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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.

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Unser Verhältnis zu Japan

Umgekehrt findet man in rechtsstehenden deutschen Blättern häufig den
Vorschlag, wir sollten alsbald zu einem Sonderfrieden und einem näheren Ver¬
hältnis zu Rußland und Japan zu kommen suchen, weil England "der Feind"
sei und in Zukunft auch bleiben werde, ferner auch der Zusammenschluß der
drei östlichen Militärmonarchien gegenüber dem demokratischen Westen der
natürlichen Sachlage entspreche. Ein solches späteres Zusammengehen liegt zwar
nicht außer dem Bereiche der Möglichkeit. Aber auch hier müßten wir Acht
geben, daß wir nicht, durch die beiden anderen Mächte und ihre asiatische
skrupellose Schlaue betrogen, zuletzt als der dumme Dritte dastünden; auch hier
müßten wir darauf bestehen, daß Chinas Gebiet unverletzt und die "offene
Türe dortselbst gewahrt würde" (wobei sich unsere Interessen viel mehr mit denen
der Vereinigten Staaten als mit denen aller anderen Mächte decken). Vor
allem aber wäre die Voraussetzung für ein künftiges näheres Verhältnis mit
Rußland die, daß es zunächst durch Ablösung einiger Teile im Westen empfindlich
geschwächt würde, und daß es seinen Ansprüchen auf Konstantinopel und die
Dardanellen entsagt. Unsere künftige politische Aufgabe wird vor allem im
Ausbau der Beziehungen zu unseren heutigen Verbündeten liegen. Soweit sich
andere Bündnisse diesen zweckmäßig eingliedern lassen, können wir sie suchen
oder an uns herankommen lassen. Wir werden aber vielleicht mehr die
zwischen unseren heutigen Feinden bestehenden natürlichen Gegensätze durch die
Kunst unserer Diplomatie noch zu vertiefen, als den einen oder anderen von
ihnen möglichst bald zum Bundesgenossen zu werben suchen,

Das Verhältnis zu unseren heutigen Verbündeten hat uns gelehrt, daß
Gegensätze der Rasse und Religion keine Rolle spielen, wenn die politischen und
wirtschaftlichen Interessen zweier Staaten nach der gleichen Richtung weisen und
sie zueinander hinführen. Da die Solidarität, das Gemeinschaftsgefühl der
weißen Rasse in diesem Kriege in die Brüche gegangen ist, so wird der Um¬
stand, daß die Japaner einer anderen Rasse wie wir angehören, später kein
Hinderungsgrund für uns sein, mit ihnen in ein näheres Verhältnis zu treten,
wenn nur realpolitische Erwägungen uns auf ein solches hinweisen. Auch in
dieser Beziehung muß des Kanzlers Wort gelten, daß wir in dein großen Kriege
"die Sentimentalität verlernt" haben.




Unser Verhältnis zu Japan

Umgekehrt findet man in rechtsstehenden deutschen Blättern häufig den
Vorschlag, wir sollten alsbald zu einem Sonderfrieden und einem näheren Ver¬
hältnis zu Rußland und Japan zu kommen suchen, weil England „der Feind"
sei und in Zukunft auch bleiben werde, ferner auch der Zusammenschluß der
drei östlichen Militärmonarchien gegenüber dem demokratischen Westen der
natürlichen Sachlage entspreche. Ein solches späteres Zusammengehen liegt zwar
nicht außer dem Bereiche der Möglichkeit. Aber auch hier müßten wir Acht
geben, daß wir nicht, durch die beiden anderen Mächte und ihre asiatische
skrupellose Schlaue betrogen, zuletzt als der dumme Dritte dastünden; auch hier
müßten wir darauf bestehen, daß Chinas Gebiet unverletzt und die „offene
Türe dortselbst gewahrt würde" (wobei sich unsere Interessen viel mehr mit denen
der Vereinigten Staaten als mit denen aller anderen Mächte decken). Vor
allem aber wäre die Voraussetzung für ein künftiges näheres Verhältnis mit
Rußland die, daß es zunächst durch Ablösung einiger Teile im Westen empfindlich
geschwächt würde, und daß es seinen Ansprüchen auf Konstantinopel und die
Dardanellen entsagt. Unsere künftige politische Aufgabe wird vor allem im
Ausbau der Beziehungen zu unseren heutigen Verbündeten liegen. Soweit sich
andere Bündnisse diesen zweckmäßig eingliedern lassen, können wir sie suchen
oder an uns herankommen lassen. Wir werden aber vielleicht mehr die
zwischen unseren heutigen Feinden bestehenden natürlichen Gegensätze durch die
Kunst unserer Diplomatie noch zu vertiefen, als den einen oder anderen von
ihnen möglichst bald zum Bundesgenossen zu werben suchen,

Das Verhältnis zu unseren heutigen Verbündeten hat uns gelehrt, daß
Gegensätze der Rasse und Religion keine Rolle spielen, wenn die politischen und
wirtschaftlichen Interessen zweier Staaten nach der gleichen Richtung weisen und
sie zueinander hinführen. Da die Solidarität, das Gemeinschaftsgefühl der
weißen Rasse in diesem Kriege in die Brüche gegangen ist, so wird der Um¬
stand, daß die Japaner einer anderen Rasse wie wir angehören, später kein
Hinderungsgrund für uns sein, mit ihnen in ein näheres Verhältnis zu treten,
wenn nur realpolitische Erwägungen uns auf ein solches hinweisen. Auch in
dieser Beziehung muß des Kanzlers Wort gelten, daß wir in dein großen Kriege
„die Sentimentalität verlernt" haben.




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[0124] Unser Verhältnis zu Japan Umgekehrt findet man in rechtsstehenden deutschen Blättern häufig den Vorschlag, wir sollten alsbald zu einem Sonderfrieden und einem näheren Ver¬ hältnis zu Rußland und Japan zu kommen suchen, weil England „der Feind" sei und in Zukunft auch bleiben werde, ferner auch der Zusammenschluß der drei östlichen Militärmonarchien gegenüber dem demokratischen Westen der natürlichen Sachlage entspreche. Ein solches späteres Zusammengehen liegt zwar nicht außer dem Bereiche der Möglichkeit. Aber auch hier müßten wir Acht geben, daß wir nicht, durch die beiden anderen Mächte und ihre asiatische skrupellose Schlaue betrogen, zuletzt als der dumme Dritte dastünden; auch hier müßten wir darauf bestehen, daß Chinas Gebiet unverletzt und die „offene Türe dortselbst gewahrt würde" (wobei sich unsere Interessen viel mehr mit denen der Vereinigten Staaten als mit denen aller anderen Mächte decken). Vor allem aber wäre die Voraussetzung für ein künftiges näheres Verhältnis mit Rußland die, daß es zunächst durch Ablösung einiger Teile im Westen empfindlich geschwächt würde, und daß es seinen Ansprüchen auf Konstantinopel und die Dardanellen entsagt. Unsere künftige politische Aufgabe wird vor allem im Ausbau der Beziehungen zu unseren heutigen Verbündeten liegen. Soweit sich andere Bündnisse diesen zweckmäßig eingliedern lassen, können wir sie suchen oder an uns herankommen lassen. Wir werden aber vielleicht mehr die zwischen unseren heutigen Feinden bestehenden natürlichen Gegensätze durch die Kunst unserer Diplomatie noch zu vertiefen, als den einen oder anderen von ihnen möglichst bald zum Bundesgenossen zu werben suchen, Das Verhältnis zu unseren heutigen Verbündeten hat uns gelehrt, daß Gegensätze der Rasse und Religion keine Rolle spielen, wenn die politischen und wirtschaftlichen Interessen zweier Staaten nach der gleichen Richtung weisen und sie zueinander hinführen. Da die Solidarität, das Gemeinschaftsgefühl der weißen Rasse in diesem Kriege in die Brüche gegangen ist, so wird der Um¬ stand, daß die Japaner einer anderen Rasse wie wir angehören, später kein Hinderungsgrund für uns sein, mit ihnen in ein näheres Verhältnis zu treten, wenn nur realpolitische Erwägungen uns auf ein solches hinweisen. Auch in dieser Beziehung muß des Kanzlers Wort gelten, daß wir in dein großen Kriege „die Sentimentalität verlernt" haben.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409/124>, abgerufen am 23.07.2024.