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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr.

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Die Grundgedanken des Wirtschaftskrieges

irgendeinen japanischen Artikel verkauft. In Indien gewinnt der japanische
Handel immer mehr an Boden. Die japanische Regierung unterstützt die aus¬
wärtigen Unternehmungen tatkräftig. Selbst in Großbritannien gelangen
Strumpfwaren und Artikel für den Tuchhandel, die in Japan fabriziert werden,
zum Verkauf. Die Preise der japanischen Waren sind auch in England
bedeutend niedriger als diejenigen für die gleiche Ware deutscher Herkunft vor
dem Krieg."

Schon aus diesen wenigen Angaben erhellt, daß der britische Kaufmann
trotz der Ausschaltung der Deutschen nicht mehr Herr seines Marktes ist. Es
ist also wohl verständlich, wenn diese Verschiebung der Kräfte in England
außerordentlich zu denken gibt, und daß man alle Hebel in Bewegung setzt,
die zwei Hauptziele zu erreichen, nämlich: Deutschland militärisch und wirt¬
schaftlich niederzukämpfen, sein wirtschaftliches Leben zu erdrosseln und gleich¬
zeitig den Kampf auf dem Weltmarkt gegen die neuen durch den europäischen
Krieg zur Macht gelangten Konkurrenten Amerika und Japan auszunehmen
und gegen das erneute Eindringen und Wachsen der deutschen Konkurrenz
vorzubeugen. Der Wirtschaftskrieg hat demnach einen Kriegssinn und einen
Fnedenssinn- beide durchdringen sich jetzt schon in intensivster Weise.

Welcher Mittel bedienen sich die Alliierten, oder, besser gesagt, bedient
sich England zur Erreichung dieser Ziele? Es dürfte einleuchten, daß
sich bei dieser Fragestellung nicht mehr unterscheiden läßt, wie es die
Pariser Beschlüsse fein säuberlich zu tun vorgeben, zwischen Mitteln der
Kriegszeit, der Übergangszeit in den ersten Friedensjahren und solchen
einer permanenten Handelspolitik für die Zukunft. Hier fließen die
Begriffe schon vollkommen ineinander über, wie es auch die Absichten tun.
Während die Blockadepraktiken lediglich auf die Verhinderung der Zufuhr von
Rohstoffen und Lebensmitteln in das Gebiet der Mittelmächte abzielen, reichen
die Vergewaltigung der Neutralen und, um nur ein Beispiel zu nennen, das
System der Schwarzen Listen, weit in die Übergangszeit mit dem oben geschil¬
derten doppelten englischen Ziel hinein. Formulieren wir positiv die Absichten
Englands näher, so laufen diese auf die Schaffung wirksamer Maßregeln zum
Schutze feiner Industrie hinaus. Das ist in der Tat auch der Feldruf geworden.
Die Schwierigkeiten, mit denen die englische Industrie in den letzten Jahrzehnten
zu kämpfen gehabt hatte, lagen zu einem guten Teil im Freihandel begründet.
Er hat allen ausländischen Jndustrieprodukten. auch solchen, die im Inlands
besser erzeugt werden konnten, Tür und Tor geöffnet und die Abstoßung der
Überproduktion des Kontinents zu Schundpreisen ermöglicht. Der englische
Exporthandel zeigte sich demgegenüber, wie von britischer Seite selbst zugegeben
wird, überall lässig und rückschrittlich. Man ließ die Kundschaft an sich heran-
kommen, anstatt sie aufzusuchen und gab der Konkurrenz das Feld zu leichten
Kaufes preis. Der Freihandel, der den englischen Transithandel ganz zweifel¬
los zu einer großen Blüte verholfen hat, hat auf die Industrie - Politik nur


Die Grundgedanken des Wirtschaftskrieges

irgendeinen japanischen Artikel verkauft. In Indien gewinnt der japanische
Handel immer mehr an Boden. Die japanische Regierung unterstützt die aus¬
wärtigen Unternehmungen tatkräftig. Selbst in Großbritannien gelangen
Strumpfwaren und Artikel für den Tuchhandel, die in Japan fabriziert werden,
zum Verkauf. Die Preise der japanischen Waren sind auch in England
bedeutend niedriger als diejenigen für die gleiche Ware deutscher Herkunft vor
dem Krieg."

Schon aus diesen wenigen Angaben erhellt, daß der britische Kaufmann
trotz der Ausschaltung der Deutschen nicht mehr Herr seines Marktes ist. Es
ist also wohl verständlich, wenn diese Verschiebung der Kräfte in England
außerordentlich zu denken gibt, und daß man alle Hebel in Bewegung setzt,
die zwei Hauptziele zu erreichen, nämlich: Deutschland militärisch und wirt¬
schaftlich niederzukämpfen, sein wirtschaftliches Leben zu erdrosseln und gleich¬
zeitig den Kampf auf dem Weltmarkt gegen die neuen durch den europäischen
Krieg zur Macht gelangten Konkurrenten Amerika und Japan auszunehmen
und gegen das erneute Eindringen und Wachsen der deutschen Konkurrenz
vorzubeugen. Der Wirtschaftskrieg hat demnach einen Kriegssinn und einen
Fnedenssinn- beide durchdringen sich jetzt schon in intensivster Weise.

Welcher Mittel bedienen sich die Alliierten, oder, besser gesagt, bedient
sich England zur Erreichung dieser Ziele? Es dürfte einleuchten, daß
sich bei dieser Fragestellung nicht mehr unterscheiden läßt, wie es die
Pariser Beschlüsse fein säuberlich zu tun vorgeben, zwischen Mitteln der
Kriegszeit, der Übergangszeit in den ersten Friedensjahren und solchen
einer permanenten Handelspolitik für die Zukunft. Hier fließen die
Begriffe schon vollkommen ineinander über, wie es auch die Absichten tun.
Während die Blockadepraktiken lediglich auf die Verhinderung der Zufuhr von
Rohstoffen und Lebensmitteln in das Gebiet der Mittelmächte abzielen, reichen
die Vergewaltigung der Neutralen und, um nur ein Beispiel zu nennen, das
System der Schwarzen Listen, weit in die Übergangszeit mit dem oben geschil¬
derten doppelten englischen Ziel hinein. Formulieren wir positiv die Absichten
Englands näher, so laufen diese auf die Schaffung wirksamer Maßregeln zum
Schutze feiner Industrie hinaus. Das ist in der Tat auch der Feldruf geworden.
Die Schwierigkeiten, mit denen die englische Industrie in den letzten Jahrzehnten
zu kämpfen gehabt hatte, lagen zu einem guten Teil im Freihandel begründet.
Er hat allen ausländischen Jndustrieprodukten. auch solchen, die im Inlands
besser erzeugt werden konnten, Tür und Tor geöffnet und die Abstoßung der
Überproduktion des Kontinents zu Schundpreisen ermöglicht. Der englische
Exporthandel zeigte sich demgegenüber, wie von britischer Seite selbst zugegeben
wird, überall lässig und rückschrittlich. Man ließ die Kundschaft an sich heran-
kommen, anstatt sie aufzusuchen und gab der Konkurrenz das Feld zu leichten
Kaufes preis. Der Freihandel, der den englischen Transithandel ganz zweifel¬
los zu einer großen Blüte verholfen hat, hat auf die Industrie - Politik nur


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[0089] Die Grundgedanken des Wirtschaftskrieges irgendeinen japanischen Artikel verkauft. In Indien gewinnt der japanische Handel immer mehr an Boden. Die japanische Regierung unterstützt die aus¬ wärtigen Unternehmungen tatkräftig. Selbst in Großbritannien gelangen Strumpfwaren und Artikel für den Tuchhandel, die in Japan fabriziert werden, zum Verkauf. Die Preise der japanischen Waren sind auch in England bedeutend niedriger als diejenigen für die gleiche Ware deutscher Herkunft vor dem Krieg." Schon aus diesen wenigen Angaben erhellt, daß der britische Kaufmann trotz der Ausschaltung der Deutschen nicht mehr Herr seines Marktes ist. Es ist also wohl verständlich, wenn diese Verschiebung der Kräfte in England außerordentlich zu denken gibt, und daß man alle Hebel in Bewegung setzt, die zwei Hauptziele zu erreichen, nämlich: Deutschland militärisch und wirt¬ schaftlich niederzukämpfen, sein wirtschaftliches Leben zu erdrosseln und gleich¬ zeitig den Kampf auf dem Weltmarkt gegen die neuen durch den europäischen Krieg zur Macht gelangten Konkurrenten Amerika und Japan auszunehmen und gegen das erneute Eindringen und Wachsen der deutschen Konkurrenz vorzubeugen. Der Wirtschaftskrieg hat demnach einen Kriegssinn und einen Fnedenssinn- beide durchdringen sich jetzt schon in intensivster Weise. Welcher Mittel bedienen sich die Alliierten, oder, besser gesagt, bedient sich England zur Erreichung dieser Ziele? Es dürfte einleuchten, daß sich bei dieser Fragestellung nicht mehr unterscheiden läßt, wie es die Pariser Beschlüsse fein säuberlich zu tun vorgeben, zwischen Mitteln der Kriegszeit, der Übergangszeit in den ersten Friedensjahren und solchen einer permanenten Handelspolitik für die Zukunft. Hier fließen die Begriffe schon vollkommen ineinander über, wie es auch die Absichten tun. Während die Blockadepraktiken lediglich auf die Verhinderung der Zufuhr von Rohstoffen und Lebensmitteln in das Gebiet der Mittelmächte abzielen, reichen die Vergewaltigung der Neutralen und, um nur ein Beispiel zu nennen, das System der Schwarzen Listen, weit in die Übergangszeit mit dem oben geschil¬ derten doppelten englischen Ziel hinein. Formulieren wir positiv die Absichten Englands näher, so laufen diese auf die Schaffung wirksamer Maßregeln zum Schutze feiner Industrie hinaus. Das ist in der Tat auch der Feldruf geworden. Die Schwierigkeiten, mit denen die englische Industrie in den letzten Jahrzehnten zu kämpfen gehabt hatte, lagen zu einem guten Teil im Freihandel begründet. Er hat allen ausländischen Jndustrieprodukten. auch solchen, die im Inlands besser erzeugt werden konnten, Tür und Tor geöffnet und die Abstoßung der Überproduktion des Kontinents zu Schundpreisen ermöglicht. Der englische Exporthandel zeigte sich demgegenüber, wie von britischer Seite selbst zugegeben wird, überall lässig und rückschrittlich. Man ließ die Kundschaft an sich heran- kommen, anstatt sie aufzusuchen und gab der Konkurrenz das Feld zu leichten Kaufes preis. Der Freihandel, der den englischen Transithandel ganz zweifel¬ los zu einer großen Blüte verholfen hat, hat auf die Industrie - Politik nur

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330971/89>, abgerufen am 23.07.2024.