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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr.

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Deutschlands Wasserkräfte

Stauweihern und auf alle diejenigen Maßregeln, welche zu ergreifen sind, um
einen vorzeitigen Abfluß des Wassers unserer Ströme in den unersättlichen
Ozean vorzubeugen, an dieser Stelle nicht eingehen, sondern mich vielmehr hier
auf einen Punkt in der Wasserwirtschaft beschränken, der gerade jetzt ein
Problem größter Bedeutung geworden ist. die möglichst vollkommenste und un¬
eingeschränkteste Ausnützung unserer einheimischen Wasserkräfte.

Die gewaltige volkswirtschaftliche Bedeutung des Ausbaues der Wasser¬
kräfte sowohl für Handel, Gewerbe und Landwirtschaft, durch Verteilung von
billiger Kraft und billigem Licht, als auch für-die Elektrisierung von Klein-
und Vollbahnen, schließlich für die Entwicklung neuer chemischer und metallurgi¬
scher Industrien ist allgemein anerkannt. Es mag nur daran erinnert werden,
daß die Wasserkräfte Werte schaffen ohne andere Werte dadurch zu vernichten,
und damit in scharfem Gegensatz zu denjenigen Kräften stehen, welche Stein¬
oder Braunkohle verzehren und dadurch nach und nach notwendig unsere
natürlichen Heizvorräte erschöpfen, und es mag betont werden, daß die Ver¬
teuerung gegenüber der durch Kohle gewonnenen Energie wegfällt, sobald die
Tilgung des Anlagekapitals für Wasscrkraftanlagen beendigt ist, weil dann
bloß noch die relativ geringen Kosten für ihre Verwaltung und Unterhaltung in
Frage kommen, während bei der Dampfkraft auch nach Tilgung der dann
steckenden Kapitalien, die Kosten für die Kraftquelle, die Kohle, dauernd be¬
stehen bleiben. Endlich ist der Verbrauch von Felder und Ölen bei den mit
Dampfkraft arbeitetenden Anlagen mindestens fünfzigmal größer, als bei
Wasserkraftanlagen, ein Umstand, der bei der jetzigen und auch nach dem
Kriege gewiß noch lange anhaltenden Knappheit an Felder aller Art, sehr in
die Wagschale fällt. Von der Verminderung der Rauchplage und anderen Vor¬
teilen des Wasserkraftbetriebes wollen wir ganz schweigen.

Man sollte nun meinen, daß Deutschland, das ja sonst auf wirtschaftlichen
und technischen Gebieten andern Ländern vorangeht, auch im Ausbau der
Wasserkräfte an der Spitze marschieren müßte, aber diese Vermutung trifft
leider, wie wir gleich näher auseinandersetzen werden, durchaus nicht zu. Ob¬
wohl Deutschland in seinen Wasserkräften seine dauerhaftesten Naturschätze
besitzt, die ohne allen Zweifel berufen sein werden, bei der Selbstversorgung
des Staates eine sehr bedeutsame Rolle zu spielen, ist uns das Ausland im
Ausbau der Wasserkräfte weit vorangeeilt. Frankreich hat, wie aus den Ver¬
öffentlichungen des französischen Wirtschaftsverbandes, welcher unmittelbar vor
dem Ausbruch des Krieges in Lyon tagte, nahezu 500 000 ?3. hauptsächlich
für elektrochemische Zwecke eingerichtet, Italien hat allein in den Jahren
1904-1909 525 000 ?3. konzessioniert und seitdem weitere 600 000 ?S.
Wasserkräfte erschlossen, die Schweiz hat 500 000 ?3. installiert.

In Norwegen waren im Jahre 1914 306 Wasserkraftwerke im Betrieb
mit einer Leistung von 400 000 Kilowattstunden ^ 544 000 ?3., welche ein
Kapitalwert von 3 Milliarden Kronen repräsentieren, wenn man die Einkünfte


Deutschlands Wasserkräfte

Stauweihern und auf alle diejenigen Maßregeln, welche zu ergreifen sind, um
einen vorzeitigen Abfluß des Wassers unserer Ströme in den unersättlichen
Ozean vorzubeugen, an dieser Stelle nicht eingehen, sondern mich vielmehr hier
auf einen Punkt in der Wasserwirtschaft beschränken, der gerade jetzt ein
Problem größter Bedeutung geworden ist. die möglichst vollkommenste und un¬
eingeschränkteste Ausnützung unserer einheimischen Wasserkräfte.

Die gewaltige volkswirtschaftliche Bedeutung des Ausbaues der Wasser¬
kräfte sowohl für Handel, Gewerbe und Landwirtschaft, durch Verteilung von
billiger Kraft und billigem Licht, als auch für-die Elektrisierung von Klein-
und Vollbahnen, schließlich für die Entwicklung neuer chemischer und metallurgi¬
scher Industrien ist allgemein anerkannt. Es mag nur daran erinnert werden,
daß die Wasserkräfte Werte schaffen ohne andere Werte dadurch zu vernichten,
und damit in scharfem Gegensatz zu denjenigen Kräften stehen, welche Stein¬
oder Braunkohle verzehren und dadurch nach und nach notwendig unsere
natürlichen Heizvorräte erschöpfen, und es mag betont werden, daß die Ver¬
teuerung gegenüber der durch Kohle gewonnenen Energie wegfällt, sobald die
Tilgung des Anlagekapitals für Wasscrkraftanlagen beendigt ist, weil dann
bloß noch die relativ geringen Kosten für ihre Verwaltung und Unterhaltung in
Frage kommen, während bei der Dampfkraft auch nach Tilgung der dann
steckenden Kapitalien, die Kosten für die Kraftquelle, die Kohle, dauernd be¬
stehen bleiben. Endlich ist der Verbrauch von Felder und Ölen bei den mit
Dampfkraft arbeitetenden Anlagen mindestens fünfzigmal größer, als bei
Wasserkraftanlagen, ein Umstand, der bei der jetzigen und auch nach dem
Kriege gewiß noch lange anhaltenden Knappheit an Felder aller Art, sehr in
die Wagschale fällt. Von der Verminderung der Rauchplage und anderen Vor¬
teilen des Wasserkraftbetriebes wollen wir ganz schweigen.

Man sollte nun meinen, daß Deutschland, das ja sonst auf wirtschaftlichen
und technischen Gebieten andern Ländern vorangeht, auch im Ausbau der
Wasserkräfte an der Spitze marschieren müßte, aber diese Vermutung trifft
leider, wie wir gleich näher auseinandersetzen werden, durchaus nicht zu. Ob¬
wohl Deutschland in seinen Wasserkräften seine dauerhaftesten Naturschätze
besitzt, die ohne allen Zweifel berufen sein werden, bei der Selbstversorgung
des Staates eine sehr bedeutsame Rolle zu spielen, ist uns das Ausland im
Ausbau der Wasserkräfte weit vorangeeilt. Frankreich hat, wie aus den Ver¬
öffentlichungen des französischen Wirtschaftsverbandes, welcher unmittelbar vor
dem Ausbruch des Krieges in Lyon tagte, nahezu 500 000 ?3. hauptsächlich
für elektrochemische Zwecke eingerichtet, Italien hat allein in den Jahren
1904-1909 525 000 ?3. konzessioniert und seitdem weitere 600 000 ?S.
Wasserkräfte erschlossen, die Schweiz hat 500 000 ?3. installiert.

In Norwegen waren im Jahre 1914 306 Wasserkraftwerke im Betrieb
mit einer Leistung von 400 000 Kilowattstunden ^ 544 000 ?3., welche ein
Kapitalwert von 3 Milliarden Kronen repräsentieren, wenn man die Einkünfte


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[0341] Deutschlands Wasserkräfte Stauweihern und auf alle diejenigen Maßregeln, welche zu ergreifen sind, um einen vorzeitigen Abfluß des Wassers unserer Ströme in den unersättlichen Ozean vorzubeugen, an dieser Stelle nicht eingehen, sondern mich vielmehr hier auf einen Punkt in der Wasserwirtschaft beschränken, der gerade jetzt ein Problem größter Bedeutung geworden ist. die möglichst vollkommenste und un¬ eingeschränkteste Ausnützung unserer einheimischen Wasserkräfte. Die gewaltige volkswirtschaftliche Bedeutung des Ausbaues der Wasser¬ kräfte sowohl für Handel, Gewerbe und Landwirtschaft, durch Verteilung von billiger Kraft und billigem Licht, als auch für-die Elektrisierung von Klein- und Vollbahnen, schließlich für die Entwicklung neuer chemischer und metallurgi¬ scher Industrien ist allgemein anerkannt. Es mag nur daran erinnert werden, daß die Wasserkräfte Werte schaffen ohne andere Werte dadurch zu vernichten, und damit in scharfem Gegensatz zu denjenigen Kräften stehen, welche Stein¬ oder Braunkohle verzehren und dadurch nach und nach notwendig unsere natürlichen Heizvorräte erschöpfen, und es mag betont werden, daß die Ver¬ teuerung gegenüber der durch Kohle gewonnenen Energie wegfällt, sobald die Tilgung des Anlagekapitals für Wasscrkraftanlagen beendigt ist, weil dann bloß noch die relativ geringen Kosten für ihre Verwaltung und Unterhaltung in Frage kommen, während bei der Dampfkraft auch nach Tilgung der dann steckenden Kapitalien, die Kosten für die Kraftquelle, die Kohle, dauernd be¬ stehen bleiben. Endlich ist der Verbrauch von Felder und Ölen bei den mit Dampfkraft arbeitetenden Anlagen mindestens fünfzigmal größer, als bei Wasserkraftanlagen, ein Umstand, der bei der jetzigen und auch nach dem Kriege gewiß noch lange anhaltenden Knappheit an Felder aller Art, sehr in die Wagschale fällt. Von der Verminderung der Rauchplage und anderen Vor¬ teilen des Wasserkraftbetriebes wollen wir ganz schweigen. Man sollte nun meinen, daß Deutschland, das ja sonst auf wirtschaftlichen und technischen Gebieten andern Ländern vorangeht, auch im Ausbau der Wasserkräfte an der Spitze marschieren müßte, aber diese Vermutung trifft leider, wie wir gleich näher auseinandersetzen werden, durchaus nicht zu. Ob¬ wohl Deutschland in seinen Wasserkräften seine dauerhaftesten Naturschätze besitzt, die ohne allen Zweifel berufen sein werden, bei der Selbstversorgung des Staates eine sehr bedeutsame Rolle zu spielen, ist uns das Ausland im Ausbau der Wasserkräfte weit vorangeeilt. Frankreich hat, wie aus den Ver¬ öffentlichungen des französischen Wirtschaftsverbandes, welcher unmittelbar vor dem Ausbruch des Krieges in Lyon tagte, nahezu 500 000 ?3. hauptsächlich für elektrochemische Zwecke eingerichtet, Italien hat allein in den Jahren 1904-1909 525 000 ?3. konzessioniert und seitdem weitere 600 000 ?S. Wasserkräfte erschlossen, die Schweiz hat 500 000 ?3. installiert. In Norwegen waren im Jahre 1914 306 Wasserkraftwerke im Betrieb mit einer Leistung von 400 000 Kilowattstunden ^ 544 000 ?3., welche ein Kapitalwert von 3 Milliarden Kronen repräsentieren, wenn man die Einkünfte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330971/341>, abgerufen am 23.07.2024.