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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr.

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Akademische Kriegsliteratur

gehender Opferwilligkeit in die Bresche sprangen und die Arbeit dort auf.
nahmen, wo ihre männlichen Kommilitonen hatten aufhören müssen.

Was die deutschen Hochschulen insgesamt für unser Volk in dieser schweren
Zeit des Weltkrieges geleistet haben, darüber fehlt uns heute noch jeder Über¬
blick, und es muß einer späteren Zusammenfassung vorbehalten bleiben, ihren
Anteil an den gewaltigen Ereignissen zu bestimmen und festzustellen, was ihre
Professoren als Politiker, Patrioten und Lehrer gewirkt und ihre sämtlichen
Angehörigen als Kriegsteilnehmer im Felde oder im Lazarett vollbracht und
durchlitten haben, wie die Daheimgebliebenen in der Verwundetenpflege und
Kricgsfürsorge, sowie auf allen Feldern sozialen Wirkens tätig gewesen sind, und
welche Steigerung das wissenschaftliche Leben durch den Krieg erfahren hat.
Berücksichtigt man allerdings die Zersplitterung der akademischen Literatur, die
Fülle von rasch verschwindenden Privatdrucken und die Sorglosigkeit, welche
gerade an den Hochschulen herrscht, wenn es gilt, Material zu ihrer Geschichte
zusammenzutragen, so fragt man sich unwillkürlich: wird es überhaupt möglich
sein, die Bedeutung unserer Hochschulen für die Volksentwicklung während des
Weltkrieges bis in alle Einzelheiten richtig darzustellen? Diese Frage muß
einstweilen unerörtert bleiben. Immerhin lohnt sich der Versuch, gewissermaßen
einen Querschnitt durch das akademische Leben der Gegenwart zu machen und
an ihm zu zeigen, welche charakteristischen Eigenschaften dem Beurteiler am deut¬
lichsten entgegentreten. Dies läßt sich ermöglichen, indem man die aus Hoch¬
schulkreisen stammende akademische Kriegsliteratur einer eingehenden Betrachtung
unterzieht und zwar besonders die in selbständigen Veröffentlichungen vor¬
liegende, welche durch die akademische und die Tagespresse nur in wenigen
Punkten verändert und ergänzt wird.

Es war erklärlich, daß die Hochschulen, deren Dozenten und Studenten
bei der Mobilmachung zu einem großen Teil nach allen Windrichtungen aus¬
einandergestoben, früher oder später in sich das Bedürfnis fühlten, mit
ihren ehemaligen Angehörigen wieder eine feste Verbindung anzuknüpfen, von
ihren Schicksalen etwas zu erfahren und ihnen von der Weiterentwicklung des
Hochschullebens zu berichten. Dieses Bedürfnis war zwar überall vorhanden,
aber nicht an allen Stellen bewirkte es selbständige Taten.

Von den Technischen Hochschulen gab nur München eine erweiterte Chronik
als Kriegsschrift heraus, welche insbesondere wertvolle Vergleiche zwischen der
Hochschulentwicklung von 1870 und der der Gegenwart zieht. Von den Gro߬
stadtuniversitäten begnügte sich Berlin damit, die zwei Rektoratsreden von
Professor von Wilamowitz-Moellendorff ins Feld zu schicken; Halle trat damit
hervor, daß es einen kurzen Gesamtbericht, bis Februar 1916 reichend, in
handlichem Format drucken und an seine draußen stehenden Angehörigen ver¬
senden ließ; in Breslau übernahm es der Verlag der "Hochschul-Rundschau",
den Kommilitonen im Felde eine inhaltlich wertvolle Sondernummer zu über¬
reichen, und die Universität Leipzig überließ es ihrem Studentenausschuß,


Akademische Kriegsliteratur

gehender Opferwilligkeit in die Bresche sprangen und die Arbeit dort auf.
nahmen, wo ihre männlichen Kommilitonen hatten aufhören müssen.

Was die deutschen Hochschulen insgesamt für unser Volk in dieser schweren
Zeit des Weltkrieges geleistet haben, darüber fehlt uns heute noch jeder Über¬
blick, und es muß einer späteren Zusammenfassung vorbehalten bleiben, ihren
Anteil an den gewaltigen Ereignissen zu bestimmen und festzustellen, was ihre
Professoren als Politiker, Patrioten und Lehrer gewirkt und ihre sämtlichen
Angehörigen als Kriegsteilnehmer im Felde oder im Lazarett vollbracht und
durchlitten haben, wie die Daheimgebliebenen in der Verwundetenpflege und
Kricgsfürsorge, sowie auf allen Feldern sozialen Wirkens tätig gewesen sind, und
welche Steigerung das wissenschaftliche Leben durch den Krieg erfahren hat.
Berücksichtigt man allerdings die Zersplitterung der akademischen Literatur, die
Fülle von rasch verschwindenden Privatdrucken und die Sorglosigkeit, welche
gerade an den Hochschulen herrscht, wenn es gilt, Material zu ihrer Geschichte
zusammenzutragen, so fragt man sich unwillkürlich: wird es überhaupt möglich
sein, die Bedeutung unserer Hochschulen für die Volksentwicklung während des
Weltkrieges bis in alle Einzelheiten richtig darzustellen? Diese Frage muß
einstweilen unerörtert bleiben. Immerhin lohnt sich der Versuch, gewissermaßen
einen Querschnitt durch das akademische Leben der Gegenwart zu machen und
an ihm zu zeigen, welche charakteristischen Eigenschaften dem Beurteiler am deut¬
lichsten entgegentreten. Dies läßt sich ermöglichen, indem man die aus Hoch¬
schulkreisen stammende akademische Kriegsliteratur einer eingehenden Betrachtung
unterzieht und zwar besonders die in selbständigen Veröffentlichungen vor¬
liegende, welche durch die akademische und die Tagespresse nur in wenigen
Punkten verändert und ergänzt wird.

Es war erklärlich, daß die Hochschulen, deren Dozenten und Studenten
bei der Mobilmachung zu einem großen Teil nach allen Windrichtungen aus¬
einandergestoben, früher oder später in sich das Bedürfnis fühlten, mit
ihren ehemaligen Angehörigen wieder eine feste Verbindung anzuknüpfen, von
ihren Schicksalen etwas zu erfahren und ihnen von der Weiterentwicklung des
Hochschullebens zu berichten. Dieses Bedürfnis war zwar überall vorhanden,
aber nicht an allen Stellen bewirkte es selbständige Taten.

Von den Technischen Hochschulen gab nur München eine erweiterte Chronik
als Kriegsschrift heraus, welche insbesondere wertvolle Vergleiche zwischen der
Hochschulentwicklung von 1870 und der der Gegenwart zieht. Von den Gro߬
stadtuniversitäten begnügte sich Berlin damit, die zwei Rektoratsreden von
Professor von Wilamowitz-Moellendorff ins Feld zu schicken; Halle trat damit
hervor, daß es einen kurzen Gesamtbericht, bis Februar 1916 reichend, in
handlichem Format drucken und an seine draußen stehenden Angehörigen ver¬
senden ließ; in Breslau übernahm es der Verlag der „Hochschul-Rundschau",
den Kommilitonen im Felde eine inhaltlich wertvolle Sondernummer zu über¬
reichen, und die Universität Leipzig überließ es ihrem Studentenausschuß,


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[0414] Akademische Kriegsliteratur gehender Opferwilligkeit in die Bresche sprangen und die Arbeit dort auf. nahmen, wo ihre männlichen Kommilitonen hatten aufhören müssen. Was die deutschen Hochschulen insgesamt für unser Volk in dieser schweren Zeit des Weltkrieges geleistet haben, darüber fehlt uns heute noch jeder Über¬ blick, und es muß einer späteren Zusammenfassung vorbehalten bleiben, ihren Anteil an den gewaltigen Ereignissen zu bestimmen und festzustellen, was ihre Professoren als Politiker, Patrioten und Lehrer gewirkt und ihre sämtlichen Angehörigen als Kriegsteilnehmer im Felde oder im Lazarett vollbracht und durchlitten haben, wie die Daheimgebliebenen in der Verwundetenpflege und Kricgsfürsorge, sowie auf allen Feldern sozialen Wirkens tätig gewesen sind, und welche Steigerung das wissenschaftliche Leben durch den Krieg erfahren hat. Berücksichtigt man allerdings die Zersplitterung der akademischen Literatur, die Fülle von rasch verschwindenden Privatdrucken und die Sorglosigkeit, welche gerade an den Hochschulen herrscht, wenn es gilt, Material zu ihrer Geschichte zusammenzutragen, so fragt man sich unwillkürlich: wird es überhaupt möglich sein, die Bedeutung unserer Hochschulen für die Volksentwicklung während des Weltkrieges bis in alle Einzelheiten richtig darzustellen? Diese Frage muß einstweilen unerörtert bleiben. Immerhin lohnt sich der Versuch, gewissermaßen einen Querschnitt durch das akademische Leben der Gegenwart zu machen und an ihm zu zeigen, welche charakteristischen Eigenschaften dem Beurteiler am deut¬ lichsten entgegentreten. Dies läßt sich ermöglichen, indem man die aus Hoch¬ schulkreisen stammende akademische Kriegsliteratur einer eingehenden Betrachtung unterzieht und zwar besonders die in selbständigen Veröffentlichungen vor¬ liegende, welche durch die akademische und die Tagespresse nur in wenigen Punkten verändert und ergänzt wird. Es war erklärlich, daß die Hochschulen, deren Dozenten und Studenten bei der Mobilmachung zu einem großen Teil nach allen Windrichtungen aus¬ einandergestoben, früher oder später in sich das Bedürfnis fühlten, mit ihren ehemaligen Angehörigen wieder eine feste Verbindung anzuknüpfen, von ihren Schicksalen etwas zu erfahren und ihnen von der Weiterentwicklung des Hochschullebens zu berichten. Dieses Bedürfnis war zwar überall vorhanden, aber nicht an allen Stellen bewirkte es selbständige Taten. Von den Technischen Hochschulen gab nur München eine erweiterte Chronik als Kriegsschrift heraus, welche insbesondere wertvolle Vergleiche zwischen der Hochschulentwicklung von 1870 und der der Gegenwart zieht. Von den Gro߬ stadtuniversitäten begnügte sich Berlin damit, die zwei Rektoratsreden von Professor von Wilamowitz-Moellendorff ins Feld zu schicken; Halle trat damit hervor, daß es einen kurzen Gesamtbericht, bis Februar 1916 reichend, in handlichem Format drucken und an seine draußen stehenden Angehörigen ver¬ senden ließ; in Breslau übernahm es der Verlag der „Hochschul-Rundschau", den Kommilitonen im Felde eine inhaltlich wertvolle Sondernummer zu über¬ reichen, und die Universität Leipzig überließ es ihrem Studentenausschuß,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/414>, abgerufen am 23.07.2024.