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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr.

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Außenpolitisches aus Rußland

ach den letzten Nachrichten, die aus Rußland eingetroffen sind
-- durch die Tätigkeit unserer Unterseeboote im Bodenlöcher
Meerbusen ist der Postverkehr zwischen Rußland und Schweden
zeitweise unterbrochen, und daher kommen die Zeitungen nur
spärlich herüber -- ist man in Rußland des Eingreifens Rumäniens
in der letzten Zeit ziemlich sicher gewesen. Es scheint, daß Stürmer sich vor¬
genommen hatte, als Außenminister hier seine ersten Lorbeeren zu pflücken.
Er hat die feste Sprache, die ein russischer Minister im Innern zu führen
gewöhnt ist, auf das Äußere übertragen. Was die Lockungen und Anerbietungen
der Entente in Rumänien noch nicht ganz vermocht hatten, das brachte Stürmers
Hinweis auf die an der Grenze stehenden russischen Heere fertig. Rußland
hat Rumänien ein Ultimatum gestellt und von Bmtianu Aufklärung über seine
Haltung innerhalb einer bestimmten Frist verlangt. Von der Antwort in dem
einen oder dem anderen Sinne werde es abhängen, welche Haltung Rußland
in Zukunft Rumänien gegenüber einnehmen werde. "Und willst du nicht mein
Bruder sein, so schlag' ich dir den Schädel ein." Es ist nicht ausgeschlossen,
daß sich Bmtianu, der längst im Innern seiner Seele entschieden hatte, dieses
russische Ultimatum bestellt hat, um dem König und den Parteiführern gegen¬
über darauf hinweisen zu können. Jedenfalls zeigt der Vorgang, was die
kleinen Staaten, die der Entente auf Gnade und Ungnade ausgeliefert sind,
auch später von ihr zu erwarten haben. Es ist beinahe eine politische Platt¬
heit, daß Rußland aus seinem Wege nach Konstantinopel nur hörige Vasallen¬
staaten brauchen kann. Rumänien wird noch einmal die Wahrheit dieses
Satzes am eigenen Leibe verspüren, wenn keine schützende Hand der Mittel¬
mächte mehr über dem Lande, das seine Verbündeten verraten hat, walten
wird. Wir können aus dem Vorgang lernen, wie Politik und Strategie in
geeigneten Momenten zusammenwirken müssen. Möchte das Zusammenwirken
der beiden Männer Bethmann Hollweg und Hindenburg uns in Zukunft die¬
jenige Einheitlichkeit des politischen und strategischen Handelns verbürgen, die
wir brauchen.

In Rußland spielt außer dem rumänischen Eingreifen der Besuch japanischer
Gäste eine gewisse Rolle in der öffentlichen Diskussion. Diese Delegation setzt
sich hauptsächlich aus Mitgliedern der japanischen Ersten Kammer zusammen
(zu erwähnen sind Graf Teraschima, Graf Jnuje, der frühere Gesandte in




Außenpolitisches aus Rußland

ach den letzten Nachrichten, die aus Rußland eingetroffen sind
— durch die Tätigkeit unserer Unterseeboote im Bodenlöcher
Meerbusen ist der Postverkehr zwischen Rußland und Schweden
zeitweise unterbrochen, und daher kommen die Zeitungen nur
spärlich herüber — ist man in Rußland des Eingreifens Rumäniens
in der letzten Zeit ziemlich sicher gewesen. Es scheint, daß Stürmer sich vor¬
genommen hatte, als Außenminister hier seine ersten Lorbeeren zu pflücken.
Er hat die feste Sprache, die ein russischer Minister im Innern zu führen
gewöhnt ist, auf das Äußere übertragen. Was die Lockungen und Anerbietungen
der Entente in Rumänien noch nicht ganz vermocht hatten, das brachte Stürmers
Hinweis auf die an der Grenze stehenden russischen Heere fertig. Rußland
hat Rumänien ein Ultimatum gestellt und von Bmtianu Aufklärung über seine
Haltung innerhalb einer bestimmten Frist verlangt. Von der Antwort in dem
einen oder dem anderen Sinne werde es abhängen, welche Haltung Rußland
in Zukunft Rumänien gegenüber einnehmen werde. „Und willst du nicht mein
Bruder sein, so schlag' ich dir den Schädel ein." Es ist nicht ausgeschlossen,
daß sich Bmtianu, der längst im Innern seiner Seele entschieden hatte, dieses
russische Ultimatum bestellt hat, um dem König und den Parteiführern gegen¬
über darauf hinweisen zu können. Jedenfalls zeigt der Vorgang, was die
kleinen Staaten, die der Entente auf Gnade und Ungnade ausgeliefert sind,
auch später von ihr zu erwarten haben. Es ist beinahe eine politische Platt¬
heit, daß Rußland aus seinem Wege nach Konstantinopel nur hörige Vasallen¬
staaten brauchen kann. Rumänien wird noch einmal die Wahrheit dieses
Satzes am eigenen Leibe verspüren, wenn keine schützende Hand der Mittel¬
mächte mehr über dem Lande, das seine Verbündeten verraten hat, walten
wird. Wir können aus dem Vorgang lernen, wie Politik und Strategie in
geeigneten Momenten zusammenwirken müssen. Möchte das Zusammenwirken
der beiden Männer Bethmann Hollweg und Hindenburg uns in Zukunft die¬
jenige Einheitlichkeit des politischen und strategischen Handelns verbürgen, die
wir brauchen.

In Rußland spielt außer dem rumänischen Eingreifen der Besuch japanischer
Gäste eine gewisse Rolle in der öffentlichen Diskussion. Diese Delegation setzt
sich hauptsächlich aus Mitgliedern der japanischen Ersten Kammer zusammen
(zu erwähnen sind Graf Teraschima, Graf Jnuje, der frühere Gesandte in


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/334>, abgerufen am 23.07.2024.