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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

man als Referent die Pflicht, für diese Gabe
eines frommen, milden, allem Radikalismus
abholden Geistes zu danken und der Laufbahn
dieses bedeutsamen Buches ein reiches Maß
von Sonnenschein zu wünschen.

Heinrich Reuß
Tagesfragen

Kalenderreform. Als in: Jahre 32ö das
Konzil von Nicäa anordnete: Das Osterfest
sei am Sonntage nach dem ersten Frühlings-
vollmonde zu feiern, gab es noch keine
Schulen mit streng abgemessenem Pensum,
noch leine Konfirmandenentlassungen und
Antritt in die Lehre oder in die Fabrik
oder ins Buro. Heute machen sich die üblen
Wirkungen des beweglichen Ostertermins so
empfindlich bemerkbar, daß es nicht nötig
ist, dabei zu verweilen; nur der Verwunde¬
rung darüber muß man immer wieder aufs
neue Ausdruck geben, daß sich die Christen¬
heit diesen unzweckmäßigen Ostertermin bis
in unsere höchst exakte Zeit hinein hat ge¬
fallen lassen. Von den Verhandlungen, die
vor ein Paar Jahren darüber gepflogen
wurden, ist es wieder still geworden. Jetzt
hat aber die türkische Regierung beschlossen,
für den weltlichen Verkehr den gregoriani¬
schen Kalender einzuführen, und da meint
nun der Professor Dr. Georg Kewitsch in
Freiburg i. B. ("Wissenschaft und Technik",
Beilage zur Astronomischen Zeitschrift vom
29. April), das verschaffte die erwünschte
Gelegenheit, endlich einmal mit der Kalender¬
reform ganze Arbeit zu machen. Die Türkei
solle den gregorianischen Kalender nicht an¬
nehmen wie er ist, sondern seine Mängel
beseitigen, und alle übrigen Staaten sollten
sich anschließen. Unserem Kalender hafteten
nämlich außer dem beweglichen Ostertermine
noch zwei andere Mängel an: Die Zahl der
Monatstage wechselt unregelmäßig und will¬

[Spaltenumbruch]

kürlich, und die Monatsdaten fallen jedes
Jahr auf einen anderen Wochentag; das
zweite sei, besonders bei Zeugenaussagen,
eine Quelle von Irrtümern, denn für den
gemeinen Mann habe der Wochentagsname
größere Bedeutung als das Datum und
Präge sich darum tiefer dem Gedächtnis ein.
Dr. Kewitsch schlägt folgendes vor: Das
Jahr hat 365 Tage, das sind 52 Wochen
und ein Tag. Soll das Datum nicht im
nächsten Jahre auf den folgenden Wochentag
rücken, so muß der überzählige Tag ausge¬
schaltet werden. Er wird als Neujahrstag
gefeiert und erhält die Ziffer Null (0). Ihm
folgt der Montag als erster Januar. Der
Januar bekommt 30 Tage, der Februar
ebenfalls, der März 31; das macht 9 t Tage
oder 13 Wochen. Ebenso werden die übrigen
drei Vierteljahre aufgebaut. Im Schalt¬
jahre wird der zweite überzählige Tag mit
der Datumszahl 0 zwischen dem zweiten
und dem dritten Vierteljahr, also vor dem
Beginn des zweiten Halbjahres am 1. Juli,
eingeschaltet. Ein durchaus praktischer Vor¬
schlag! Möchte er durchdringen I Die
evangelischen Kirchenbehörden werden sich
ohne weiteres der Anordnung des fürst¬
lichen Summepiskopats fügen, und der
gegenwärtige Papst, der schon so viele Be¬
weise erleuchteter Vorurteilslosigkeit gegeben
hat, wird mit Freuden diese internationale
Angelegenheit zur Anbahnung der Friedens¬
vermittelung benutzen, die ihm so sehr am
Herzen liegt. Wenn die Westvölker -- das
vorgregorianische Rußland wird besser aus
dem Spiele gelassen -- ihr Haß nicht ganz
um den Verstand gebracht hat, werden sie
diese unpolitische Gelegenheit gern ergreifen,
den abgerissenen politischen Verkehr, der nach
Clausewitz auch im Kriege nicht ruhen soll,
Wieder in Gang zu bringen.

Dr. Carl Zentsch [Ende Spaltensatz]


Allen Manuskripten ist Porto hinzuzufügen, da andernfalls l>el Ablehnung eine Rücksendung
nicht verbürgt werden !ann.




Nachdruck sämtlicher Aufsätze ""r mit ausdrücklicher Erlaubnis des Verlags "-stattet.
Verantwortlich: der Herausgeber Georg Cleinow in Berlin"Lichwseld-West. -- Manulttiprsendung-n und
Briefe werden erbeten unter der Adresse:
An deu Herausgeber der Grenzvotcn in Berlin-Lichtcrseldc West, Eternftrafje SS.
Fernsprecher des Herausgebers: Amt Lichterfelde 4S8, des Verlags und der Schriftleitung: Amt Li'chow VK10.
Verlag: Verlag der Grenzboten G. in. b. H. in Berlin 5 V/ 11, Tempelhofer Ufer 35 s
Druck: "Der Reichsbote" G. in. b. H. in Berlin SV/ 11, Dess-mer Straße 36/37.
Maßgebliches und Unmaßgebliches

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man als Referent die Pflicht, für diese Gabe
eines frommen, milden, allem Radikalismus
abholden Geistes zu danken und der Laufbahn
dieses bedeutsamen Buches ein reiches Maß
von Sonnenschein zu wünschen.

Heinrich Reuß
Tagesfragen

Kalenderreform. Als in: Jahre 32ö das
Konzil von Nicäa anordnete: Das Osterfest
sei am Sonntage nach dem ersten Frühlings-
vollmonde zu feiern, gab es noch keine
Schulen mit streng abgemessenem Pensum,
noch leine Konfirmandenentlassungen und
Antritt in die Lehre oder in die Fabrik
oder ins Buro. Heute machen sich die üblen
Wirkungen des beweglichen Ostertermins so
empfindlich bemerkbar, daß es nicht nötig
ist, dabei zu verweilen; nur der Verwunde¬
rung darüber muß man immer wieder aufs
neue Ausdruck geben, daß sich die Christen¬
heit diesen unzweckmäßigen Ostertermin bis
in unsere höchst exakte Zeit hinein hat ge¬
fallen lassen. Von den Verhandlungen, die
vor ein Paar Jahren darüber gepflogen
wurden, ist es wieder still geworden. Jetzt
hat aber die türkische Regierung beschlossen,
für den weltlichen Verkehr den gregoriani¬
schen Kalender einzuführen, und da meint
nun der Professor Dr. Georg Kewitsch in
Freiburg i. B. („Wissenschaft und Technik",
Beilage zur Astronomischen Zeitschrift vom
29. April), das verschaffte die erwünschte
Gelegenheit, endlich einmal mit der Kalender¬
reform ganze Arbeit zu machen. Die Türkei
solle den gregorianischen Kalender nicht an¬
nehmen wie er ist, sondern seine Mängel
beseitigen, und alle übrigen Staaten sollten
sich anschließen. Unserem Kalender hafteten
nämlich außer dem beweglichen Ostertermine
noch zwei andere Mängel an: Die Zahl der
Monatstage wechselt unregelmäßig und will¬

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kürlich, und die Monatsdaten fallen jedes
Jahr auf einen anderen Wochentag; das
zweite sei, besonders bei Zeugenaussagen,
eine Quelle von Irrtümern, denn für den
gemeinen Mann habe der Wochentagsname
größere Bedeutung als das Datum und
Präge sich darum tiefer dem Gedächtnis ein.
Dr. Kewitsch schlägt folgendes vor: Das
Jahr hat 365 Tage, das sind 52 Wochen
und ein Tag. Soll das Datum nicht im
nächsten Jahre auf den folgenden Wochentag
rücken, so muß der überzählige Tag ausge¬
schaltet werden. Er wird als Neujahrstag
gefeiert und erhält die Ziffer Null (0). Ihm
folgt der Montag als erster Januar. Der
Januar bekommt 30 Tage, der Februar
ebenfalls, der März 31; das macht 9 t Tage
oder 13 Wochen. Ebenso werden die übrigen
drei Vierteljahre aufgebaut. Im Schalt¬
jahre wird der zweite überzählige Tag mit
der Datumszahl 0 zwischen dem zweiten
und dem dritten Vierteljahr, also vor dem
Beginn des zweiten Halbjahres am 1. Juli,
eingeschaltet. Ein durchaus praktischer Vor¬
schlag! Möchte er durchdringen I Die
evangelischen Kirchenbehörden werden sich
ohne weiteres der Anordnung des fürst¬
lichen Summepiskopats fügen, und der
gegenwärtige Papst, der schon so viele Be¬
weise erleuchteter Vorurteilslosigkeit gegeben
hat, wird mit Freuden diese internationale
Angelegenheit zur Anbahnung der Friedens¬
vermittelung benutzen, die ihm so sehr am
Herzen liegt. Wenn die Westvölker — das
vorgregorianische Rußland wird besser aus
dem Spiele gelassen — ihr Haß nicht ganz
um den Verstand gebracht hat, werden sie
diese unpolitische Gelegenheit gern ergreifen,
den abgerissenen politischen Verkehr, der nach
Clausewitz auch im Kriege nicht ruhen soll,
Wieder in Gang zu bringen.

Dr. Carl Zentsch [Ende Spaltensatz]


Allen Manuskripten ist Porto hinzuzufügen, da andernfalls l>el Ablehnung eine Rücksendung
nicht verbürgt werden !ann.




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Verantwortlich: der Herausgeber Georg Cleinow in Berlin»Lichwseld-West. — Manulttiprsendung-n und
Briefe werden erbeten unter der Adresse:
An deu Herausgeber der Grenzvotcn in Berlin-Lichtcrseldc West, Eternftrafje SS.
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Verlag: Verlag der Grenzboten G. in. b. H. in Berlin 5 V/ 11, Tempelhofer Ufer 35 s
Druck: „Der Reichsbote" G. in. b. H. in Berlin SV/ 11, Dess-mer Straße 36/37.
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[0044] Maßgebliches und Unmaßgebliches man als Referent die Pflicht, für diese Gabe eines frommen, milden, allem Radikalismus abholden Geistes zu danken und der Laufbahn dieses bedeutsamen Buches ein reiches Maß von Sonnenschein zu wünschen. Heinrich Reuß Tagesfragen Kalenderreform. Als in: Jahre 32ö das Konzil von Nicäa anordnete: Das Osterfest sei am Sonntage nach dem ersten Frühlings- vollmonde zu feiern, gab es noch keine Schulen mit streng abgemessenem Pensum, noch leine Konfirmandenentlassungen und Antritt in die Lehre oder in die Fabrik oder ins Buro. Heute machen sich die üblen Wirkungen des beweglichen Ostertermins so empfindlich bemerkbar, daß es nicht nötig ist, dabei zu verweilen; nur der Verwunde¬ rung darüber muß man immer wieder aufs neue Ausdruck geben, daß sich die Christen¬ heit diesen unzweckmäßigen Ostertermin bis in unsere höchst exakte Zeit hinein hat ge¬ fallen lassen. Von den Verhandlungen, die vor ein Paar Jahren darüber gepflogen wurden, ist es wieder still geworden. Jetzt hat aber die türkische Regierung beschlossen, für den weltlichen Verkehr den gregoriani¬ schen Kalender einzuführen, und da meint nun der Professor Dr. Georg Kewitsch in Freiburg i. B. („Wissenschaft und Technik", Beilage zur Astronomischen Zeitschrift vom 29. April), das verschaffte die erwünschte Gelegenheit, endlich einmal mit der Kalender¬ reform ganze Arbeit zu machen. Die Türkei solle den gregorianischen Kalender nicht an¬ nehmen wie er ist, sondern seine Mängel beseitigen, und alle übrigen Staaten sollten sich anschließen. Unserem Kalender hafteten nämlich außer dem beweglichen Ostertermine noch zwei andere Mängel an: Die Zahl der Monatstage wechselt unregelmäßig und will¬ kürlich, und die Monatsdaten fallen jedes Jahr auf einen anderen Wochentag; das zweite sei, besonders bei Zeugenaussagen, eine Quelle von Irrtümern, denn für den gemeinen Mann habe der Wochentagsname größere Bedeutung als das Datum und Präge sich darum tiefer dem Gedächtnis ein. Dr. Kewitsch schlägt folgendes vor: Das Jahr hat 365 Tage, das sind 52 Wochen und ein Tag. Soll das Datum nicht im nächsten Jahre auf den folgenden Wochentag rücken, so muß der überzählige Tag ausge¬ schaltet werden. Er wird als Neujahrstag gefeiert und erhält die Ziffer Null (0). Ihm folgt der Montag als erster Januar. Der Januar bekommt 30 Tage, der Februar ebenfalls, der März 31; das macht 9 t Tage oder 13 Wochen. Ebenso werden die übrigen drei Vierteljahre aufgebaut. Im Schalt¬ jahre wird der zweite überzählige Tag mit der Datumszahl 0 zwischen dem zweiten und dem dritten Vierteljahr, also vor dem Beginn des zweiten Halbjahres am 1. Juli, eingeschaltet. Ein durchaus praktischer Vor¬ schlag! Möchte er durchdringen I Die evangelischen Kirchenbehörden werden sich ohne weiteres der Anordnung des fürst¬ lichen Summepiskopats fügen, und der gegenwärtige Papst, der schon so viele Be¬ weise erleuchteter Vorurteilslosigkeit gegeben hat, wird mit Freuden diese internationale Angelegenheit zur Anbahnung der Friedens¬ vermittelung benutzen, die ihm so sehr am Herzen liegt. Wenn die Westvölker — das vorgregorianische Rußland wird besser aus dem Spiele gelassen — ihr Haß nicht ganz um den Verstand gebracht hat, werden sie diese unpolitische Gelegenheit gern ergreifen, den abgerissenen politischen Verkehr, der nach Clausewitz auch im Kriege nicht ruhen soll, Wieder in Gang zu bringen. Dr. Carl Zentsch Allen Manuskripten ist Porto hinzuzufügen, da andernfalls l>el Ablehnung eine Rücksendung nicht verbürgt werden !ann. Nachdruck sämtlicher Aufsätze ««r mit ausdrücklicher Erlaubnis des Verlags „-stattet. Verantwortlich: der Herausgeber Georg Cleinow in Berlin»Lichwseld-West. — Manulttiprsendung-n und Briefe werden erbeten unter der Adresse: An deu Herausgeber der Grenzvotcn in Berlin-Lichtcrseldc West, Eternftrafje SS. Fernsprecher des Herausgebers: Amt Lichterfelde 4S8, des Verlags und der Schriftleitung: Amt Li'chow VK10. Verlag: Verlag der Grenzboten G. in. b. H. in Berlin 5 V/ 11, Tempelhofer Ufer 35 s Druck: „Der Reichsbote" G. in. b. H. in Berlin SV/ 11, Dess-mer Straße 36/37.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/44>, abgerufen am 26.06.2024.