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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr.

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Palästina und unsere Feinde

nesung, und während des Burenkrieges zirkulierte unter ihnen ein besonderes
Gebet für einen Sieg Englands. Auch der Aufschwung des englischen Handels
in Palästina ist ein Werk der Juden.

Nicht minder weiß aber England die arabisch eingeborene Bevölkerung für
sich zu gewinnen. Die auf die Loslösung vom Osmanenreich oder wenigstens
auf Zusicherung gewichtiger Konzessionen gerichteten Bestrebungen der Araber,
die mehr und mehr auch nach Palästina übergriffen, wo es in den letzten Jahren
zu blutigen Erhebungen der ostjordanischen Beduinen um Maar und Kerak kam,
haben bei dem Gebieter des benachbarten Ägypten mit seiner arabischen Be¬
völkerung nur freudigen Widerhall gefunden, bedeutet ihre Verwirklichung doch
die Errichtung eines unter englischem Protektorat stehenden arabischen Kalifates
in Mekka. So empfing nach der Niederschlagung des Drusenaufstandes im
Jahre 1911 die Führer desselben Lord Kitchener, der ungekrönte König Ägyptens,
in öffentlicher Audienz, und gleich nach Beginn des Tripoliskrieges tauchten in
den Grenzorten Palästinas zahlreiche ägyptische Spione und Emissäre auf. die
für ein unter ägyptischer, also englischer Führung stehendes arabisches Kalifat
zu wirken suchten.

Doch Englands Palästinapolitik ist schließlich doch nur von der Errichtung
eines britisch-into-afrikanischen Weltreiches aus verständlich. Gewaltige Fort¬
schritte hat es zu seinem Aufbau in den letzten Jahren vor dem Kriege gemacht,
so vor allem durch die Dreiteilung Persiens. Eine direkte Beeinträchtigung
seiner Interessen hatte es nur noch von der Türkei zu fürchten und zwar, da
dieselbe sonst völlig von der englischen Macht umschlossen ist, durch einen
etwaigen Aufmarsch türkischer Truppen an der ägyptisch-palästinensischen Grenze
und einem Vormarsch gegen Ägypten und den Suezkanal,, um so den
britischen Löwen an seiner verwundbarsten Stelle zu treffen. So wurde auch
in den letzten Jahren die Sinaiprooinz der ägyptischen Landesverwaltung ent¬
zogen und als MilitärgeSiet direkt dem englischen Oberbefehlshaber des ägypti¬
schen Heeres unterstellt, um einer vordringenden türkischen Armee vor dem
Kanal ein kampsbereites Heer entgegenstellen zu können. Der Weltkrieg mit dem
türkischen Operationsgebiet auf der von den englischen Truppen geräumten
Sinaihalbinsel wie ihren Kämpfen am Kanal haben der englischen Palästina¬
politik Recht gegeben.

So hatten denn unsere Feinde mit Ausnahme von Italien, das keine
nennenswerten politischen Interessen in Palästina hat. einen nachhaltigen Einfluß
auf die Zukunft dieser einzigartigen türkischen Provinz erlangt, der in stetem
Wachsen begriffen war und eventuell zu einer Katastrophe hätte führen können,
die Türkei selber aber konnte aus Mangel an Machtmitteln dieser Räuberpolitik
ihrer jetzigen Feinde keinen Einhalt tun. Der Krieg hat mit einem Schlage
eine völlig veränderte Situation geschaffen: Palästina ist wie mit eisernem
Besen von seinen vermeintlichen Freunden befreit worden. Schon bei Beginn
des Weltkrieges, noch vor dem Eintritt der Türkei in ihn, reisten die


Palästina und unsere Feinde

nesung, und während des Burenkrieges zirkulierte unter ihnen ein besonderes
Gebet für einen Sieg Englands. Auch der Aufschwung des englischen Handels
in Palästina ist ein Werk der Juden.

Nicht minder weiß aber England die arabisch eingeborene Bevölkerung für
sich zu gewinnen. Die auf die Loslösung vom Osmanenreich oder wenigstens
auf Zusicherung gewichtiger Konzessionen gerichteten Bestrebungen der Araber,
die mehr und mehr auch nach Palästina übergriffen, wo es in den letzten Jahren
zu blutigen Erhebungen der ostjordanischen Beduinen um Maar und Kerak kam,
haben bei dem Gebieter des benachbarten Ägypten mit seiner arabischen Be¬
völkerung nur freudigen Widerhall gefunden, bedeutet ihre Verwirklichung doch
die Errichtung eines unter englischem Protektorat stehenden arabischen Kalifates
in Mekka. So empfing nach der Niederschlagung des Drusenaufstandes im
Jahre 1911 die Führer desselben Lord Kitchener, der ungekrönte König Ägyptens,
in öffentlicher Audienz, und gleich nach Beginn des Tripoliskrieges tauchten in
den Grenzorten Palästinas zahlreiche ägyptische Spione und Emissäre auf. die
für ein unter ägyptischer, also englischer Führung stehendes arabisches Kalifat
zu wirken suchten.

Doch Englands Palästinapolitik ist schließlich doch nur von der Errichtung
eines britisch-into-afrikanischen Weltreiches aus verständlich. Gewaltige Fort¬
schritte hat es zu seinem Aufbau in den letzten Jahren vor dem Kriege gemacht,
so vor allem durch die Dreiteilung Persiens. Eine direkte Beeinträchtigung
seiner Interessen hatte es nur noch von der Türkei zu fürchten und zwar, da
dieselbe sonst völlig von der englischen Macht umschlossen ist, durch einen
etwaigen Aufmarsch türkischer Truppen an der ägyptisch-palästinensischen Grenze
und einem Vormarsch gegen Ägypten und den Suezkanal,, um so den
britischen Löwen an seiner verwundbarsten Stelle zu treffen. So wurde auch
in den letzten Jahren die Sinaiprooinz der ägyptischen Landesverwaltung ent¬
zogen und als MilitärgeSiet direkt dem englischen Oberbefehlshaber des ägypti¬
schen Heeres unterstellt, um einer vordringenden türkischen Armee vor dem
Kanal ein kampsbereites Heer entgegenstellen zu können. Der Weltkrieg mit dem
türkischen Operationsgebiet auf der von den englischen Truppen geräumten
Sinaihalbinsel wie ihren Kämpfen am Kanal haben der englischen Palästina¬
politik Recht gegeben.

So hatten denn unsere Feinde mit Ausnahme von Italien, das keine
nennenswerten politischen Interessen in Palästina hat. einen nachhaltigen Einfluß
auf die Zukunft dieser einzigartigen türkischen Provinz erlangt, der in stetem
Wachsen begriffen war und eventuell zu einer Katastrophe hätte führen können,
die Türkei selber aber konnte aus Mangel an Machtmitteln dieser Räuberpolitik
ihrer jetzigen Feinde keinen Einhalt tun. Der Krieg hat mit einem Schlage
eine völlig veränderte Situation geschaffen: Palästina ist wie mit eisernem
Besen von seinen vermeintlichen Freunden befreit worden. Schon bei Beginn
des Weltkrieges, noch vor dem Eintritt der Türkei in ihn, reisten die


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[0243] Palästina und unsere Feinde nesung, und während des Burenkrieges zirkulierte unter ihnen ein besonderes Gebet für einen Sieg Englands. Auch der Aufschwung des englischen Handels in Palästina ist ein Werk der Juden. Nicht minder weiß aber England die arabisch eingeborene Bevölkerung für sich zu gewinnen. Die auf die Loslösung vom Osmanenreich oder wenigstens auf Zusicherung gewichtiger Konzessionen gerichteten Bestrebungen der Araber, die mehr und mehr auch nach Palästina übergriffen, wo es in den letzten Jahren zu blutigen Erhebungen der ostjordanischen Beduinen um Maar und Kerak kam, haben bei dem Gebieter des benachbarten Ägypten mit seiner arabischen Be¬ völkerung nur freudigen Widerhall gefunden, bedeutet ihre Verwirklichung doch die Errichtung eines unter englischem Protektorat stehenden arabischen Kalifates in Mekka. So empfing nach der Niederschlagung des Drusenaufstandes im Jahre 1911 die Führer desselben Lord Kitchener, der ungekrönte König Ägyptens, in öffentlicher Audienz, und gleich nach Beginn des Tripoliskrieges tauchten in den Grenzorten Palästinas zahlreiche ägyptische Spione und Emissäre auf. die für ein unter ägyptischer, also englischer Führung stehendes arabisches Kalifat zu wirken suchten. Doch Englands Palästinapolitik ist schließlich doch nur von der Errichtung eines britisch-into-afrikanischen Weltreiches aus verständlich. Gewaltige Fort¬ schritte hat es zu seinem Aufbau in den letzten Jahren vor dem Kriege gemacht, so vor allem durch die Dreiteilung Persiens. Eine direkte Beeinträchtigung seiner Interessen hatte es nur noch von der Türkei zu fürchten und zwar, da dieselbe sonst völlig von der englischen Macht umschlossen ist, durch einen etwaigen Aufmarsch türkischer Truppen an der ägyptisch-palästinensischen Grenze und einem Vormarsch gegen Ägypten und den Suezkanal,, um so den britischen Löwen an seiner verwundbarsten Stelle zu treffen. So wurde auch in den letzten Jahren die Sinaiprooinz der ägyptischen Landesverwaltung ent¬ zogen und als MilitärgeSiet direkt dem englischen Oberbefehlshaber des ägypti¬ schen Heeres unterstellt, um einer vordringenden türkischen Armee vor dem Kanal ein kampsbereites Heer entgegenstellen zu können. Der Weltkrieg mit dem türkischen Operationsgebiet auf der von den englischen Truppen geräumten Sinaihalbinsel wie ihren Kämpfen am Kanal haben der englischen Palästina¬ politik Recht gegeben. So hatten denn unsere Feinde mit Ausnahme von Italien, das keine nennenswerten politischen Interessen in Palästina hat. einen nachhaltigen Einfluß auf die Zukunft dieser einzigartigen türkischen Provinz erlangt, der in stetem Wachsen begriffen war und eventuell zu einer Katastrophe hätte führen können, die Türkei selber aber konnte aus Mangel an Machtmitteln dieser Räuberpolitik ihrer jetzigen Feinde keinen Einhalt tun. Der Krieg hat mit einem Schlage eine völlig veränderte Situation geschaffen: Palästina ist wie mit eisernem Besen von seinen vermeintlichen Freunden befreit worden. Schon bei Beginn des Weltkrieges, noch vor dem Eintritt der Türkei in ihn, reisten die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330971/243>, abgerufen am 23.07.2024.