Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr.Zwischen Gründerzeit und Weltkrieg In der Tat wurzeln die besten Kräfte auch des praktische" Kulturarbeiters Nun ist diese Jugend zu einer Erprobung ihrer Ideale aufgerufen, an Zwischen Gründerzeit und Weltkrieg In der Tat wurzeln die besten Kräfte auch des praktische« Kulturarbeiters Nun ist diese Jugend zu einer Erprobung ihrer Ideale aufgerufen, an <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0391" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/331363"/> <fw type="header" place="top"> Zwischen Gründerzeit und Weltkrieg</fw><lb/> <p xml:id="ID_1459" prev="#ID_1458"> In der Tat wurzeln die besten Kräfte auch des praktische« Kulturarbeiters<lb/> Avenarius im Dichterischen und Künstlerischen und es wird immer auch ein<lb/> Wahrzeichen der Zeit vor dem Kriege bleiben: daß die Organisationsaufgaben<lb/> aus dem Chaos der deutschen Kulturzustände her gewaltig genug drängten, um<lb/> einen an sich künstlerisch überaus reichen Mann zu einer so vielseitigen Lebens¬<lb/> arbeit wesentlich praktisch-ethischer Art. gewiß oft wider seinen innersten<lb/> Willen, aufzurufen. Es ist der eigentümlichste Reiz dieser Persönlichkeit, wie<lb/> die beiden Kraftrichtungen in ihm, die künstlerische und die ethische, beständig<lb/> miteinander ringen, einander verdrängen, sich wiederum harmonisch vereinigen<lb/> und ergänzen, um neuerlich in fruchtbaren Widerstreit zu geraten, wie aus<lb/> seiner künstlerischen Welt, die in guten Stunden die abgeschlossenste Heiligkeit<lb/> echter Natur- und Weltnähe atmet, immer wieder kraftvoll geöffnete Wege ins<lb/> männliche Wirken führen, und wie aus dem lauten Vielerlei der Tagesarbeit<lb/> immer wieder sich die reinen, ruhevollen, weitab ins Unendliche tauchenden<lb/> Blicke auf das Ewiggültige sich auftun. Diese einzigartige Mischung setzte ihn<lb/> an die Stelle, an der er uns, gerade in jenen Zusammenhängen unserer<lb/> deutschen Entwicklung, so bedeutsame Werte schuf und darstellte. Er kam aus<lb/> der Gründerzeit, gegen die er von seiner Jugend her einseitigen Abscheu mit¬<lb/> brachte, und er ging in die Zeit hinein, zu der das Tor durch den Weltkrieg<lb/> aufgestoßen wurde. Auf diesem Wege bedeutet er einen der sichtbarsten Träger<lb/> und Repräsentanten der Kräfte, die nach Läuterung und durch Läuterung nach<lb/> Herrschaft im deutschen Wesen dieser Zeit rangen. In der Kunstwart- und<lb/> Dürerbundarbeit spiegelt sich dieser Kampf um Echtheit, Ganzheit gegen die<lb/> Surrogate in allen Einzelheiten. Oft einseitig und karg nach der Meinung der<lb/> Tadler und Neider. Man schalt, namentlich in den letzten Jahren, da sich<lb/> die praktischen Arbeiten immer weiter vom Zentrum seiner eigensten Begabung<lb/> entfernten, auch über Unklarheit und Unsicherheit. Schließlich hat ja der<lb/> Strom des deutschen Wollens alle Grenzen persönlichen Könnens und Be°<lb/> greifens gesprengt, und was jetzt mit uns geschieht, vermag kein einzelner<lb/> urteilend zu übersehen. Auch wenn ihn nicht die Erfahrungen begrenzen, die<lb/> notwendig das Geschlecht der jetzt sechzigjährigen bestimmen und die vor-<lb/> zugsweise jenem inneren werdenden Deutschland der letzten dreißig Jahre zu¬<lb/> gewendet sein mußten. Übrigens haben nur wenige von dieser Generation<lb/> unmittelbareren und lebendigeren Anschluß an die jüngste Jugend gefunden<lb/> als Avenarius, und wer ihn ganz kennen will, muß ihn unter dieser Jugend<lb/> gesehen haben. In ihr fühlte er mit Recht die echteste Betätigung seines<lb/> besten Wollens.</p><lb/> <p xml:id="ID_1460" next="#ID_1461"> Nun ist diese Jugend zu einer Erprobung ihrer Ideale aufgerufen, an<lb/> deren Ernst kein Schaffen und Wollen der Zeit vorher heranreicht. Dieser<lb/> tiefste Ernst, diese Bewährung des Deutschtums im Kampfe mit der Welt<lb/> scheidet die Arbeit vor dem Kriege von aller späteren. Aber wie viel von der<lb/> Kraft, die uns jetzt trägt und nachher tragen soll, aus der Sammlung und</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0391]
Zwischen Gründerzeit und Weltkrieg
In der Tat wurzeln die besten Kräfte auch des praktische« Kulturarbeiters
Avenarius im Dichterischen und Künstlerischen und es wird immer auch ein
Wahrzeichen der Zeit vor dem Kriege bleiben: daß die Organisationsaufgaben
aus dem Chaos der deutschen Kulturzustände her gewaltig genug drängten, um
einen an sich künstlerisch überaus reichen Mann zu einer so vielseitigen Lebens¬
arbeit wesentlich praktisch-ethischer Art. gewiß oft wider seinen innersten
Willen, aufzurufen. Es ist der eigentümlichste Reiz dieser Persönlichkeit, wie
die beiden Kraftrichtungen in ihm, die künstlerische und die ethische, beständig
miteinander ringen, einander verdrängen, sich wiederum harmonisch vereinigen
und ergänzen, um neuerlich in fruchtbaren Widerstreit zu geraten, wie aus
seiner künstlerischen Welt, die in guten Stunden die abgeschlossenste Heiligkeit
echter Natur- und Weltnähe atmet, immer wieder kraftvoll geöffnete Wege ins
männliche Wirken führen, und wie aus dem lauten Vielerlei der Tagesarbeit
immer wieder sich die reinen, ruhevollen, weitab ins Unendliche tauchenden
Blicke auf das Ewiggültige sich auftun. Diese einzigartige Mischung setzte ihn
an die Stelle, an der er uns, gerade in jenen Zusammenhängen unserer
deutschen Entwicklung, so bedeutsame Werte schuf und darstellte. Er kam aus
der Gründerzeit, gegen die er von seiner Jugend her einseitigen Abscheu mit¬
brachte, und er ging in die Zeit hinein, zu der das Tor durch den Weltkrieg
aufgestoßen wurde. Auf diesem Wege bedeutet er einen der sichtbarsten Träger
und Repräsentanten der Kräfte, die nach Läuterung und durch Läuterung nach
Herrschaft im deutschen Wesen dieser Zeit rangen. In der Kunstwart- und
Dürerbundarbeit spiegelt sich dieser Kampf um Echtheit, Ganzheit gegen die
Surrogate in allen Einzelheiten. Oft einseitig und karg nach der Meinung der
Tadler und Neider. Man schalt, namentlich in den letzten Jahren, da sich
die praktischen Arbeiten immer weiter vom Zentrum seiner eigensten Begabung
entfernten, auch über Unklarheit und Unsicherheit. Schließlich hat ja der
Strom des deutschen Wollens alle Grenzen persönlichen Könnens und Be°
greifens gesprengt, und was jetzt mit uns geschieht, vermag kein einzelner
urteilend zu übersehen. Auch wenn ihn nicht die Erfahrungen begrenzen, die
notwendig das Geschlecht der jetzt sechzigjährigen bestimmen und die vor-
zugsweise jenem inneren werdenden Deutschland der letzten dreißig Jahre zu¬
gewendet sein mußten. Übrigens haben nur wenige von dieser Generation
unmittelbareren und lebendigeren Anschluß an die jüngste Jugend gefunden
als Avenarius, und wer ihn ganz kennen will, muß ihn unter dieser Jugend
gesehen haben. In ihr fühlte er mit Recht die echteste Betätigung seines
besten Wollens.
Nun ist diese Jugend zu einer Erprobung ihrer Ideale aufgerufen, an
deren Ernst kein Schaffen und Wollen der Zeit vorher heranreicht. Dieser
tiefste Ernst, diese Bewährung des Deutschtums im Kampfe mit der Welt
scheidet die Arbeit vor dem Kriege von aller späteren. Aber wie viel von der
Kraft, die uns jetzt trägt und nachher tragen soll, aus der Sammlung und
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |