen".

So kam denn durch das rasche Entgegenkommen Friedrichs schon am
10. September 1785 der preußisch-amerikanische Freundschafts- und Handels¬
vertrag zustande. Wohl ist er im wesentlichen amerikanischen Ursprungs.
Wohl sind die neuen Ideen im Kopfe Franklins und seiner Gesinnungsgenossen
entstanden. Dennoch bleibt es eine unvergängliche Tat des Philosophen von
Sanssouci, daß er, ohne zu zögern, einen neuen unbekannten Weg mutig be-
schritten hat.

In den ersten Artikeln des Vertrags wurde bestimmt, daß zwischen den
beiden Staaten feste, unverbrüchliche und aufrichtige Freundschaft und Frieden
bestehen solle. Die Untertanen oder Bürger der beiden kontrahierenden Staaten
sollen die Küsten und das Gebiet des andern besuchen, dort wohnen und mit
allen Arten von Waren, Produkten und Manufakturen Handel treiben dürfen.
Die von ihnen zu zahlenden Zölle sollten nicht höher sein, als die von den
höchstbegünstigten Nationen entrichteten, deren Rechte und Privilegien sie über¬
haupt in allen Stücken genießen würden. Der vierte Artikel regulierte "den


Der preußisch-amerikanische Freundschaftsvertrag

Veranlassung dazu möglichst vermindert werden. Wenn Raub aufhört, so ist
auch ein Hauptreiz zum Kriege aufgehoben, und der Friede wird dann länger,
ja vielleicht immer dauern."

Diese Denkschrift verfehlte ihren Eindruck in Preußen nicht. Die anderen
Staaten standen den amerikanischen Prinzipien kühl und ablehnend gegenüber,
das englische Kabinett überhäufte die Bevollmächtigten der Union mit Hohn
und Spott, der russische Gesandte nahm sich nicht einmal die Mühe, ihnen nur
zu antworten. Dagegen ist der Preuße Thulemeier entzückt von dem dreiund¬
zwanzigsten Artikel, „der von dem reinsten Eifer für das Beste der Menschheit ein¬
gegeben sei". „Es ist zu wünschen," so schreibt er den amerikanischen Ge¬
sandten, „daß diese erhabene Gesinnung von allen Seemächten ohne Ausnahme
angenommen werde. Die Übel des Krieges werden dadurch bedeutend ge¬
mildert und Feindseligkeiten, so häufig durch Gier oder schmutzige Gewinnsucht
hervorgerufen, immer seltener werden."

Auch Finkenstein und Hertzberg, die beiden preußischen Minister, be¬
stimmten den König, unbedenklich die amerikanischen Vorschläge anzunehmen,
da sie „völlig mit den Grundsätzen übereinstimmen, welche wir jederzeit be¬
hauptet haben, nämlich, daß der Krieg nicht zum Ruin des Particuliers,
sondern zu dem großen Endzweck, einen anständigen und dauernden Frieden
zu erhalten, geführt werden müsse, und daß daher die Seekaperey vollständig
abzuschaffen oder doch möglichst einzuschränken wäre, und daß ferner, wenn
zwei Mächte Krieg führen, die dritte nicht darunter leiden müsse, noch ihr
sonst gewöhnliches Commerzium aufzugeben schuldig sey, daß folglich keiner der
kriegführenden Teile ein Recht habe, die Waaren solcher neutralen Untertanen,
wenn sie nur nicht direkte zum Kriegsgebräuche dienen, oder in einen be¬
lagerten Hafen gebracht werden sollen, so wenig aus einem feindlichen als
einem freundlichen oder einem neutralen Schiffe zu nehmen".

So kam denn durch das rasche Entgegenkommen Friedrichs schon am
10. September 1785 der preußisch-amerikanische Freundschafts- und Handels¬
vertrag zustande. Wohl ist er im wesentlichen amerikanischen Ursprungs.
Wohl sind die neuen Ideen im Kopfe Franklins und seiner Gesinnungsgenossen
entstanden. Dennoch bleibt es eine unvergängliche Tat des Philosophen von
Sanssouci, daß er, ohne zu zögern, einen neuen unbekannten Weg mutig be-
schritten hat.

In den ersten Artikeln des Vertrags wurde bestimmt, daß zwischen den
beiden Staaten feste, unverbrüchliche und aufrichtige Freundschaft und Frieden
bestehen solle. Die Untertanen oder Bürger der beiden kontrahierenden Staaten
sollen die Küsten und das Gebiet des andern besuchen, dort wohnen und mit
allen Arten von Waren, Produkten und Manufakturen Handel treiben dürfen.
Die von ihnen zu zahlenden Zölle sollten nicht höher sein, als die von den
höchstbegünstigten Nationen entrichteten, deren Rechte und Privilegien sie über¬
haupt in allen Stücken genießen würden. Der vierte Artikel regulierte „den


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[0248] Der preußisch-amerikanische Freundschaftsvertrag Veranlassung dazu möglichst vermindert werden. Wenn Raub aufhört, so ist auch ein Hauptreiz zum Kriege aufgehoben, und der Friede wird dann länger, ja vielleicht immer dauern." Diese Denkschrift verfehlte ihren Eindruck in Preußen nicht. Die anderen Staaten standen den amerikanischen Prinzipien kühl und ablehnend gegenüber, das englische Kabinett überhäufte die Bevollmächtigten der Union mit Hohn und Spott, der russische Gesandte nahm sich nicht einmal die Mühe, ihnen nur zu antworten. Dagegen ist der Preuße Thulemeier entzückt von dem dreiund¬ zwanzigsten Artikel, „der von dem reinsten Eifer für das Beste der Menschheit ein¬ gegeben sei". „Es ist zu wünschen," so schreibt er den amerikanischen Ge¬ sandten, „daß diese erhabene Gesinnung von allen Seemächten ohne Ausnahme angenommen werde. Die Übel des Krieges werden dadurch bedeutend ge¬ mildert und Feindseligkeiten, so häufig durch Gier oder schmutzige Gewinnsucht hervorgerufen, immer seltener werden." Auch Finkenstein und Hertzberg, die beiden preußischen Minister, be¬ stimmten den König, unbedenklich die amerikanischen Vorschläge anzunehmen, da sie „völlig mit den Grundsätzen übereinstimmen, welche wir jederzeit be¬ hauptet haben, nämlich, daß der Krieg nicht zum Ruin des Particuliers, sondern zu dem großen Endzweck, einen anständigen und dauernden Frieden zu erhalten, geführt werden müsse, und daß daher die Seekaperey vollständig abzuschaffen oder doch möglichst einzuschränken wäre, und daß ferner, wenn zwei Mächte Krieg führen, die dritte nicht darunter leiden müsse, noch ihr sonst gewöhnliches Commerzium aufzugeben schuldig sey, daß folglich keiner der kriegführenden Teile ein Recht habe, die Waaren solcher neutralen Untertanen, wenn sie nur nicht direkte zum Kriegsgebräuche dienen, oder in einen be¬ lagerten Hafen gebracht werden sollen, so wenig aus einem feindlichen als einem freundlichen oder einem neutralen Schiffe zu nehmen". So kam denn durch das rasche Entgegenkommen Friedrichs schon am 10. September 1785 der preußisch-amerikanische Freundschafts- und Handels¬ vertrag zustande. Wohl ist er im wesentlichen amerikanischen Ursprungs. Wohl sind die neuen Ideen im Kopfe Franklins und seiner Gesinnungsgenossen entstanden. Dennoch bleibt es eine unvergängliche Tat des Philosophen von Sanssouci, daß er, ohne zu zögern, einen neuen unbekannten Weg mutig be- schritten hat. In den ersten Artikeln des Vertrags wurde bestimmt, daß zwischen den beiden Staaten feste, unverbrüchliche und aufrichtige Freundschaft und Frieden bestehen solle. Die Untertanen oder Bürger der beiden kontrahierenden Staaten sollen die Küsten und das Gebiet des andern besuchen, dort wohnen und mit allen Arten von Waren, Produkten und Manufakturen Handel treiben dürfen. Die von ihnen zu zahlenden Zölle sollten nicht höher sein, als die von den höchstbegünstigten Nationen entrichteten, deren Rechte und Privilegien sie über¬ haupt in allen Stücken genießen würden. Der vierte Artikel regulierte „den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409/248>, abgerufen am 25.08.2024.