Franz Atem I)r. Uarl-Ludwig Schimmelbusch von Gerichtsassessor
le Wiederernennung Kleins zum österreichischen Justizminister wird weit über die schwarz-gelben Grenzpfähle hinaus freudigen Beifall finden; hat doch das Schaffen dieses glänzendsten lebenden Ver¬ treters der österreichischen Jurisprudenz, der nicht nur eine Zierde seines Vaterlandes, sondern einer der strahlendsten Geister der deutschen Rechtswissenschaft überhaupt ist, vorbildgebend und befruchtend auf Gesetzgebung und Wissenschaft vieler europäischen Staaten gewirkt.
Die Größe der römischen Juristen wird damit begründet, daß sie auch Staatsmänner waren. Ein solcher ist auch der erlauchte Neuschöpfer des öster¬ reichischen Zivilprozesses. Aus dem Boden hervorgegangen, auf dem die ge¬ feierten Denker der Sozialreform, ein Steinbach, ein Anton Menger, gewirkt haben, erkannte er in anwaltlicher Tätigkeit den Rechtsstreit als ein "Fall sozialer Not"; durch den beständigen Anblick des ebenso juristisch hochentwickelten, wie schwerfälligen und unfruchtbaren alten österreichischen Verfahrens richtete sich sein Sinn auf die Grundfrage, was denn der Rechtsstreit überhaupt bezweckt. Und er, der das Augenmaß für die Dinge hat wie selten einer und dem der Geist der Geschichte die Gedanken lenkt, erkannte: "Der Prozeß ist ein Glied des Kräfteparallelogramms unserer Volkswirtschaft geworden, aus seiner abstrakten Höhe herabgestiegen in die hastende Atemlosigkeit von Handel und Wandel, auf allen Seiten umspült von finanziellen Kalkulationen. Er ist für den Geschäfts¬ mann eine Tagesfrage, die bald von anderen Tagesfragen verdrängt werden wird." In der Schrift "pro kuturo" veröffentlichte er als Privatdozent in Wien Betrachtungen über die Probleme der Prozeßreform. In den nächsten zwei Jahren veröffentlichte er Entwürfe zu Prozeßgesetzen; schon 1893 gingen sie dem Parlament zu und 1895 wurden sie Gesetz.
Klein, inzwischen zum ordentlichen Professor und alsbald zum Sektionschef im Justizministerium ernannt, wurde 1901 Justizminister.
Kaum sah Klein die Durchführung der Prozeßgesetze gesichert, als er sich zahlreichen weiteren gesetzgeberischen Problemen zuwandte. Vor allem waren es einige der wichtigsten Gebiete des Wirtschaftslebens, denen sein schöpferischer Geist neue Bahnen wies. Dem neuen Scheckgesetz, den Gesetzen für das land¬ wirtschaftliche Entschuldungswesen, die G. in. b. H., die Jugendfürsorge und das Jugendstrafrecht hat er die Züge seines Geistes aufgeprägt. Er war es auch,
Franz Atem I)r. Uarl-Ludwig Schimmelbusch von Gerichtsassessor
le Wiederernennung Kleins zum österreichischen Justizminister wird weit über die schwarz-gelben Grenzpfähle hinaus freudigen Beifall finden; hat doch das Schaffen dieses glänzendsten lebenden Ver¬ treters der österreichischen Jurisprudenz, der nicht nur eine Zierde seines Vaterlandes, sondern einer der strahlendsten Geister der deutschen Rechtswissenschaft überhaupt ist, vorbildgebend und befruchtend auf Gesetzgebung und Wissenschaft vieler europäischen Staaten gewirkt.
Die Größe der römischen Juristen wird damit begründet, daß sie auch Staatsmänner waren. Ein solcher ist auch der erlauchte Neuschöpfer des öster¬ reichischen Zivilprozesses. Aus dem Boden hervorgegangen, auf dem die ge¬ feierten Denker der Sozialreform, ein Steinbach, ein Anton Menger, gewirkt haben, erkannte er in anwaltlicher Tätigkeit den Rechtsstreit als ein „Fall sozialer Not"; durch den beständigen Anblick des ebenso juristisch hochentwickelten, wie schwerfälligen und unfruchtbaren alten österreichischen Verfahrens richtete sich sein Sinn auf die Grundfrage, was denn der Rechtsstreit überhaupt bezweckt. Und er, der das Augenmaß für die Dinge hat wie selten einer und dem der Geist der Geschichte die Gedanken lenkt, erkannte: „Der Prozeß ist ein Glied des Kräfteparallelogramms unserer Volkswirtschaft geworden, aus seiner abstrakten Höhe herabgestiegen in die hastende Atemlosigkeit von Handel und Wandel, auf allen Seiten umspült von finanziellen Kalkulationen. Er ist für den Geschäfts¬ mann eine Tagesfrage, die bald von anderen Tagesfragen verdrängt werden wird." In der Schrift „pro kuturo" veröffentlichte er als Privatdozent in Wien Betrachtungen über die Probleme der Prozeßreform. In den nächsten zwei Jahren veröffentlichte er Entwürfe zu Prozeßgesetzen; schon 1893 gingen sie dem Parlament zu und 1895 wurden sie Gesetz.
Klein, inzwischen zum ordentlichen Professor und alsbald zum Sektionschef im Justizministerium ernannt, wurde 1901 Justizminister.
Kaum sah Klein die Durchführung der Prozeßgesetze gesichert, als er sich zahlreichen weiteren gesetzgeberischen Problemen zuwandte. Vor allem waren es einige der wichtigsten Gebiete des Wirtschaftslebens, denen sein schöpferischer Geist neue Bahnen wies. Dem neuen Scheckgesetz, den Gesetzen für das land¬ wirtschaftliche Entschuldungswesen, die G. in. b. H., die Jugendfürsorge und das Jugendstrafrecht hat er die Züge seines Geistes aufgeprägt. Er war es auch,
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I)r. Uarl-Ludwig Schimmelbusch von Gerichtsassessor
le Wiederernennung Kleins zum österreichischen Justizminister wird
weit über die schwarz-gelben Grenzpfähle hinaus freudigen Beifall
finden; hat doch das Schaffen dieses glänzendsten lebenden Ver¬
treters der österreichischen Jurisprudenz, der nicht nur eine Zierde
seines Vaterlandes, sondern einer der strahlendsten Geister der
deutschen Rechtswissenschaft überhaupt ist, vorbildgebend und befruchtend auf
Gesetzgebung und Wissenschaft vieler europäischen Staaten gewirkt.
Die Größe der römischen Juristen wird damit begründet, daß sie auch
Staatsmänner waren. Ein solcher ist auch der erlauchte Neuschöpfer des öster¬
reichischen Zivilprozesses. Aus dem Boden hervorgegangen, auf dem die ge¬
feierten Denker der Sozialreform, ein Steinbach, ein Anton Menger, gewirkt
haben, erkannte er in anwaltlicher Tätigkeit den Rechtsstreit als ein „Fall sozialer
Not"; durch den beständigen Anblick des ebenso juristisch hochentwickelten, wie
schwerfälligen und unfruchtbaren alten österreichischen Verfahrens richtete sich sein
Sinn auf die Grundfrage, was denn der Rechtsstreit überhaupt bezweckt. Und
er, der das Augenmaß für die Dinge hat wie selten einer und dem der Geist
der Geschichte die Gedanken lenkt, erkannte: „Der Prozeß ist ein Glied des
Kräfteparallelogramms unserer Volkswirtschaft geworden, aus seiner abstrakten
Höhe herabgestiegen in die hastende Atemlosigkeit von Handel und Wandel, auf
allen Seiten umspült von finanziellen Kalkulationen. Er ist für den Geschäfts¬
mann eine Tagesfrage, die bald von anderen Tagesfragen verdrängt werden
wird." In der Schrift „pro kuturo" veröffentlichte er als Privatdozent in
Wien Betrachtungen über die Probleme der Prozeßreform. In den nächsten
zwei Jahren veröffentlichte er Entwürfe zu Prozeßgesetzen; schon 1893 gingen
sie dem Parlament zu und 1895 wurden sie Gesetz.
Klein, inzwischen zum ordentlichen Professor und alsbald zum Sektionschef
im Justizministerium ernannt, wurde 1901 Justizminister.
Kaum sah Klein die Durchführung der Prozeßgesetze gesichert, als er sich
zahlreichen weiteren gesetzgeberischen Problemen zuwandte. Vor allem waren
es einige der wichtigsten Gebiete des Wirtschaftslebens, denen sein schöpferischer
Geist neue Bahnen wies. Dem neuen Scheckgesetz, den Gesetzen für das land¬
wirtschaftliche Entschuldungswesen, die G. in. b. H., die Jugendfürsorge und das
Jugendstrafrecht hat er die Züge seines Geistes aufgeprägt. Er war es auch,
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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330971/235>, abgerufen am 25.01.2025.
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