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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr.

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Die deutschen Einwanderungen in Siebenbürgen

stimmte Eigenarten der Burg, z. B. das Vorhandensein eines langen gemauerten,
über steinerne Torbogen hinführenden Verteidigungsganges außerhalb des eigent¬
lichen Burgvierecks, der sich sonst nur bei syrischen Burgen der Deutschen Ritter
und vor allem bei der Marienburg in Ostpreußen vorfindet, erhärten noch diese
Annahme. Übrigens heißt heute noch der ganze Distrikt und seine Haupstadt
Neamtu, d. i. der Deutsche. Die zahlreichen Orts- und Flußnamen dieser
Gegend, die entweder das Wörtchen "sag" ("Sachse") oder neant ("Deutscher")
enthalten, z. B. Scisca, Sasesci, Sasisoara, Sasoul, Nemtisor usw.. zeigen
uns zudem, wie ausgebreitet die hierher verpflanzte sächsische Kolonie einst ge¬
wesen sein muß. Leider hatte sie unter den Unbilden der Folgezeit nicht so
dauernden Bestand wie die Burzenländer Siedelungen, die sich bis auf diesen
Tag deutsch erhalten haben.

Zweifellos haben bereits jetzt die Deutschen Ritter begonnen, auch ihre im
Burzenland errichteten Befestigungen in Steinburgen umzuwandeln. Es war
dies durchaus notwendig, wenn sie wirklichen Schutz gegen die feindlichen An¬
griffe bieten sollten; denn abgesehen von allen anderen Mängeln waren die
Pfahlbauten gegen Brandpfeile, die der Feind gewöhnlich verwendete, wehrlos.
So entstanden jene schönen, von den Bergeshöhen weit ins Land hinauslugenden
Burgen, deren Trümmer zum Teil heute noch eine Sehenswürdigkeit des an Natur¬
schönheiten so außerordentlich reizvollen Burzenlandes bilden, so die Marienburg
bei der gleichnamigen Ortschaft im Norden von Kronstäbe, die Brassoviaburg auf
dem Kapellenberge bei Kronstäbe, die freilich bis auf geringe Reste abgetragen
wurde; ferner die Kreuzburg bei Tartlau, die Rosenauer- und die Törzburg.

Dies selbstherrliche Vorgehen der Ritter erweckte die Eifersucht und die
Besorgnis Andreas des Zweiten. -- Es kam zu langwierigen Verhandlungen
und erst unter dem Druck beunruhigender Nachrichten von einem bevorstehenden
Angriff der heranziehenden Tataren kam es zur Versöhnung: Andreas der Zweite
bestätigte den Ordensmagister Hermann und seine Ritter nicht nur in ihrem bis¬
herigen Besitztum, sondern er schenkte ihnen außerdem noch alles Land bis zur
Grenze der Brodniker (zwischen Seret und Prut wohnender slawischer Be¬
völkerung) und bis zur Donau! Zugleich erteilte er ihnen die Erlaubnis, in'
dem ganzen Ordensgebiete steinerne Burgen (früher sprach er immer von
"hölzernen") zu errichten und Städte zu gründen. Auch sollten sie das Recht
freien Durchgangs durch das SMerland im Osten Siebenbürgens und durch
die "tsi-ra, Llacorum" (^ das "walachische Land") besitzen. Allerdings erließ
Andreas gleichzeitig den Befehl, daß künftig niemand von seinen "Untertanen
oder Gästen" ins Ordensgebiet auswandern dürfe; die Ritter sollten Zuwider¬
handelnde ihm ausliefern.

Damit war der Deutsche Orden im diplomatischen Kampf mit Andreas
dem Zweiten Sieger geblieben. Zwar erhielt er sein Gebiet auch jetzt als
Lehen aus des Königs Hand, doch er hatte zugleich durch diese Einsetzungs-
urkunde vom Jahre 1222 so große Selbständigkeit errungen, daß es nur


Die deutschen Einwanderungen in Siebenbürgen

stimmte Eigenarten der Burg, z. B. das Vorhandensein eines langen gemauerten,
über steinerne Torbogen hinführenden Verteidigungsganges außerhalb des eigent¬
lichen Burgvierecks, der sich sonst nur bei syrischen Burgen der Deutschen Ritter
und vor allem bei der Marienburg in Ostpreußen vorfindet, erhärten noch diese
Annahme. Übrigens heißt heute noch der ganze Distrikt und seine Haupstadt
Neamtu, d. i. der Deutsche. Die zahlreichen Orts- und Flußnamen dieser
Gegend, die entweder das Wörtchen „sag" („Sachse") oder neant („Deutscher")
enthalten, z. B. Scisca, Sasesci, Sasisoara, Sasoul, Nemtisor usw.. zeigen
uns zudem, wie ausgebreitet die hierher verpflanzte sächsische Kolonie einst ge¬
wesen sein muß. Leider hatte sie unter den Unbilden der Folgezeit nicht so
dauernden Bestand wie die Burzenländer Siedelungen, die sich bis auf diesen
Tag deutsch erhalten haben.

Zweifellos haben bereits jetzt die Deutschen Ritter begonnen, auch ihre im
Burzenland errichteten Befestigungen in Steinburgen umzuwandeln. Es war
dies durchaus notwendig, wenn sie wirklichen Schutz gegen die feindlichen An¬
griffe bieten sollten; denn abgesehen von allen anderen Mängeln waren die
Pfahlbauten gegen Brandpfeile, die der Feind gewöhnlich verwendete, wehrlos.
So entstanden jene schönen, von den Bergeshöhen weit ins Land hinauslugenden
Burgen, deren Trümmer zum Teil heute noch eine Sehenswürdigkeit des an Natur¬
schönheiten so außerordentlich reizvollen Burzenlandes bilden, so die Marienburg
bei der gleichnamigen Ortschaft im Norden von Kronstäbe, die Brassoviaburg auf
dem Kapellenberge bei Kronstäbe, die freilich bis auf geringe Reste abgetragen
wurde; ferner die Kreuzburg bei Tartlau, die Rosenauer- und die Törzburg.

Dies selbstherrliche Vorgehen der Ritter erweckte die Eifersucht und die
Besorgnis Andreas des Zweiten. — Es kam zu langwierigen Verhandlungen
und erst unter dem Druck beunruhigender Nachrichten von einem bevorstehenden
Angriff der heranziehenden Tataren kam es zur Versöhnung: Andreas der Zweite
bestätigte den Ordensmagister Hermann und seine Ritter nicht nur in ihrem bis¬
herigen Besitztum, sondern er schenkte ihnen außerdem noch alles Land bis zur
Grenze der Brodniker (zwischen Seret und Prut wohnender slawischer Be¬
völkerung) und bis zur Donau! Zugleich erteilte er ihnen die Erlaubnis, in'
dem ganzen Ordensgebiete steinerne Burgen (früher sprach er immer von
„hölzernen") zu errichten und Städte zu gründen. Auch sollten sie das Recht
freien Durchgangs durch das SMerland im Osten Siebenbürgens und durch
die „tsi-ra, Llacorum" (^ das „walachische Land") besitzen. Allerdings erließ
Andreas gleichzeitig den Befehl, daß künftig niemand von seinen „Untertanen
oder Gästen" ins Ordensgebiet auswandern dürfe; die Ritter sollten Zuwider¬
handelnde ihm ausliefern.

Damit war der Deutsche Orden im diplomatischen Kampf mit Andreas
dem Zweiten Sieger geblieben. Zwar erhielt er sein Gebiet auch jetzt als
Lehen aus des Königs Hand, doch er hatte zugleich durch diese Einsetzungs-
urkunde vom Jahre 1222 so große Selbständigkeit errungen, daß es nur


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[0321] Die deutschen Einwanderungen in Siebenbürgen stimmte Eigenarten der Burg, z. B. das Vorhandensein eines langen gemauerten, über steinerne Torbogen hinführenden Verteidigungsganges außerhalb des eigent¬ lichen Burgvierecks, der sich sonst nur bei syrischen Burgen der Deutschen Ritter und vor allem bei der Marienburg in Ostpreußen vorfindet, erhärten noch diese Annahme. Übrigens heißt heute noch der ganze Distrikt und seine Haupstadt Neamtu, d. i. der Deutsche. Die zahlreichen Orts- und Flußnamen dieser Gegend, die entweder das Wörtchen „sag" („Sachse") oder neant („Deutscher") enthalten, z. B. Scisca, Sasesci, Sasisoara, Sasoul, Nemtisor usw.. zeigen uns zudem, wie ausgebreitet die hierher verpflanzte sächsische Kolonie einst ge¬ wesen sein muß. Leider hatte sie unter den Unbilden der Folgezeit nicht so dauernden Bestand wie die Burzenländer Siedelungen, die sich bis auf diesen Tag deutsch erhalten haben. Zweifellos haben bereits jetzt die Deutschen Ritter begonnen, auch ihre im Burzenland errichteten Befestigungen in Steinburgen umzuwandeln. Es war dies durchaus notwendig, wenn sie wirklichen Schutz gegen die feindlichen An¬ griffe bieten sollten; denn abgesehen von allen anderen Mängeln waren die Pfahlbauten gegen Brandpfeile, die der Feind gewöhnlich verwendete, wehrlos. So entstanden jene schönen, von den Bergeshöhen weit ins Land hinauslugenden Burgen, deren Trümmer zum Teil heute noch eine Sehenswürdigkeit des an Natur¬ schönheiten so außerordentlich reizvollen Burzenlandes bilden, so die Marienburg bei der gleichnamigen Ortschaft im Norden von Kronstäbe, die Brassoviaburg auf dem Kapellenberge bei Kronstäbe, die freilich bis auf geringe Reste abgetragen wurde; ferner die Kreuzburg bei Tartlau, die Rosenauer- und die Törzburg. Dies selbstherrliche Vorgehen der Ritter erweckte die Eifersucht und die Besorgnis Andreas des Zweiten. — Es kam zu langwierigen Verhandlungen und erst unter dem Druck beunruhigender Nachrichten von einem bevorstehenden Angriff der heranziehenden Tataren kam es zur Versöhnung: Andreas der Zweite bestätigte den Ordensmagister Hermann und seine Ritter nicht nur in ihrem bis¬ herigen Besitztum, sondern er schenkte ihnen außerdem noch alles Land bis zur Grenze der Brodniker (zwischen Seret und Prut wohnender slawischer Be¬ völkerung) und bis zur Donau! Zugleich erteilte er ihnen die Erlaubnis, in' dem ganzen Ordensgebiete steinerne Burgen (früher sprach er immer von „hölzernen") zu errichten und Städte zu gründen. Auch sollten sie das Recht freien Durchgangs durch das SMerland im Osten Siebenbürgens und durch die „tsi-ra, Llacorum" (^ das „walachische Land") besitzen. Allerdings erließ Andreas gleichzeitig den Befehl, daß künftig niemand von seinen „Untertanen oder Gästen" ins Ordensgebiet auswandern dürfe; die Ritter sollten Zuwider¬ handelnde ihm ausliefern. Damit war der Deutsche Orden im diplomatischen Kampf mit Andreas dem Zweiten Sieger geblieben. Zwar erhielt er sein Gebiet auch jetzt als Lehen aus des Königs Hand, doch er hatte zugleich durch diese Einsetzungs- urkunde vom Jahre 1222 so große Selbständigkeit errungen, daß es nur

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330971/321>, abgerufen am 23.07.2024.