Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr.Zwischen Gründerzeit und Weltkrieg die Kausalzusammenhänge dieser zwölf Jahre überblickt, ist wohl geneigt, den Zwischen Gründerzeit und Weltkrieg Zu F. Avenarius sechzigsten Geburtstage von Dr. H, Ullmann l itten in den Weltkriegssorgen, in einem Gegenwartsleben, das Zwischen Gründerzeit und Weltkrieg die Kausalzusammenhänge dieser zwölf Jahre überblickt, ist wohl geneigt, den Zwischen Gründerzeit und Weltkrieg Zu F. Avenarius sechzigsten Geburtstage von Dr. H, Ullmann l itten in den Weltkriegssorgen, in einem Gegenwartsleben, das <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0389" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/331361"/> <fw type="header" place="top"> Zwischen Gründerzeit und Weltkrieg</fw><lb/> <p xml:id="ID_1454" prev="#ID_1453"> die Kausalzusammenhänge dieser zwölf Jahre überblickt, ist wohl geneigt, den<lb/> Entschluß des englischen Kabinetts vom August 1914 als das unvermeidliche<lb/> Schlußergebnis einer langen und folgerichtigen Entwicklung zu bewerten."<lb/> Valentins Verdammungsurteil trifft also in allen Punkten in gleicher Weise<lb/> wie Reventlow, wenn nicht schwerer, einen unserer hervorragendsten Staats¬<lb/> männer und einen unserer bedeutendsten Historiker. Will Valentin auch über<lb/> sie den Stab brechen, und „mit allem Nachdruck und in vollem Bewußtsein der<lb/> Schwere dieser Vorwürfe" vor ihren Büchern warnen?</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Zwischen Gründerzeit und Weltkrieg<lb/> Zu F. Avenarius sechzigsten Geburtstage<lb/><note type="byline"> von Dr. H, Ullmann</note></head><lb/> <p xml:id="ID_1455" next="#ID_1456"> l itten in den Weltkriegssorgen, in einem Gegenwartsleben, das<lb/> alle Kräfte und Gedanken für sich verlangt, dürfen wir nicht<lb/> verlernen, unser gegenwärtiges Dasein als Gewordenes und<lb/> Werdendes innerhalb einer bestimmten Entwicklung, als Aufgabe<lb/> von der Zeit vor dem Kriege her und über den Krieg hinaus<lb/> zu sehen. Wir dürfen nicht vergessen, welche Hoffnungen in uns lebten, bevor<lb/> der Weltsturm über uns hereinbrach und wie diese Hoffnungen gerade durch<lb/> ihn gestärkt und geläutert wurden. Gerade in den letzten Jahren vor dem<lb/> Kriege war eine geistige innere Läuterung im deutschen Volke vor sich gegangen,<lb/> die uns von der Zeit zwischen 1870 und 1900 sehr scharf zu scheiden schien,<lb/> von der freilich erst nur die innersten Kreise des Deutschtums, die Feinhörigsten<lb/> und am tiefsten Unbefriedigter, nicht zuletzt die Jugend wußten, deren Quelle<lb/> und Urkraft aber doch auch in den jetzigen schweren Erschütterungen unsere<lb/> Zuversicht speist. Das Neue, das ich meine, hatte noch keinen Namen, dazu<lb/> war es noch zu innerlich und zu frei, zu vielfältig und ungeformt. Es hatte<lb/> sich als Reform- und Kulturarbeit, als Bedürfnis nach sozialer, wirtschaftlicher,<lb/> kultureller Neugestaltung bis an die Praxis herangewagt, es war in der<lb/> Jugend radikal und unklar als „freideutsche Bewegung" und ohne solche<lb/> Namen lebendig geworden, es hatte sich in Werkbund-, Heimatschutz- und<lb/> Dürerbundbewegungen, als Erziehungs- und Lebensresorm. in Städtebau,<lb/> Gartenstädten, Bodenreform, schließlich in dem Streben nach Durchgeistigung<lb/> der Politik, nach tieferem Erfassen der nationalen Einheit und nach organischer<lb/> Gestaltung unseres gesamten deutschen Lebens, nach dem deutschen Stil im<lb/> tiefsten und weitesten, durchaus nicht nur im ästhetischen Sinne geäußert.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0389]
Zwischen Gründerzeit und Weltkrieg
die Kausalzusammenhänge dieser zwölf Jahre überblickt, ist wohl geneigt, den
Entschluß des englischen Kabinetts vom August 1914 als das unvermeidliche
Schlußergebnis einer langen und folgerichtigen Entwicklung zu bewerten."
Valentins Verdammungsurteil trifft also in allen Punkten in gleicher Weise
wie Reventlow, wenn nicht schwerer, einen unserer hervorragendsten Staats¬
männer und einen unserer bedeutendsten Historiker. Will Valentin auch über
sie den Stab brechen, und „mit allem Nachdruck und in vollem Bewußtsein der
Schwere dieser Vorwürfe" vor ihren Büchern warnen?
Zwischen Gründerzeit und Weltkrieg
Zu F. Avenarius sechzigsten Geburtstage
von Dr. H, Ullmann
l itten in den Weltkriegssorgen, in einem Gegenwartsleben, das
alle Kräfte und Gedanken für sich verlangt, dürfen wir nicht
verlernen, unser gegenwärtiges Dasein als Gewordenes und
Werdendes innerhalb einer bestimmten Entwicklung, als Aufgabe
von der Zeit vor dem Kriege her und über den Krieg hinaus
zu sehen. Wir dürfen nicht vergessen, welche Hoffnungen in uns lebten, bevor
der Weltsturm über uns hereinbrach und wie diese Hoffnungen gerade durch
ihn gestärkt und geläutert wurden. Gerade in den letzten Jahren vor dem
Kriege war eine geistige innere Läuterung im deutschen Volke vor sich gegangen,
die uns von der Zeit zwischen 1870 und 1900 sehr scharf zu scheiden schien,
von der freilich erst nur die innersten Kreise des Deutschtums, die Feinhörigsten
und am tiefsten Unbefriedigter, nicht zuletzt die Jugend wußten, deren Quelle
und Urkraft aber doch auch in den jetzigen schweren Erschütterungen unsere
Zuversicht speist. Das Neue, das ich meine, hatte noch keinen Namen, dazu
war es noch zu innerlich und zu frei, zu vielfältig und ungeformt. Es hatte
sich als Reform- und Kulturarbeit, als Bedürfnis nach sozialer, wirtschaftlicher,
kultureller Neugestaltung bis an die Praxis herangewagt, es war in der
Jugend radikal und unklar als „freideutsche Bewegung" und ohne solche
Namen lebendig geworden, es hatte sich in Werkbund-, Heimatschutz- und
Dürerbundbewegungen, als Erziehungs- und Lebensresorm. in Städtebau,
Gartenstädten, Bodenreform, schließlich in dem Streben nach Durchgeistigung
der Politik, nach tieferem Erfassen der nationalen Einheit und nach organischer
Gestaltung unseres gesamten deutschen Lebens, nach dem deutschen Stil im
tiefsten und weitesten, durchaus nicht nur im ästhetischen Sinne geäußert.
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